1969: Als München moderner werden wollte
München - "München wird moderner", verkündeten Plakate mit dem Münchner-Kindl-Wappen im Mai 1969. Überall wurde jetzt heftig gebaut, nachdem die großen Kriegsschäden weitgehend beseitigt waren, was man offiziell "Flächensanierung der Innenstadtgebiete" nannte. Besonders an einem Punkt sollte dieses moderne München markant in Erscheinung treten: Dort, wo die Maximilianstraße in das – vom genialen Architekten Friedrich Bürklein hundert Jahre zuvor geschaffene – Forum übergeht, war ein gewaltiger Durchbruch für eine Autobahn rund um die City geplant. Denn eines der erklärten Ziele war der "fließende Verkehr". Die Lösung hieß: "Altstadtring".

Die AZ bezeichnete die Pläne 1969 als ein "Kulturverbrechen"
Doch bald schon riefen engagierte Bürger, Architekten und Medien zum letzten Aufgebot gegen die amerikanisch inspirierte "autogerechte Stadt". Diese Vision hatte sich schon bei der Untertunnelung des Prinz-Carl-Palais gegen starken Widerstand durchgesetzt und daraufhin hatte sich das "Münchner Forum" gebildet. Den Kritikern erschien der Durchbruch als brutaler Abbruch, als Umbruch einer gewachsenen Altstadt. Sollte ihm doch alte, wenn auch teilweise ruinöse Bausubstanz zum Opfer fallen, samt dem erst 1955 wiederaufgebauten, stadteigenen Eckblock.
"In keiner anderen deutschen Stadt wird gegenwärtig so viel gebaut und gebuddelt wie in München," kolportierte der "Spiegel". "Der Altstadtring führt durch Hinterhöfe," kritisierte die "SZ". Und die AZ kommentierte: "Ein Kulturverbrechen". Offen war obendrein die Finanzierung des Projekts, es drohten Kosten für Grunderwerb und Ablöse. Teppichhändler Humbert Saemmer, der seinen Laden bedroht sah, ging mit anderen Bewohnern des von der Stadt angekauften Hauses auf die Barrikaden: "Wir pochten auf unsere Mietverträge, die bis 1970 liefen."
Historisches München: Das "alte" Schwabing
Die Maximilianstraße verliert ihren historischen Glanz
Der Ort des Durchbruchs wurde der neuralgische Punkt Münchens schlechthin. Doch Verkehrs-Strategen und Stadtentwickler – der erste wurde aus Hannover angeheuert, ein anderer aus Kiel – gaben viel Zuckerguss über ihre Modelle: Der künftige Altstadtring solle doch ein schöner Boulevard mit eleganten Läden und großzügigen Grünanlagen werden, wurde versprochen. Tangiert werde da nur ein "Glasscherbenviertel", lästerte der Sozialdemokrat Uli Zech, als Stadtbaurat aus Hamburg angeworben, über das neuerliche, schonungslose "Ramadama" im alten, gemütlichen Lehel.
Die Bürgerbewegung sei von interessierter Seite sogar als "Fünfte Kolonne der Kommunisten" verdächtigt worden, erinnert einer ihrer Wortführer, der damals 40-jährige Architekt Karl Klühspies, der den Altstadtring Ost 2015 in einem Buch als eines von mehreren Musterbeispielen für den Bauwahn der vorolympischen Jahre dokumentiert hat.
Auch gutwillige Politiker einschließlich Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, so der unermüdliche Stadtkritiker, hätten allmählich an der Glaubwürdigkeit der zuständigen Verwaltung gezweifelt. Vogel 1972: "Mein Fortschrittsoptimismus hatte damals einen Stoß bekommen."
Dennoch: Münchens Modernisierer, darunter der sehr verehrte Sep Ruf, gewannen den "Ringkampf". Die 47 Meter breite Schneise wurde geschlagen, für den Altstadtring wurden acht Fahrspuren freigeräumt, das Wohnviertel Lehel wurde dadurch in zwei Teile zerteilt, die bis heute nur durch Ampelkreuzungen und eine (von den Bürgern nie angenommene) Unterführung verbunden sind. Ebenso schlimm: Die Maximilianstraße verlor ihren historischen Glanz. Während der Bauarbeiten und nach deren Vollendung schrien die Stadtbewahrer noch einmal auf. Architekt Erwin Schleich etwa sah in dem Durchbruch eine "Barbarei historischer Größe" und ein Exempel für die "zweite Zerstörung Münchens".
"Zweite Zerstörung Münchens"
Zwar gab es Vorschläge, die blutende Wunde zu heilen. Alexander von Branca entwarf nach historischem Vorbild eine Arkadenreihe, die den Forum-Charakter der Maximilianstraße wieder herstellen und die breite Lücke schließen sollte. Die Idee wurde zwar vom CSU-Stadtrat Walther von Miller und den Medien favorisiert, sie versandete jedoch in der Diskussion. Dass der Altstadtring dann immerhin um 15 Meter verschmälert wurde, sehen Kritiker bloß als kleine kosmetische Korrektur.
Einen größeren Erfolg hatte der Bürgeraufstand vor 50 Jahren aber doch: Im Süden, nach dem Isartorplatz, wurde der Altstadtring nicht weiter ausgebaut (was ihn hier allerdings zum Nadelöhr macht). Und statt für die Stadtautobahn geopfert zu werden, blieben auch die beiden Häuser an der Südseite des Durchbruchs (heute Campari-Haus) – allerdings nur dank eines Stoppzeichens der Regierung von Oberbayern (deren Prachtbau sich schräg gegenüber befindet) mit dem einleuchtenden Tenor: "Wir können gar nicht so viele Straßen bauen wie es Autos gibt." Dass jetzt genau an diesem neuralgischen Punkt, am Thomas-Wimmer-Ring, eine gigantische Tiefgarage für 520 Autos gegen den Willen der Anwohner gebaut wird, steht auf einem anderen Blatt der Verkehrsplanung.
Hohe Mietpreise zwingen die letzten Bewohner zum Auszug
Im Eckhaus Maximilianstraße 31, wo einst ein Hofbäcker und ein Glühgaslichthersteller gewerkelt hatten, residiert nur noch der italienische Modekönig Gucci – als weitere "Kreditkartenentladestation", wie die Klamottenpaläste in der königlichen, längst globalisierten Straße in der Süddeutschen Zeitung bezeichnet wurden. Im Nebenhaus, Nummer 33, das der Stadt gehört, hatten einst Friedrich Hollaender und Erich Kästner bestes Kabarett geboten und Dieter Hildebrandt seine Karriere gestartet. Ihre "Kleine Freiheit" war schon früh weggezogen. Als die städtische Hausverwaltung die Mietpreise auf die Spitze trieb, sahen sich die letzten Bewohner zum Auszug gezwungen.

Auch im Café Roma gingen nach der Silvesterfeier von 2007 die Lichter aus. Sieben Jahre zuvor hatte der Großgastronom Gabriel Lewy das in Schwarz, Rot und viel Edelstahl gestylte, vom Schauspieler Hans Reiser gegründete Lokal übernommen und seiner Lebensgefährtin Iris Berben anvertraut. Es wurde ein Magnet des Munich-Feelings. Nach abermaligem Totalumbau entsteht jetzt das neue Roma, mit 130 bis 150 Plätzen open air und in den beiden Etagen, wo einmal Orientteppiche gestapelt waren. Als "Schaufenster des Lebens" (Lewy) könnte es die langweilige Luxusszenerie um Maximilianstraße und Karl-Scharnagl-Ring durchaus aufpeppen. Die Eröffnung musste allerdings, nicht zuletzt wegen der starken Bauschäden, schon mehrmals verschoben werden.
Lesen Sie hier: Café Roma - Eröffnungstermin steht fest