Armut in München: Hier reicht die Rente nicht

13.228 Münchner Senioren bekommen "Grundsicherung", weil ihr Geld nicht zum Überleben reicht. Auswertung nach Stadtviertel: In Ramersdorf leben die meisten armen Rentner – in Allach die wenigsten.
von  Irene Kleber
Je dunkler, desto ärmer: In diesen Vierteln ist der Anteil von Empfängern der Grundsicherung im Alter höher.
Je dunkler, desto ärmer: In diesen Vierteln ist der Anteil von Empfängern der Grundsicherung im Alter höher. © AZ

München - Es ist eine niederschmetternde Bilanz für viele alte Münchner. Sie haben den Krieg oder die Nachkriegsjahre erlebt, Kinder großgezogen, Jahre gearbeitet, als Erntehelfer vielleicht, als Taxler oder als Putzperle für Leute, die sich das leisten können.

Und jetzt, in der Rente, reicht das Geld nicht mehr: Die Miete frisst die mageren Bezüge auf. Und jeden Monat steht die Frage im Raum: Wovon die Heizung bezahlen? Den Kühlschrank füllen? Das Tramticket zum Arzt kaufen? Oder die Kinokarte für einen Ausflug mit dem Enkel?

News zur Rente

Unter den 18 000 Menschen, die bei der „Münchner Tafel“ um kostenloses Brot, Kartoffeln oder Schokolade Schlange stehen, sind neben alleinerziehenden Müttern und Kranken vor allem: Rentner. Noch mehr aber als die, die sich dort in die Öffentlichkeit wagen, verlassen ihre Wohnung kaum, trauen sich nicht, um Hilfe zu bitten. Bleiben allein mit ihrer Armut – in einer der reichsten Städte der Republik.

Lesen Sie hier: Rente mit 63: Die Zahlen, die Voraussetzungen

Die Münchner „Aufstocker“

Einen sehr konkreten Blick auf die versteckte Altersarmut werfen die neusten Zahlen des Münchner Statistischen Amts zum Thema „Grundsicherung“ – eine Sozialhilfeleistung für verarmte Senioren, die ihre Rente „aufstocken“ müssen.

Wie viele Münchner Rentner leben an der Armutsgrenze?

Im letzten Jahr bekamen 13 228 Rentner über 65 Jahren ihre Rente aufgestockt. Dazu kommen 3545 Münchner, die jünger als 65 Jahre aber so krank oder körperlich eingeschränkt sind, dass sie nicht arbeiten können und daher ebenfalls rentenberechtigt sind. Macht insgesamt 16 773 Menschen mit Grundsicherung.

Seit diese Sozialhilfeleistung 2005 eingeführt wurde, hat sich die Zahl der Bezieher um mehr als die Hälfte erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr sind es 848 Bedürftige mehr (ein Plus von 5,3 Prozent also in nur einem Jahr).

Wie hoch ist die Grundsicherung?

539 Euro zahlen Bund und Stadt laut dem Münchner Sozialreferat im Schnitt pro Monat an jeden verarmten Münchner Rentner aus, damit er über die Runden kommt. Das sind rund 20 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt, weil das Leben in München besonders teuer ist.

Der konkrete persönliche Betrag errechnet sich über einen „Regelsatz“ für die laufenden Kosten (z.B. aktuell 411 Euro pro Monat für einen Rentner-Single; ab Januar steigt der Satz auf 420 Euro) plus seiner Miete (aktuell maximal 610 Euro kalt für eine 50-qm-Single-Wohnung). Liegt die eigene Rente unter der Summe aus Regelsatz und anrechenbarer Kaltmiete, bekommt der Rentner diese Differenz durch die Grundsicherung „aufgestockt“.

Frauen häufiger betroffen

Es sind häufiger Frauen, die aufstocken müssen (54,8 Prozent der Bezieher sind weiblich) – weil es gerade unter den Hochbetagten in München schlicht mehr Frauen gibt als Männer.

Ein Drittel sind Migranten

6220 der betroffenen Münchner Rentner haben nicht-deutsche Wurzeln (37,1 Prozent der Grundsicherungsbezieher). Damit ist jeder siebte ausländische Rentner in München auf Hilfe angewiesen.
Die Quote ist laut den Statistikern vier Mal so hoch, wie bei gleichaltrigen deutschen Rentnern. Als Gründe führen sie „geringere Einkommen während der Erwerbszeit“ und „kürzere Versicherungszeiten“ in der Rentenversicherung an.

In welchen Vierteln leben die meisten verarmten Rentner?

Im München-Durchschnitt bekommen 13 von 1000 Einwohnern Grundsicherung. Nur: die armen Alten verteilen sich nicht überall gleich:

Die größte versteckte Altersarmut gibt es im Stadtbezirk Ramersdorf Perlach (mit 21 armen Alten auf 1000 Einwohner). „Darunter könnten auch einige der ehemaligen Gastarbeiter sein, die in den 1960er Jahren nach München kamen und teilweise immer noch bei uns in den Hochhäusern in Neuperlach leben“, erklärt der Ramersdorfer Bezirksausschuss-Vizechef Guido Bucholtz (Grüne). „Viele haben für wenig Geld als Reinigungskräfte, in der Gastronomie oder in Fabriken gearbeitet. Sie haben zwar ihr Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt, aber ihr Einkommen war zu niedrig.“

Ebenfalls überdurchschnittlich hoch ist die Altersarmutsdichte im nördlichen Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart (19 von 1000 Einwohnern müssen aufstocken), außerdem in Berg am Laim (17 von 1000), Sendling-Westpark, Feldmoching-Hasenberg und Moosach (je 16 von 1000).

Wo geht’s den Rentnern am besten?

Die wenigsten Aufstocker sind im nordwestlichen Stadtbezirk Allach-Untermenzing zu finden (4 von 1000; hier leben viele betuchtere Rentner und Pensionäre in Einfamilienhäusern). Gefolgt vom ebenfalls eher grünen Ost-Stadtbezirk Trudering (8 von 1000; hier leben viele Familien mit Kindern) und der schicken Maxvorstadt (9 von 1000), in der ohnehin mehr Studenten als alte Menschen wohnen.

Das Fazit

Die Zahlen für München werden langfristig nicht schöner werden: Weil in den kommenden Jahrzehnten der Anteil der alten Menschen weiter zunehmen wird, gleichzeitig aber die Renten sinken werden, „wird die Grundsicherung weiter an Bedeutung gewinnen“, schließen die städtischen Statistiker. „Nicht zu unterschätzen ist auch, dass es immer noch sozialhilfeberechtigte Münchner gibt, die ihre Ansprüche noch gar nicht angemeldet haben.“

Die Münchner Tafel, die inzwischen an 25 Standorten in der Stadt kostenloses Essen ausgibt, hat jetzt schon ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Tafel-Sprecherin Wenka Russ: „Die Zahl der Menschen, die bei uns um Hilfe bitten, steigt seit Jahren. Mehr können wir einfach nicht mehr mehr leisten.“ 

<img alt=

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.