Asyl gegen Geld? Mitarbeiter des Münchner KVR in Untersuchungshaft
München - Die Staatsanwaltschaft München und Korruptionsermittler des K73 haben am Dienstag das KVR in der Ruppertstraße durchsucht. Vier Mitarbeiter der Ausländerbehörde sitzen seitdem in U-Haft. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, gegen Geld ausländerrechtliche Dokumente manipuliert zu haben.
Schlüsselfigur in dem Fall ist ein externer Dienstleister, ein sogenannter Relocator, offenbar mit besten Kontakten zu einigen KVR-Mitarbeitern. Der Mann sitzt bereits seit vergangener Woche in U-Haft, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte.
Asyl gegen Geld? Kreisverwaltungsreferat stellt Anzeige selbst
Ermittelt wird gegen „fünf aktuelle Mitarbeiter und eine ehemalige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde“, so die Staatsanwaltschaft. Ihnen wird vorgeworfen, „sich zusammengeschlossen zu haben, um in zahlreichen Fällen gegen Entgelt rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen in ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu treffen“, sagte Staatsanwältin Juliane Grotz auf AZ-Anfrage. Es bestehe der Verdacht der Bestechlichkeit und der Urkundenfälschung. Zuerst hatte der „Merkur“ über die Razzia berichtet.

Durchsucht wurden am Dienstag Büros der Verdächtigen. Die Ermittler nahmen fünf Mitarbeiter zur Befragung mit. Die übrige Belegschaft wurde intern über die Vorkommnisse im Haus informiert. Zudem sind auch die Wohnungen von vier Beschuldigten durchsucht worden, so die Staatsanwaltschaft. Dokumente wurden sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, sagte Staatsanwältin Juliane Grotz. Die Auswertung der Unterlagen dauere noch einige Zeit.
Die Ermittlungen angestoßen hat das KVR selbst und das bereits im Sommer vergangenen Jahres, wie die AZ erfuhr. Aufgrund erster Verdachtsmomente wurde die Innenrevision eingeschaltet. „Das KVR verfolgt wie die ganze Landeshauptstadt München eine Zero-Tolerance-Politik in Bezug auf Korruption und bringt jeden Verdacht zur Anzeige“, sagte Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne), die die Behörde seit Juli 2022 leitet. „Wir haben sofort nach dem Aufkommen erster Verdachtsmomente interne Ermittlungen aufgenommen und diese in den vergangenen Monaten gemeinsam mit den Ermittlungsbehörden vorangetrieben.“
Staatsanwältin Juliane Grotz: Ermittlungen noch nicht abgeschlossen
Der Verdacht richtet sich laut KVR gegen den Bereich „Aufenthalte für Arbeitsmigration der Servicestelle für Zuwanderung und Einbürgerung“, was früher landläufig als Ausländerbehörde bezeichnet wurde.

Die Ermittler haben fünf aktive Mitarbeiter und eine ehemalige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde im Visier. Sie sollen von Mai 2022 bis Januar 2024 „in zahlreichen Fällen“ gegen Geld rechtswidrige Entscheidungen zu ausländerrechtlichen Themen getroffen haben“. Es gehe unter anderem um den Verdacht der Bestechlichkeit und der Urkundenfälschung, so die Staatsanwaltschaft.
Schlüsselfigur ist offenbar ein privater Dienstleister, ein sogenannter Relocator. Er gilt als Strippenzieher und wurde als Erster verhaftet. Laut Staatsanwaltschaft vermittelte der Mann den Kontakt zu in Frage kommenden Ausländern, stellte gefälschte Dokumente her und gab den Mitarbeitern des KVR Geld. Ihm wird Bestechung und Urkundenfälschung zur Last gelegt.
Vor Ort im KVR Ausschau nach Klienten gehalten
Der Relocator soll gezielt nach Klienten Ausschau gehalten haben. Nach AZ-Informationen soll er das auch bei Personen getan haben, die sich noch nicht in Deutschland aufhielten. Offenbar geht es daher auch um den Verdacht der gewerbs- und bandenmäßigen Schleusung von Ausländern.
Relocatoren werden gerne von Menschen in Anspruch genommen, die entweder zu wenig Geld haben, einen Anwalt zu engagieren oder über zu wenige Deutschkenntnisse verfügen, um durch den Paragrafendschungel zu finden.
Das KVR habe kaum Möglichkeiten, diesen Dienstleistern den Zutritt zu verwehren, heißt es. Dieser besondere Relocator soll mit Anträgen von Klienten immer zu den selben Sachbearbeitern gegangen sein und das auch auffallend häufig. Offenbar habe er zu diesen Mitarbeitern im KVR besonders gute und enge Kontakte gehabt, heißt es. Genau das fiel schließlich in der Behörde auf. Vorgänge, mit denen der Relocator und bestimmte KVR-Mitarbeiter beschäftigt waren, wurden detailliert nochmals überprüft, Aktenvermerke erstellt und an die Staatsanwaltschaft übermittelt.
Mindestens 150 Euro sollen pro Person geflossen sein
Mehr als 30 Antragsteller sollen den Spezial-Service des privaten Dienstleisters und seiner Kontaktleute beim KVR in Anspruch genommen haben. Mindestens 150 Euro sollen jeweils geflossen sein. Bei den Bescheinigungen ging es um Aufenthaltstitel für Geflüchtete sowie um Fiktionsbescheinigungen – mit diesen können Ausländer nachweisen, dass sie sich trotz abgelaufenen Aufenthaltstitels rechtmäßig im Land aufhalten.
Die CSU im Rathaus fordert „rückhaltlose Aufklärung“. Man müsse abwarten, was an den Vorwürfen konkret dran sei, sagt Evelyn Menges, stellvertretende Fraktionschefin der CSU und Mitglied im KVR-Ausschuss zur AZ. Einen Rücktritt von KVR-Chefin Sammüller-Gradl fordert die CSU bisher nicht. Die Rathaus-CSU hat eine offizielle Anfrage zu den Korruptionsermittlungen und den Konsequenzen an Oberbürgermeister Dieter Reiter gerichtet.
„Das KVR hat selbst für Transparenz und Aufklärung gesorgt“, sagt Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs. Dass interne Kontrollmaßnahmen greifen, habe der aktuelle Fall bewiesen.
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