Auf eisigem Gehsteig ausgerutscht: Wer zahlt den Sturz?

Eine Frau stürzt und kann acht Wochen nicht arbeiten. Die Stadt muss den Gehweg streuen. Muss sie auch zahlen?
von  Jasmin Menrad
Im Winter muss die Stadt auf städtischen Gehwegen für ausreichende Sicherung sorgen.
Im Winter muss die Stadt auf städtischen Gehwegen für ausreichende Sicherung sorgen. © dpa

München - Acht Wochen konnte Stewardess Betty Hold (40, Name geändert) nicht arbeiten, nicht sitzen und hatte starke Schmerzen. Deshalb will die Münchner Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Stadt München – insgesamt 4645 Euro. Denn die Stadt ist laut Hold und ihrem Anwalt Stefan Noll ihrer Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen, weshalb Hold gestürzt ist. Darüber wurde jetzt am Landgericht verhandelt.

Betty Hold, die nebenher in einem Kosmetiksalon arbeitet, war am 30.12.2014 in der Mittagspause, als sie in der Brunnstraße in der Altstadt unglücklich fiel. An diesem Tag war es kalt, es lag Schnee. „Ich hatte Winterschuhe an, aber weil nicht geräumt und nicht gestreut war, bin ich trotzdem gestürzt“, sagt Hold.

Ein Touristenpaar half der Gestürzten auf und rief ihre Kollegen aus dem nahen Kosmetiksalon. Hold hat sich die Wirbelsäule geprellt, das Kreuzbein gebrochen, die Bandscheibe verschoben und einen Leistenbruch erlitten.

Die Beweislast liegt beim Kläger

Die Vorsitzende Richterin Haseitl zeigt sich verständnisvoll, weil die Verletzungen sehr schmerzhafte sind. Allerdings: „Die Beweislast liegt als Klägerin bei Ihnen. Sie müssen beweisen, das nicht gestreut war.“ Darüber sind sich Betty Hold und die Stadt nicht einig. Die Anwältin der Stadt erklärt: „Es ist nicht so, dass an diesem Tag haufenweise Menschen in der Brunnstraße hingefallen sind. Die Streupflicht erstreckt sich auch nicht auf Eisplatten, weil nicht möglich ist, flächendeckend zu streuen.“

Jedoch haben Klägerin, Beklagte und die Richterin ein Interesse daran, dass sich dieser Prozess nicht ewig in die Länge zieht, Zeugen geladen werden und das es noch teurer wird. Deshalb schlägt die Richterin einen Vergleich vor: Betty Hold bekommt 1900 Euro von der Stadt.

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Dafür kann sie keine Rechte mehr geltend machen, auch nicht, wenn sie später noch Folgeschäden entdeckt. „Das ist ein Vergleich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, stellt Richterin Haseitl nüchtern fest.

Die Stadt muss noch abklären, ob die Haftpflichtversicherung das zahlt. Zwei Wochen haben sie deshalb Zeit, den Vergleich zu widerrufen – was eher unwahrscheinlich ist. Denn die Stadt ist günstig weggekommen bei diesem Glätteunfall. Und Betty Hold hat immerhin ihre Mehrausgaben wegen des Sturzes und den Verdienstausfall gedeckt.


So verhalten Sie sich bei einem Glätteunfall

Rechtsanwalt Stefan Noll ist spezialisiert auf Verkehrsrecht: " Auch wenn der Schock und die Schmerzen bei einem Unfall groß sind, sollten Sie jemanden bitten, Fotos von der Unfallstelle zu machen und Ihnen dann die Fotos zukommen zu lassen. Später vor Gericht können diese Fotos sehr wertvoll sein, um zu beweisen, dass nicht geräumt und gestreut war. Zudem sollten Sie sich dringend die Kontaktdaten der Menschen geben lassen, die den Unfall oder den Unfallort gesehen haben. Diese Zeugen können dann beispielsweise erzählen, welches Schuhwerk Sie getragen haben, ob Sie auf Ihre Umgebung geachtet haben und wie der Zustand des Weges war. Leider können sich viele Menschen gar nicht leisten, einen solch langwierigen Prozess finanziell durchzustehen. Frau Hold kann ihr Recht auch nur einklagen, weil sie eine Rechtsschutzversicherung hat. Wenn Sie allerdings vor Gericht gehen, sind Zeugen und Fotos wichtig.“

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