40 Milliarden Euro: So viel Geld fehlt dem MVV

München - Eigentlich sollen 2030 doppelt so viele Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein wie noch 2019. Dieses Ziel haben Bund und Länder festgelegt. Doch dann kam Corona. Statt mehr Menschen sitzen heute im Raum München noch immer fast ein Drittel weniger Leute in Bussen und Bahnen als vor zwei Jahren.
"Die Corona-Pandemie bescherte uns enorme Einnahmenausfälle", sagt der Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) Bernd Rosenbusch.
Trotzdem habe das Verkehrsunternehmen das Angebot nahezu vollständig aufrechterhalten. Das Defizit muss nun aber ausgeglichen werden. Die Fahrpreise werden deshalb teurer. Das beschloss die Gesellschafterversammlung des MVV, der unter anderem die Stadt und der Landkreis München angehören, am Freitag. Die meisten neuen Tarife gelten ab 12. Dezember zum Fahrplanwechsel.
MVV: Das sind die neuen Preise
Durchschnittlich steigen die Preise um 3,7 Prozent. Bei vielen Tickets dürfte der Kunde den Unterschied im Geldbeutel spüren: Die Streifenkarte kostet zum Beispiel ab Dezember 15,20 Euro statt wie heute 14,60.
Der Preis der Einzelfahrkarte Kurzstrecke wird von bisher 1,70 Euro auf künftig 1,80 Euro erhöht. Auch Tageskarten werden teurer. Für Gruppen kostet sie dann 20,70 Euro, also 70 Cent mehr. Für Einzelpersonen steigt der Preis um 30 Cent auf 8,20 Euro.
Zudem werden Monatskarten und Abos teuer - vor allem für Menschen, die weit draußen leben. Vor allem auf langen Strecken seien die Kunden, die seit Corona Busse und Bahnen meiden, nicht wieder zurückgekehrt, sagt MVV-Geschäftsführer Rosenbusch.
So steigt etwa der Preis der Monatskarte für die M-Zone von bisher 57 Euro um 2,10 Euro auf künftig 59,10 Euro. Eine Wochenkarte für die Zone M kostet ab dem Winter 18,60 Euro statt bisher 17,80 Euro. Wer eine Wochenkarte für den fünften Ring braucht, muss bald 63,10 Euro zahlen, das sind fast drei Euro mehr als heute.
Auch Senioren über 65 müssen mehr Geld hinlegen: Ihre Monatskarte in der M-Zone kostet künftig 49,50 Euro statt bisher 47,80 Euro. Das Monatsticket für die Zonen M - 5 kostet künftig 73,80 Euro.
Die alten Einzel-, Tages- oder Streifenkarten können noch bis zum 31. März aufgebraucht werden. Fahrkarten des Zonen- oder Kurzstreckentarifs müssen gegen Aufpreis umgetauscht werden. Abonnements mit jährlicher Zahlung gelten - ohne Zahlung eines Aufpreises - bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer unverändert weiter. Weite Informationen zu den Tickets gibt es auf: www.mvv-muenchen.de in der Rubrik "Tickets".
So viel Geld fehlt der MVV
Doch alleine über die Ticketpreise kann sich der ÖPNV ohnehin nicht finanzieren. Um das Netz auszubauen, seien Zuschüsse vom Bund nötig, sagt MVV-Geschäftsführer Rosenbusch. Tatsächlich hat der Bund seine Gelder, die er in den öffentlichen Nahverkehr steckt, verdoppelt - von einer auf zwei Milliarden Euro im Jahr. Doch dieses Geld soll für ganz Deutschland reichen. Allerdings könnte so viel alleine München brauchen.
In den nächsten 20 Jahren fehlen unterm Strich 40 Milliarden Euro im MVV, so rechnet es Rosenbusch vor. Für diese Summe gibt es noch keine Finanzierung. Doch das Geld ist schon verplant: etwa für den Tram-Ausbau oder für die Zweite Stammstrecke.
Diese Summen hören sich unbezahlbar an. Doch, wenn es die Politik ernst meint, mit ihren Zielen sei genug Geld da, sagt Rosenbusch. "Es ist eine Frage der Priorisierung."
Rosenbusch erhofft sich, dass die nächste Bundesregierung viele ihrer umweltschädlichen Subventionen abbaut. Dazu zählt Rosenbusch zum Beispiel Steuererleichterungen für Kerosin, Diesel, für internationale Flüge und die Binnenschifffahrt. Alleine im Verkehrssektor bezuschusse die Regierung derzeit mit 28,6 Milliarden Euro Projekte, die der Umwelt schaden.
Gleichzeitig steckt Deutschland viel weniger Geld in den ÖPNV als andere Länder: Aktuell fließen 120 Euro pro Kopf in den Betrieb von Bus und Bahn. Die Schweiz gibt fast viermal so viel pro Einwohner aus.
Diese Pläne hat der MVV
MVV-Geschäftsführer Rosenbusch hat viele Ideen, wo dieses Geld besser aufgehoben wäre. Für besonders wichtig hält er, schlecht erschlossene Orte besser anzubinden. Am einfachsten gelinge dies mit Bussen: Er machte deshalb dem bayerischen Verkehrsministerium den Vorschlag, Schnellbusse von München aus Richtung Landsberg zu schicken. Auch den Freizeitverkehr im Voralpenland würde er gerne reduzieren. Gelingen könne dies durch Shuttlebusse, die die Touristen von einem Pendlerparkplatz abholen und dann direkt zum Walchensee oder zum Kochelsee fahren. Auch einen Bus, der um den Starnberger und den Ammersee herumfährt, kann sich Rosenbusch gut vorstellen.
Um den Landkreis München besser anzubinden, will Rosenbusch dort ein Anruflinien-Taxi-System, etwa mit Kleinbussen, aufbauen. Diese Taxis sollen im Tarif und im Fahrplan des MVV enthalten sein.
Mehr Fahrgäste für öffentliche Verkehrsmittel: Warum das wichtig ist
Dass die Welt in einer Klimakrise steckt, dass die Menschen handeln müssen - darauf können sich die meisten einigen. Trotzdem hat sich besonders im Verkehrssektor wenig getan: 2019 wurde im Verkehr ebenso viel CO2 ausgestoßen wie 1990, so schildert es Rosenbusch. Würde es tatsächlich gelingen, dass 2030 doppelt so viele Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, würde der Autoverkehr um 20 Prozent zurückgehen, davon geht der MVV-Chef aus. Es gebe weniger Stau, weniger Emissionen, voraussichtlich gebe es sogar rund 10.000 weniger Verkehrstote.
Gerade entwickelt sich jedoch alles eher ins Gegenteil: 48,2 Millionen Pkw waren Anfang 2021 in Deutschland zugelassen - 14 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.