Anschlag von München: Ermittler gehen von islamistischem Motiv aus – Tatverdächtiger geständig
München - Am Tag nach dem schrecklichen Vorfall in München, bei dem nach aktuellem Stand 36 Personen teils schwerstverletzt wurden, ist vieles noch unklar. Um 11 Uhr teilte die Polizei erste Ermittlungsergebnisse mit.
Pressekonferenz mit Vertretern des Polizeipräsidiums München, des bayerischen Landeskriminalamtes und der Generalstaatsanwaltschaft München
Polizeivizepräsident Christian Huber stellt zuerst den aktuellen Stand der Ereignisse vor. Er berichtet, dass es keine Gefährdungserkenntnisse im Vorfeld der Versammlung gegeben habe. Im Bereich der Seidlstraße habe sich von hinten das spätere Tatfahrzeug genähert und das Polizeifahrzeug überholt und sei dann in das Ende der Versammlung gefahren. Polizeikräfte, die vor Ort waren, haben vor Ort einen Schuss auf das Fahrzeug abgegeben. Der Tatverdächtige wurde dadurch nicht verletzt, aber direkt vor Ort festgenommen. Huber berichtet, dass der Tatverdächtige nach seiner Tat nicht gleich aufgegeben habe.
Zwei Schwerstverletzte, acht Schwerverletzte – Täter hat nicht gleich aufgegeben
Beim Tatverdächtigen handelt es sich um einen 24-jährigen Afghanen, wie bereits bekannt. Die Ermittlungen übernehme jetzt eine Sonderkommission des Landeskriminalamts. Wie die Polizei berichtet, habe man aktuell einen Stand von 36 Verletzten, das sei aber nicht abschließend, weil sich vielleicht nicht jeder Verletzte gemeldet habe. Von den 36 Verletzten seien zwei Schwerstverletzte, acht Schwerverletzte, zehn Mittelschwerverletzte. Die übrigen sind leicht verletzt.
Laut Polizeivizepräsident Christian Huber sind die Verletzten zwei bis 60 Jahre alt, 32 sind männlich, vier weiblich. Alle waren Teilnehmer der Verdi-Versammlung.
Wie die Polizei mitteilt muss nach dem Attentat eine hohe Zahl von Beamten und Feuerwehr, die vor Ort waren betreut werden . Mit Blick auf die Sicherheitskonferenz (Siko) berichtet die Polizei: Es gab keine Verbindung von der Verdi-Demo zur Siko.
Soko aus 140 Beamten übernimmt die Ermittlungen
Das LKA übernimmt die Pressekonferenz. Die Soko Seidlstraße übernimmt zum Nachmittag die Arbeit. Die Soko besteht aus 140 Beamten. Aktuell würden Videos und elektronische Beweismittel ausgewertet. Das Handy wurde bereits näher untersucht. Nachrichten in Dari-Persisch wurden dabei untersucht. "Vielleicht bin ich morgen nicht mehr da", sei demnach in einer Nachricht zu lesen gewesen.
Die Polizei habe keine Schwierigkeiten mit der Verschlüsselung gehabt. Alle Informationen konnten offen gelesen werden.
Es übernimmt Frau Tilmann für die Generalstaatsanwaltschaft München, Bereich Terrorismus. Nach aktuellem Stand müsse noch "viel ermittelt werden".
Der Tatverdächtige sei identifiziert. 2016 sei er als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er war legal hier und nicht ausreisepflichtig, hat in München in einer Wohnung gelebt und im Sicherheitsbereich gearbeitet. Der Täter stufe sich selbst als religiös ein.
Islamistische Motivation: Täter hat sich selbst geäußert
Zum Motiv: "Wir stehen am Anfang", sagt die Generalstaatsanwältin. Der Tatverdächtige war im Bereich Fitness aktiv. Verschiedene Posts weisen auf seine Religiosität hin.
Nach der Tat habe er "Alahu akbar" gerufen und auch direkt am Tatort gebetet.
Nach Informationen der Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Beschuldigte selbst geäußert. Er sei bewusst in die Teilnehmer der Demonstration gefahren. Die Begründung sei als religiöse Tatmotivation von der Generalstaatsanwaltschaft bewertet worden. "Ich würde mich trauen, von einer islamistischen Tatmotivation zu sprechen." Es gebe aktuell aber keine Erkenntnisse über die Einbindung in ein islamistisches Netzwerk.
Haftbefehl beantragt
Aktuell würden die Chats und Kontakte ausgewertet werden. Der Frage des Tatorts und des Motivs werde man jetzt weiter nachgehen. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) beantragt einen Haftbefehl. Der Täter wird am Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt.
Aktuell gäbe es keine Hinweise auf psychische Probleme, die Auswirkungen auf die Tat hätten, erklärt die Generalstaatsanwältin Tilmann.
Der Täter ist gestern zwei Stunden vernommen worden. Es wurde auch ein Drogentest durchgeführt, derzeit gibt es laut Oberstaatsanwältin Tilmann keine Hinweise darauf, dass er Drogen oder Medikamente genommen hätte.
Am Freitag soll der Täter laut Gabriele Tilmann auf Antrag der Staatsanwaltschaft in U-Haft gehen.
Falschinformationen zum Status des Täters
Auf die Frage zu den Falschinformationen durch Innenminister Joachim Herrmann über den Täter verweist die Polizei auf das Chaos der Anfangsphase der Untersuchungen. Dadurch, dass der Täter als Ladendetektiv tätig gewesen sei, wurde er in Zusammenhang mit Einzeltaten als Zeuge geführt. Ebenso die Informationen zum Aufenthaltsstatus stimmten nicht. Die Fiktionsbescheinigung ist ein rechtmäßiger Titel für den Täter, sich in Deutschland aufzuhalten, erläutert die Polizei.
Versuchter Mord in 36 Fällen
Die Anklage lautet nach aktuellem Stand versuchter Mord in derzeit 36 Fällen, gefährliche Körperverletzung und Eingriff in den Straßenverkehr.
Eine Frage bezieht sich auf Elektroden, die der Täter am Körper getragen haben soll. Die Polizei kann dazu nichts sagen.
Zu dem Zeitpunkt als der Täter eingereist ist, war die posttraumatische Belastungsstörung ein Thema. Von einer aktuellen psychischen Problematik habe die Staatsanwaltschaft keine Kenntnis.
Auf Nachfrage zu den Elektroden: Diese seien auf Bildern gut zu erkennen gewesen. Die Polizei weiß aktuell nicht, ob der Täter diese zur Tat bereits trug oder ob sie erst nach der Tat angebracht worden seien.
Warum der Täter in Zusammenhang mit Drogendelikten geführt wurde, ergebe sich über Anzeigen, die er gegen Betroffene erstattet habe. Als Ladendetektiv war er selbst Zeuge. Dass der Täter selber Drogen konsumiert hätte oder in ärztlicher Behandlung gewesen wäre, sei aktuell nicht bekannt.
Bei den Nachrichten auf dem Handy handelt es sich nicht um Arabisch, sondern um Dari, korrigiert die Polizei auf Nachfrage. Dabei handelt es sich um Afghanisch-Persisch.
Täter wollte noch einmal Gas geben
Nach dem jetzigen Erkenntnisstand habe der Täter noch einmal versucht, Gas zu geben. Das konnte die Polizei stoppen.
Wie kam der Täter überhaupt in die Demonstration hinein? Die Polizeifahrzeuge sind nach Ausführungen der Polizei mit einem gewissen Abstand zur Versammlung gefahren, an dieser Stelle sei der Täter durchgestoßen.
Tatwaffe Mini Cooper: Das Auto gehört dem Täter
Zur Frage der Tatwaffe: Der Mini Cooper gehört dem Täter, teilt die Polizei mit. Es sei auf ihn zugelassen. Der Täter habe das Auto mit dem Kennzeichen Rosenheim übernommen. Die Beschuldigtenvernehmung ist auf Deutsch geführt worden. Der Täter sei damit auch des Deutschen mächtig.
Auf Nachfrage erläutert die Polizei, dass ein Kind als schwerstverletzt eingestuft sei, zum weiteren Status will sich die Polizei nicht äußern.
Attentat von München: Keine Hinweise auf den IS
"Wir haben keine Hinweise auf den IS oder eine andere islamistische Vereinigung", betont die Generalstaatsanwältin. Der Täter habe aber regelmäßig gebetet und sich in diese Richtung geäußert. Der Täter habe nicht gesagt, dass er Ungläubige töten wolle. Weitere Details will die Generalstaatsanwaltschaft aktuell nicht nennen. Auch zum Zeitpunkt der Tat und der Wahl der Demo kann aktuell nichts gesagt werden.
Die Social-Media-Accounts des Täters sind inzwischen abgestellt. Die Polizei kann dazu keine Details nennen, sprich die Accounts wurden nicht von der Polizei stillgelegt.
Eine letzte Frage zur Quelle der Falschinformationen am Tag des Attentats: Die Polizei verweist noch einmal auf das Chaos der ersten Stunden. Die Informationen kamen aus Polizeibeständen, aber wer mit wem kommuniziert habe und wie Falschinformation zu Innenminister Herrmann gelangt sei, kann die Polizei nicht sagen.
Auto fährt in München in Demozug: Was wir bisher wissen
Am Donnerstagmorgen gegen 10.30 Uhr überholte ein 24-jähriger Afghane mit seinem Mini-Cooper ein Polizeiauto, das am Ende eines Verdi-Demozugs mit rund 1500 Teilnehmern fuhr, und raste in Menschen. Mindestens 30 Menschen sind verletzt, drei schweben wohl in Lebensgefahr, darunter ein Kind. Die Polizei schoss in Richtung des Verdächtigen und nahm ihn fest. Am Freitag soll er einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.
Am Tattag hatte es zunächst Unklarheiten über den Aufenthaltsstatus des Tatverdächtigen gegeben. Am Abend kristallisierte sich heraus: Der junge Afghane hatte nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. "Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig."
Tatverdächtiger war nicht ausreisepflichtig
Zugleich berichtete der Minister, dass der Mann nach neuesten Erkenntnissen und entgegen erster Informationen nicht wegen Ladendiebstählen auffällig geworden war. Nach Worten Herrmanns kam der Afghane Ende 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Sein Asylverfahren wurde demnach im Jahr 2020 endgültig abgeschlossen, mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München habe dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid erlassen und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis. Der junge Mann habe eine Schule besucht, eine Berufsausbildung gemacht und als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet.
Deshalb habe es zunächst auch ein Missverständnis gegeben, eben weil der Mann in mehreren Ladendiebstahlprozessen aufgetreten sei. "Er war nicht selbst Tatverdächtiger, sondern er war Zeuge", stellte Herrmann klar.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Abend im ZDF, der Tatverdächtige sei "wohl bislang eher unauffällig" gewesen. "Er war nicht ausreisepflichtig." Weiter sagte Söder: "Und auch bisherige extremistische Hintergründe sind jedenfalls nicht auf den ersten Blick so leicht erkennbar." Deshalb müsse jetzt weiter ermittelt werden, was der Grund für die schlimme und furchtbare Tat sei.
- Themen:
- CSU
- Markus Söder
- München
- Polizei
- ZDF