Amnesty-Expertin Verena Harpe im AZ-Interview über China
AZ: Frau Harpe, wie wahrscheinlich ist es, dass der Münchner Philipp B. tatsächlich hingerichtet wird?
VERENA HARPE: Schwer zu sagen. Er kann jetzt Rechtsmittel einlegen. Dann geht sein Fall eine Instanz höher zum Obersten Volksgericht der Provinz Fujian. Allerdings waren Berufungsverfahren bislang selten erfolgreich. Zuletzt entscheidet das Oberste Volksgericht in Peking, das seit 2007 alle Todesurteile in ganz China überprüft.
Was geschieht dann?
Hat man einmal all diese Schritte durchlaufen und das Todesurteil wurde nicht aufgehoben, vergeht bis zur Vollstreckung meist nicht mehr viel Zeit. Begnadigungen gibt es in China nicht.
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Aber Philipp B. ist Ausländer.
Er ist, soweit wir wissen, der erste Deutsche, der in China zum Tode verurteilt wurde. Deshalb ist der Ausgang des Verfahrens extrem schwierig einzuschätzen. Natürlich fordern wir von der Bundesregierung, dass sie sich dafür einsetzt, dass das Todesurteil nicht vollstreckt, sondern in eine Haftstrafe umgewandelt wird. Aber einen Automatismus gibt es da nicht. 2009 wurde ein Brite wegen Drogenschmuggels hingerichtet – da haben alle Appelle nichts genutzt.
Welche Exekutionsform wird in China praktiziert?
In der Regel finden dort Hinrichtungen durch Erschießen statt. In den letzten Jahren kommen aber auch immer mehr mobile „Hinrichtungsfahrzeuge“ zum Einsatz, in denen die Menschen mit Giftspritzen getötet werden.
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Wie viele Menschen wurden in China in den letzten Jahren hingerichtet?
Das weiß niemand genau, weil China seine Hinrichtungspraxis als Staatsgeheimnis behandelt. Wir gehen aber davon aus, dass jedes Jahr mehrere tausend Exekutionen vollzogen werden – mehr als in allen anderen Ländern der Welt zusammen.
Interview: N. Kettinger
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