Alltagrassismus in München steigt - Beratungsstelle hilft

Die Zahl der rechtsextremistische Angriffe auf Flüchtlingsheime in Bayern stieg im vergangenen Jahr, ebenso der alltägliche Rassismus. Eine Bestandasaufnahme aus München.
AZ,dpa |
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München - Menschen aus mehr als 180 Nationen leben in München. Zum internationalen Tag des Rassismus am Dienstag feiert sich die Stadt selbst als weltoffen. 43 Prozent der Münchnerinnen und Münchner haben eine Migrationsgeschichte, so der Stand vom 31.12.2016. Viele von ihnen erleben tagtäglich Rassismus. Mit wachsender Vielfalt steigt die Toleranz offenbar nicht automatisch. Im Gegenteil.

Betrunkene Fahrgäste machten sich beim Ostbahnhof über die Hautfarbe ihres Taxifahrers lustig, schließlich prügelten sie auf den 56-Jährigen ein. Ein Münchner pöbelte in der U-Bahn gegen Mutter und Tochter wegen ihrer Kopftücher, beschimpft die Frauen als "Hurentöchter", dann schlug er der 17-Jährigen mit der Faust zweimal ins Gesicht. Diese Übergriffe sind keine Einzelfälle.

Zahl fremdenfeindlicher Angriffe steigt stetig

Die Zahl der fremdenfeindlichen Angriffe steigt stetig, vor allem gegen Flüchtlinge richtet sich die Gewalt. Bis Ende September 2016 gab es nach den Zahlen des Innenministeriums in München 75 Angriffe auf bestehende oder geplante Heime sowie Wohnungen von Flüchtlingen, darunter waren auch mehrere Brandanschläge. Laut Verfassungsschutzbericht waren im gesamten Jahr 2015 in Bayern 66 solcher Taten gezählt worden, im Jahr 2014 waren es nur 22. Im Freistaat kam es in diesem Zeitraum insgesamt zu mehr als 400 rechten Angriffen auf Asylbewerber, Flüchtlingsheime und auch Flüchtlingshelfer.

Neben der offensichtlichen Gewalt gibt es aber auch Rassismus, der sich nicht ohne Weiteres in Zahlen beziffern lässt. Tagtäglich erleben Menschen mit einer anderen Hautfarbe, Religion oder Muttersprache auf Münchens Straßen Ausgrenzung und Abwertung. Die Beratungsstelle "Before" kümmert sich um die Opfer.

Vor knapp einem Jahr begann "Before" mit der Arbeit, seitdem unterstützten die Mitarbeiter in knapp 100 Fällen Ausgegrenzte. 41 von ihnen waren Opfer rassistischer oder rechter Gewalt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Opfer über Jahre Diskriminierung ausgesetzt

Die meisten Ratsuchenden haben schon vielfach Diskriminierungen erfahren, bevor sie auf Beratungsangebote zurückgreifen. "Wir erleben immer wieder, dass Menschen jahrelang Diskriminierungen und Ausgrenzungen über sich ergehen lassen, bevor sie aktiv werden und sich Hilfe holen. In den seltensten Fällen geht es um einzelne Diskriminierungsakte, sondern meistens um kontinuierliche Diskriminierungserfahrungen der Betroffenen“, so eine Beraterin.

Im Vergleich zu den neuen Bundesländern gebe es in Bayern kaum "krasse" Gewaltvorfälle - Alltagsrassismus sei aber ausgeprägt: "Das wird man wohl noch sagen dürfen", sei eine ganz typische Aussage, sagt eine "Before"-Beraterin der SZ. Insgesamt scheine die Hemmschwelle zur Gewalt zu sinken, wenn jemand ein Kopftuch trage oder eine andere Hautfarbe habe, so die Beraterin weiter.

Den Opfern hilft es, nicht alleine dazustehen und vor allem: Ernst genommen zu werden. Häufig werden Straftaten wie die U-Bahn-Attacke oder der Taxler-Übergriff nicht klar als rechte Gewalt benannt. Die Forderung der Helfer: Polizei und Justiz müssen in diesem Bereich sensibler werden.

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