Aiwanger setzt sich zur Wehr: Druck wächst immer weiter

Mitten in die Aufarbeitung der Flugblatt-Affäre platzen neue Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger. Der setzt sich öffentlich zur Wehr. In Kürze wird Markus Söder entscheiden müssen, ob und wie es weitergeht.
AZ/dpa |
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Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger.
Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
München

In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt und nach weiteren Vorwürfen zu seiner Schulzeit hat sich Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger öffentlich zur Wehr gesetzt.

"Es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-Jähriger hier mir vorgeworfen wird", sagte der Freie-Wähler-Chef am Mittwoch am Rande eines Termins in Donauwörth dem Sender Welt TV im Beisein auch anderer Journalisten. "Aber auf alle Fälle, ich sag' seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund", betonte der 52-Jährige. Er könne "für die letzten Jahrzehnte alle Hände ins Feuer legen". Was aus Jugendzeiten nun diskutiert werde, wundere ihn etwas.

Freie Wähler hinter Aiwanger: "Schmutzkampagne"

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Aiwanger zuvor aufgefordert, die ihm gestellten 25 Fragen rasch, umfassend und zweifelsfrei zu beantworten, auch zu neuen Vorwürfen. Die Spitzen der Berliner Ampel-Koalition, Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), verlangten ebenfalls Aufklärung - und gegebenenfalls Konsequenzen. Die Freien Wähler in Bayern stellten sich dagegen geschlossen hinter Aiwanger und beklagten eine "Schmutzkampagne".

Die neuen Vorwürfe stammen von einem ehemaligen Mitschüler Aiwangers: Aiwanger soll in den 1980er Jahren beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers ab und zu "einen Hitlergruß gezeigt" haben, wie der Mann dem ARD-Magazin "Report München" sagte, demnach ein Mitschüler von der 7. bis 9. Klasse. Zudem habe Aiwanger "sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht in diesem Hitler-Slang". Auch judenfeindliche Witze seien "definitiv gefallen". Welche "starke Gesinnung" dahinter gesteckt habe, dazu sagte er: "Keine Ahnung."

Aiwanger soll damals Hitlergruß gezeigt haben

Der "Bild" (Donnerstag) sagte Aiwanger zum Vorwurf, den Hitlergruß gezeigt zu haben: "Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll." Auf Aiwangers Profil auf X (ehemals Twitter) gab es indes erstmals seit Tagen einen neuen Eintrag: "#Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los. #Aiwanger".

Söder wartet nun auf Aiwangers schriftliche Antworten auf die 25 Fragen. Anschließend will er eine abschließende Bewertung vornehmen. Heißt: Dann wird er voraussichtlich ganz konkret entscheiden müssen, ob er Aiwanger entlässt oder nicht, und das keine sechs Wochen vor der Landtagswahl. Dabei steckt er in einem fast ausweglosen Dilemma: Im Falle einer Entlassung Aiwangers könnten die Freien Wähler bei der Landtagswahl massiv profitieren - so jedenfalls die große Sorge der CSU. Andererseits könnten Söder und die CSU am Ende in Mithaftung genommen werden, wenn er trotz allem weiter an Aiwanger festhält.

Söder will die Sache rückstandlos aufklären

Aiwanger hatte am Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.

"Alle Fragen müssen zweifelsfrei geklärt werden. Da darf kein Verdacht übrig bleiben", sagte Söder am Mittwoch. Aiwanger habe nun die Gelegenheit, sich vernünftig, fair und umfassend zu äußern. "Dazu sollen wir eine zeitnahe und maximal transparente Antwort auch erhalten, so dass wir dann auch eine glaubwürdige Diskussion darüber führen können, wie wir das bewerten." Am Dienstag hatte Söder gesagt: "Bis zur abschließenden Klärung, solange kein neuer Beweis vorliegt oder bisher Gesagtes komplett widerlegt werden kann, wäre eine Entlassung aus dem Amt eines Staatsministers ein Übermaß." Er fügte aber hinzu: "Das heißt, es darf jetzt auch nichts mehr dazukommen."

Auch Scholz fordert lückenlose Aufklärung

Bundeskanzler Scholz sagte bei der Kabinettsklausur in Meseberg bei Berlin: "Alles das, was bisher bekannt geworden ist, ist sehr bedrückend. Und deshalb ist für mich sehr klar, dass alles aufgeklärt werden muss." Wenn das geschehen sei und nichts "vertuscht" werde, müssten notwendige Konsequenzen daraus gezogen werden.

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Habeck sagte in Meseberg, er finde Aiwangers Umgang mit den Berichten unaufrichtig. Er habe jüngst in verschiedenen Reden "offensichtlich" eine Sprache des "rechten Populismus" benutzt. Es sei eine Frage an Söder, ob er mit einem Kollegen, der so agiere, weiter zusammenarbeiten wolle. "Ich finde es schwer vorstellbar." Und auch Lindner sagte: "Der Umgang und die Aufklärungsbereitschaft sind in meinen Augen bislang nicht glaubwürdig." Es müsse dringend Klarheit geschaffen werden mit den dann gegebenenfalls nötigen Konsequenzen.

Aiwanger mimt das Bauernopfer

Aiwanger sagte über Rückmeldungen, die er aktuell bekomme: "Ich habe sehr, sehr überwiegend die Aussage, dass hier eine Schmutzkampagne gefahren wird und dass ich hier politisch und auch persönlich zerstört werden soll." Die meisten sagten: "Das kann doch nicht sein, dass man mit Dingen konfrontiert wird, die so lange her sind."

Die Freien Wähler in Bayern stehen geschlossen hinter Aiwanger. Das betonten mehrere Mitglieder des Partei- und Fraktionsvorstands am Mittwoch nach gemeinsamen Beratungen im Landtag in München. "Und das werden wir auch weiter tun", sagte Generalsekretärin Susann Enders. Fraktionschef Florian Streibl sagte: "Wir sind mit ihm solidarisch." Es werde nun werde das Schicksal von Millionen Juden dazu instrumentalisiert, einen Politiker fertigzumachen, kritisierte er.

Kann es eine Koalition ohne Aiwanger geben?

Streibl fügte in Reaktion auf Äußerungen Söders vom Dienstag hinzu: "Eine Botschaft müssen wir senden: Eine Koalition in Zukunft wird es auch nur mit Hubert Aiwanger geben." Auf Spekulationen, Aiwanger könnte in einer Art Rochade aus dem Ministeramt an die Spitze der Freie-Wähler-Fraktion wechseln, ging Streibl nicht ein. "Aiwanger wird immer irgendwie dabei sein. (...) Ohne wird's nicht gehen."

Söder hatte am Dienstag gesagt, er wolle die Koalition fortsetzen. Koalitionen hingen aber "nicht an einer einzigen Person", sagte Söder. "Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso."

Umweltminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern machte deutlich, dass er keine Grundlage für Söder sieht, Aiwanger zu entlassen. "Explizit ist hier nichts bewiesen." Was nicht bewiesen sei, sei nicht justiziabel. Es gelte die Unschuldsvermutung.

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  • Giesingerin am 31.08.2023 21:08 Uhr / Bewertung:

    In Erinnerung an meine Schulzeit (70er/80er Jahre) kann ich nur sagen, dass wir es schlimm fanden, wieviele alte Nazis noch in Amt und Würden waren, als Lehrer, als Politiker etc. Keiner war beteiligt an Greueltaten, keiner war ein Nazi, nach 1945 gab es scheinbar nur noch lupenreine Demokraten. Und um diese verlogene Gesellschaft zu provozieren, um den Dreck unter dem Teppich wieder hervorzukehren, gab es Songs oder Witze , die die Nazis, die KZs wieder zur Sprache brachten. Nicht, weil man diese Zeit und die Verbrechen gut fand, sondern genau im Gegenteil, um sie anzuklagen. Um die Alten zu konfrontieren mit dem Dreck, den sie am Stecken hatten. Und eine Hitlerpersiflage sollte die Nazis lächerlich machen, nicht die Opfer! Satire kann weh tun, aber Totschweigen ist auch keine Lösung. Dies nur mal als Denkanstoß.

  • doket am 31.08.2023 15:08 Uhr / Bewertung:

    Mich beunruhigt ja auch, dass ein Menschenhasser wie Hubsis Bruder, der am liebsten alle Fremdeb töten wollen würde, nun ein Waffenhändler ist.

  • Sarah-Muc am 31.08.2023 17:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von doket

    Der wird jetzt auch amtlicherseits überprüft. Diesr Lizenz muss entzogen werden.

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