90er und 00er Jahre: Seifenoper, echte Schlangen und aufwendige Sets

Die AZ-Serie über Bavaria Film beleuchtet im vierten Teil der Serie, wie in Grünwald Soaps, Kinohits und große Shows entstehen.
von  Sven Geißelhardt
Hier wird die Soap "Sturm der Liebe" gedreht – an jedem Arbeitstag entsteht eine ganze Folge.
Hier wird die Soap "Sturm der Liebe" gedreht – an jedem Arbeitstag entsteht eine ganze Folge. © Christof Arnold

München - Nach den erfolgreichen 60er, 70er und 80er Jahren mit Hollywoodstars, erfolgreichen Blockbustern und oscarnominierten Produktionen, die in der Bavaria Filmstadt gedreht wurden, entwickelte sich das Fernsehen in den 90er Jahren enorm weiter. Seifenopern wie "Lindenstraße" oder "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" lockten ein Millionenpublikum vor die Flimmerkiste. Da mussten auch die Münchner Studios mithalten.

Mit der Produktion "Marienhof" konnten sie das aber auch. Nach Ausstrahlung der ersten Episode 1992 wurde die Serie zu einer der erfolgreichsten ihres Formates. Bis 1994 lief "Marienhof" zweimal die Woche im Vorabendprogramm der ARD. Aufgrund der steigenden Quoten und der großen Beliebtheit wurde das Sendeformat geändert und startete 1995 in die Daily-Ära.

Für die Sendung wurde in der Bavaria Filmstadt für zwei Millionen Euro ein kompletter Straßenzug auf 4.500 Quadratmetern gebaut, der einen fiktiven Stadtteil von Köln simulieren sollte, wo die Serie spielte. Nach überaus erfolgreichen 18 Sendejahren wurde "Marienhof" mit Folge 4.053 Anfang 2011 aufgrund sinkender Quoten eingestellt.

Ein Nachfolger des Erfolgsformates war schnell gefunden. Bereits 2005 startete parallel zum "Marienhof" die Telenovela "Sturm der Liebe" über die Irrungen und Wirrungen der Liebe im fiktiven Hotel Fürstenhof. Seit ihrem Start mauserte sich die Telenovela zu einem absoluten Quotenrenner.

Im Gegensatz zu einer Daily-Soap, bei der es bis zu zehn Hauptdarsteller gibt, steht bei einer Telenovela pro Staffel ein Paar im Fokus der Handlung, das meist trotz Verwechslungen und Intrigen zueinanderfindet. Dafür werden Motive aus der Märchenwelt, zum Beispiel eine Aschenputtel-Thematik, übernommen und in die moderne Welt übertragen. So verliebt sich der Sohn aus gehobenem Hause in eine Putzfrau und kämpft für seine Liebe gegen die Vorurteile der Schickeria. Bis heute wird in der Bavaria Filmstadt täglich eine ganze Folge "Sturm der Liebe" gedreht. Die Fangemeinde reicht von Deutschland über Italien bis nach Kanada. Weltweit wurde die Telenovela bisher von 20 Sendern gekauft.

Für eine Verfilmung wird extra ein Elefantenhaus gebaut

Neben den TV-Produktionen kamen die Kino-Produktionen nicht zu kurz. Der bayerische Star-Regisseur Joseph Vilsmaier drehte nach seinem Debütfilm "Herbstmilch" (1989) noch sechs weitere Filme in der Bavaria Filmstadt, unter anderem "Charlie und Louise" (1993), "Comedian Harmonists" (1997) und "Marlene" (2000).

Zu einer seiner erfolgreichsten Produktionen zählt das 20 Millionen DM teure Kriegsdrama "Stalingrad" (1992). Der Film über die Schlacht in Stalingrad während des Zweiten Weltkrieges war in deutschen Kinos überaus erfolgreich und erreichte auch im Ausland ein Millionenpublikum.

Auch internationale Großproduktionen fanden wieder ihren Weg in die Münchner Studios. 1998 entstand durch eine deutsch-französisch-italienische Zusammenarbeit die erste Realverfilmung von "Asterix und Obelix gegen Cäsar". Der Film war mit Leinwandgrößen wie Gérard Depardieu, Christian Clavier und Roberto Benigni prominent besetzt.

Auch deutsche Schauspieler wie Marianne Sägebrecht und Gottfried John übernahmen Rollen in der Comicverfilmung. In Studio 9 wurde eine große Arena gebaut, in der Asterix gegen wilde Tiere antreten muss. Dafür wurden echte Krokodile, Löwen, Schlangen, 400 Vogelspinnen und Elefanten organisiert. Die Elefanten bekamen sogar ein extra für diese Produktion gebautes Elefantenhaus. Die Arena-Szene, die im Film nur wenige Minuten dauert, kostete knapp 10 Millionen DM und zählt zu einer der aufwendigsten Szenen, die je in der Bavaria gedreht wurden.

Studio 12: Der Schauplatz großer Filme

Dank einem medienpolitischen Standort-Förderungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung entstand 1999 das Studio 12. Mit seinen 3.000 Quadratmetern ist es eines der größten Studios Europas und wurde mit dem Ziel gebaut, den Medienstandort Bayern für nationale und internationale Großprojekte attraktiver zu machen.

Dass dieser Plan aufgegangen ist, zeigt die beachtliche Liste an Produktionen, die bereits in Studio 12 gedreht wurden, wie unter anderem "Luther" (2002). "(T)Raumschiff Surprise – Periode 1" (2003), "Das Parfüm" (2005) und "Snowden" (2015). Für die oscarnominierten Filme "Der Untergang" (2005) und "Der Baader Meinhof Komplex" (2007) wurden mit dem Führerbunker und den Gefängniszellen aus Stammheim geschichtsträchtige Kulissen originalgetreu in Studio 12 nachgebaut.

Flop-Filme: Eine Bavaria-Ausnahme

In diesem Studio drehte die Bavaria 2011 große Teile des Films "Ludwig II.". Das biografische Epos über den bayerischen Märchenkönig Ludwig II. hatte ein Budget von knapp 16 Millionen Euro, das zum Teil von der Bavaria mitfinanziert wurde. Hierfür wurden unter anderem die Innenräume der Residenz und die Baustelle des Schlosses Neuschwanstein aufwendig nachgebaut. Mit Ausnahme der Hauptrolle, gespielt von dem Berliner Theaterschauspieler Sabin Tambrea, war der Film mit Schauspielern wie Uwe Ochsenknecht, Hannah Herzsprung und Friedrich Mücke außerordentlich prominent besetzt. Jedoch konnte "Ludwig II." trotz der teuren und aufwendigen Ausstattung und der Besetzung die Kinobesucher nicht in seinen Bann ziehen und blieb mit einem Einspielergebnis von knapp einer Millionen Euro an den Kinokassen weit hinter den Erwartungen zurück.

Trotz dieses herben Rückschlags zählt das Gelände der Bavaria Filmstadt auch heute noch zu einem der gefragtesten Medienstandorte Deutschlands. Neben großen Kinoproduktionen wie "Bullyparade – Der Film" und "Fack ju Göthe 3", die 2016 zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres zählten, hat die Bavaria mit großen Shows wie "Verstehen Sie Spaß" und "Das Duell um die Welt" auch immer wieder Zuschauermagnete zu Gast.

Ab März 2019 lädt die Bavaria Filmstadt zum Besuch des "Filmstadt Ateliers" ein und blickt zum 100-jährigen Jubiläum auf ein Jahrhundert der Münchner Filmgeschichte zurück.


AZ-Serie: 100 Jahre Bavaria Film

Teil 1: Hitchcock in Grünwald - Wie eine Münchner Film-Institution geboren wurde

Teil 2: Münchner Filme zur NS-Zeit - Zwischen Propaganda und Ablenkung

Teil 3: Glanz und Glamour - Hollywood in München

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