Wie César Manrique Lanzarote veränderte

Lanzarote ist weder groß noch gibt es dort viel Vegetation. Dennoch ist sie die originellste Insel der Kanaren und wurde auch 1993 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. Nicht ganz unbeteiligt daran ist der Künstler César Manrique.
von  Norbert Linz
Führung durch den Nationalpark Timanfaya mit Nino
Führung durch den Nationalpark Timanfaya mit Nino © Norbert Linz

Lanzarote - Über hundert Vulkane, bizarre Kraterflanken, erstarrte Lavameere, zerklüftete Küsten, kaum Vegetation, kaum Wasser – Lanzarote ist Vulkanland. Doch sie ist auch die originellste Insel der Kanaren. 1993 hat die UNESCO sie zum Biosphärenreservat erklärt - als Modellregion für nachhaltige Entwicklung.

Einer der Mitinitiatoren für diesen Erfolg war César Manrique (1919-1992). Der Maler und Architekt hat das Erscheinungsbild seiner Heimatinsel maßgeblich mit geprägt, zusammen mit seinem Freund, dem damaligen Insel-Präsidenten.

So wurde zu Beginn der 70er Jahre die traditionelle Bauweise Pflicht: kubisch, höchstens vier Stockwerke, Fassaden weiß, Fensterläden und Türen grün oder blau. Keine tristen Hochhauszeilen, keine großflächigen Reklametafeln. Statt dessen entwarf Manrique faszinierende Architekturprojekte, in die er die Inselnatur mit einbezog. Sie sind für die Urlauber an den weißgoldenen Stränden im Osten und Süden leicht erreichbar. Ist die Insel doch nur 60 km lang und knapp halb so breit.

Im Nordosten der Insel findet sich der längste Lavatunnel der Welt. „Bis in die 60er-Jahre haben die Bauern durch zwei Einsturzstellen ihren Müll in den Tunnel gekippt“, sagt Denis Garcia vom Tourismusverband Lanzarote. „Und Manrique machte aus dem Grottensystem sein schönstes Gesamtkunstwerk: die Jameos del Agua.“ Unter der Einstiegstreppe gibt es heute ein Barrestaurant, eine Etage tiefer ein Salzwassersee, auf den durch ein Deckenloch Sonnenstrahlen fallen. Abends ist alles magisch illuminiert. Von Sphärenklängen begleitet geht es am See entlang zu einem elegant geschwungenen Pool, umrahmt von subtropischer Pflanzenpracht. Filmreif, dieses Szenario! Gleich dahinter liegt ein Konzertsaal mit exzellenter Akustik. „Ein abendliches Dinnerkonzert an diesem Ort ist einfach ein Erlebnis“. wirbt der Tourismus-Experte Garcia.

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Nur einen Kilometer entfernt liegt im gleichen Höhlensystem die Cueva de los Verdes, von Manriques Künstlerfreund Jesús Soto effektvoll ausgeleuchtet. Der Guide Pablo führt hinunter in 50 Meter Tiefe in eine Geisterlandschaft. Die Temperatur: konstante 18 Grad. Leise Musik, sonst nur der Hall der Schritte. Enge Stollen wechseln mit geräumigen Grotten, die den Blick nach oben freigeben auf Galerien mit mehreren Tunnelröhren. In der Nähe eine schwindelerregend steil in die Tiefe stürzende Schlucht. Pablo wirft einen Stein. Das zitterfreie Spiegelbild zerstiebt im Wasser: Die Schlucht entpuppt sich als See.

Ähnlich steil, aber reale 480 Meter, bricht das Famara-Gebirge am Nordkap der Insel in die Tiefe. Der Mirador del Río, jahrhundertelang ein strategischer Beobachtungsposten, wurde von Manrique zu einem viel besuchten Aussichtspunkt umgestaltet, der von außen kaum zu sehen ist. Der Künstler ließ die Cafeteria ganz in den Felsen versenken. In den Räumen vermied der Künstler rechte Winkel. Selbst das Panoramafenster ist gekrümmt. Es bietet eine grandiose Aussicht auf den nahen Archipel Chinijo mit der Hauptinsel La Graciosa.

Viel ungewöhnlicher als am Mirador del Río die Cafeteria baute César Manrique in der Inselmitte bei Tahiche. Im dortigen Lavafeld entdeckte er einen Feigenbaum, der mitten in den Vulkanblasen Wurzeln geschlagen hatte. Hier ließ er sein Haus errichten. Die Hohlräume wurden durch Gänge miteinander verbunden und in das oberirdische Anwesen integriert. Durch Deckenöffnungen flutet Sonnenlicht in die weiß gekalkten Rundräume und Lichthöfe. Die Möblierung ist sparsam, aber elegant. Glanzstück im offenen Grottenhof ist der von Palmen begrenzte weiße Pool. 1988 zog sich der Künstler in ein Landhaus in Haria zurück. Den exquisiten Bau vermachte er seiner Stiftung.

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Highlight der Insel ist der Nationalpark Timanfaya, der ein Viertel des riesigen Lavafeldes ausmacht, des größten der Erde. Es entstand bei zahlreichen Ausbrüchen zwischen 1730 und 1736. Elf Dörfer begrub die Lava unter sich. Heute herrscht friedliche Stille in dem streng geschützten Nationalpark. Allein darf man ihn nicht durchwandern. Der immer zu einem Späßchen aufgelegte Nino Gonzalez, seit 26 Jahren einer der offiziellen Führer, lässt mit seinem geologischen Fachwissen die bizarre Mondlandschaft lebendig werden. Wie Maulwurfshügel ragen die kahlen Vulkankegel aus dem mit Lapilli-Steinchen und Asche bedeckten Lavafeld. „Das Farbenspiel von Braunschwarz bis Rostrot wird durch Oxidationsprozesse erreicht“, erklärt Gonzalez und zeigt auf grüne Tupfer an den weit geschwungenen kahlen Hängen. „Mit Steinringen vor dem Wind geschützt, werden dort in Feigen und Wein angebaut. Wenn auch nur in kleinen Mengen.“

Die Führung endet an dem von Manrique gestalteten gläsernen Rundrestaurant „Del Diablo“, das auf einem Vulkankegel steht. Über einem eingefassten Loch befindet sich ein Vulkangrill, auf dem Fleischspieße brutzeln. Dazu Nino ganz trocken: In 27 Metern Tiefe hat es 700 Grad. Darauf ein Teilnehmer: „Und wann kommt die Lava wieder hoch?“ Nino setzt sein breitestes Grinsen auf und zuckt mit den Schultern.

Infos: www.turismolanzarote.com

Kostenlose Führungen im Nationalpark: +34 928 118042 (Besucherzentrum); Lancarote Active Club +34 650 819 069. 

Reiseführer: Exzellent recherchiert mit zahlreichen Hintergrundgeschichten Dumont Reise-Tb. € 16,99; ähnlich gut, aber mit Wanderschwerpunkt Müller Verlag € 19,90; übersichtlich und knapp Polyglott on tour € 9,95.

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