Affäre Meier: Der OB kommt ins Schlingern

In der Auseinandersetzung um Sozialreferentin Brigitte Meier hat Dieter Reiter (SPD) die Große Koalition in eine Krise gestürzt. Nun geht es um die Zukunft der Stadtregierung.
München - Die überfüllte Bayernkaserne, die Flüchtlinge auf den Bäumen und das Willkommenskonzert am Königsplatz – vor allem in der Asylpolitik hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sein Profil als konsequenter Macher schärfen können. Nun steckt der OB allerdings in der ersten Krise seiner Amtszeit. Und wenn man so will, ist auch dafür die Asylpolitik der Grund.
Der Stadt drohen Millioneneinbußen, weil im Stadtjugendamt stapelweise Erstattungsanträge für die Flüchtlingshilfe liegengeblieben sind. Die Wiederwahl von Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) hat der Stadtrat vor zwei Wochen deshalb kurzfristig abgesagt.
Sozialreferentin Brigitte Meier Foto: Petra Schramek
In der CSU war man darüber überhaupt nicht glücklich. Neben Meiers Kür wurde nämlich auch die geplante Wahl von fünf anderen Stadtministern verschoben, darunter die von CSU-Stadtrat Alexander Dietrich zum Personalreferenten. Dietrich hatte mit der Sache rein gar nichts zu tun, wurde aber quasi in Geiselhaft genommen. In der Großen Koalition im Rathaus herrscht seitdem deshalb Eiszeit.
Erstmals ist die Stimmung im Rathaus richtig vergiftet
Gefetzt haben sich Reiter und sein Stellvertreter Josef Schmid (CSU) freilich auch davor schon mal, vergangenen Sommer etwa, als es um die Frage ging, ob der Flüchtlingszustrom reguliert werden muss oder nicht. Aber das war vornehmlich Show, die gehört zum politischen Geschäft irgendwie dazu. Dieses Mal geht es nicht um eine kontrollierte Auseinandersetzung.
SPD und CSU reden nicht viel über das Thema. Wer schon mal eine Ehe geführt hat, der weiß: Wenn man sich nicht einmal mehr zofft, sondern nur noch anschweigt, dann ist es richtig ernst. Dabei hätte Reiter das Zerwürfnis leicht verhindern können. Der OB hat von der Schlamperei im Stadtjugendamt frühzeitig erfahren. Bereits kurz vor Weihnachten war der Revisionsbericht mit dem brisanten Inhalt bei ihm im Büro gelandet. Seitdem muss ihm klar gewesen sein, was da für ein explosiver Stoff auf seinem Schreibtisch schlummert.
Reiter hätte zwei Optionen gehabt
Reiter hätte in dieser Lage im Wesentlichen zwei Optionen gehabt: Zu Meier stehen und sie auch gegen mögliche Widerstände in der CSU durchboxen. Oder sie fallenlassen. Bei einem drohenden Millionenverlust hätte ihm da niemand übermäßige Härte vorwerfen können.
Zu einer konsequenten Linie hat sich der OB aber nicht durchringen können. Im einen Fall hätte er auf seinen CSU-Partner Schmid zugehen müssen – was Reiter nicht gerne tut, schon gar nicht als Bittsteller. Und im anderen Fall hätte er sich womöglich den Zorn seiner Partei zugezogen. Meier ist in der SPD stark verwurzelt. Zumindest ein stärkeres Rumoren wäre also zu erwarten gewesen
Fraktionen wetten auf Höhe des Fehlbetrags
Diese Woche will das Rechnungsprüfungsamt nun angeblich seinen Abschlussbericht vorlegen. Im Rathaus will man das zwar nicht bestätigen, dort heißt es nur, an dem Bericht werde fieberhaft gearbeitet. In den Fraktionen werden aber bereits Wetten abgeschlossen, wie hoch der Fehlbetrag am Ende sein wird. Bei einer einstelligen Millionensumme, so munkelt man auf den Fluren, darf Meier bleiben, bei einer zweistelligen muss sie gehen.
Vor zwei Wochen im Stadtrat hatte Reiter noch alle Attacken weggewitzelt. Er habe in seinem Büro keine extra Grünen-Hotline, antwortete er, als die Grünen sich darüber beklagt hatten, dass sie beim Erfragen des Revisionsberichts erst beim vierten oder fünften Anruf zum OB durchgedrungen seien. Man sah Reiter aber an, wie sehr ihm diese ganze Angelegenheit stinkt.
Hält Reiter an Meier fest?
Man darf gespannt sein, wie sich Reiter nun entscheiden wird. Noch ist Meier nicht seine Referentin. Christian Ude hat sie seinerzeit installiert. Sollte er sich nun aber hinter sie stellen, würde Meier auch zu seiner Personalie. Weitere Fehltritte fallen dann zwangsläufig auch auf ihn zurück.
Im Stadtrat geht man derzeit deshalb eher davon aus, dass Meier für die Sitzung am 25. Februar von der SPD nicht noch einmal zur Wahl vorgeschlagen wird. In den anderen Fraktionen hat man es nämlich sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass nach der verschobenen Referentenwahl nicht der OB zur Verteidigungsrede von Meier ansetzte, nicht die Dritte Bürgermeisterin und auch nicht der Fraktionschef – sondern mit Christian Müller ein Hinterbänkler. Rückhalt sieht irgendwie anders aus.