Die Sonnenfrau trägt einen Panamahut
Quito - Koloniale Herrenhäuser, prächtige Kirchen, Klöster und Paläste… Das historische Zentrum von Ecuadors Hauptstadt Quito wurde sowohl durch die spanische Besatzung (etwa von 1530 bis in die 1820er-Jahre) als auch in der Epoche der jungen, 1830 gegründeten Republik geprägt. Seit 1978 steht es als erstes städtisches Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO. Rund 1,4 Millionen Menschen leben derzeit in der einstigen Inka-Metropole und Hauptstadt des Andenlandes, die sich zunehmend vom Zwischenstopp zum Reiseziel entwickelt.
Einen Tag allein kann man schon in der Calle La Ronda verbringen. Es ist eine Handwerks- und Künstlergasse am Fuße des Stadtbergs, der nach seiner Form Panecillo („Brötchen“) genannt wird. Waschfrauen und Eselkarren gibt es hier zwar nicht mehr. Doch immer noch herrscht zwischen den liebevoll renovierten, schmalen alten Häusern fast eine dörfliche Idylle. Und hinter jeder Tür wartet ein Erlebnis.
„Folgen Sie der Musik“, rät mir die nach dem Weg gefragte Dame. „Gehen Sie nur hinein! Das Haus von José Huberto Santacruz Torres ist immer offen.“ Die Melodie, die mal beschwingt von einem Balkon zum anderen zu hüpfen, dann wieder schwermütig über die Pflastersteine zu kriechen scheint, ist in La Ronda ebenso daheim wie der Duft von Kaffee und Kakao, wie die Holzfensterläden, Blumentöpfe und Katzen, wie die farbenfrohen Bilder und Stoffe, Puppen und Masken.
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Meister Torres und sein Sohn Juan sitzen an zwei historischen Pianos, spielen und singen. Ohne das Duett zu unterbrechen, lädt mich der Musiklehrer ein, Platz zu nehmen. Ich lausche dem „Lied für die Frau der Sonne“. Es ist eine Komposition, die auf eine uralte Inka-Zeremonie zurückgeht, wie mir der freundliche Mann dann erklärt. Und ohne gefragt worden zu sein, erzählt mir der 48-Jährige seine Geschichte. Der Autodidakt, der selber keine Noten lesen kann, erteilt Musikunterricht und repariert antike Instrumente. Freitags gibt er mit seinen Schülern Konzerte. „Jeder Zuhörer ist uns herzlich willkommen“, sagt er.
Zu den Stammgästen gehört der Hutmacher Luis López Cifuentes von gegenüber. Ein Glöckchen klingelt, wenn jemand seinen niedrigen Laden betritt oder verlässt. Meist sind es Damen, die hier eine Kopfbedeckung in Auftrag geben: Kappen mit großen Federn und kleinen Schleifen, Hüte mit oder ohne Krempen, aus glattem Stoff oder Filz oder komplett mit künstlichen Blumen bedeckt. Die meisten Modelle in Cifuentes’ Geschäft werden jedoch in Ecuador traditionell von beiden Geschlechtern getragen. Es sind die berühmten, aus feinstem Toquilla-Stroh geflochtenen Panama-Hüte.
Senior Cifuentes ist vielseitig und kreativ. Er selbst versteht sich darum als Künstler. Doch zugleich beherrscht der 56-Jährige mit der Hutmacherei ein Handwerk, das in der Region des heutigen Ecuador seit Jahrhunderten einen geachteten Platz einnimmt. „Viele Männer und Frauen gehen bei uns nicht ohne Hut aus dem Haus. Für manche Ereignisse wie etwa Stierkämpfe bestand früher sogar Hutpflicht“, erklärt Luis López.
Dass die in der spanisch-sprachigen Welt Jipijapa genannten Hüte fast überall als Panama-Hüte bekannt sind, sei den US-Amerikanern zu verdanken, die sie wie andere südamerikanische Produkte über Panama importierten. „Hergestellt wurden diese Hüte schon immer in Ecuador“, belehrt mich der Fachmann.
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Meine Suche nach der nächsten spannenden Adresse in „La Ronda“ endet wenige Häuser weiter – in einem Laden, dessen Wände vom Boden bis zur Decke mit Dingen aus Zinkblech gefüllt sind. All die Eimer, Kannen, Wannen und Gaslampen sehen altmodisch aus. Doch sie sind neu und nicht nur in diversen Originalgrößen erhältlich, sondern obendrein im Miniformat – für die Puppenküche. Ihr Schöpfer ist Manuel Humberto Silva.
Seit er seine Hojaleteria (Klempnerei) 1955 eröffnete, scheint sich nichts verändert zu haben. Mit 81 Jahren steht er heute noch immer im Geschäft und verkauft die selbstgemachte Ware. Seine Arbeit liebt er wie die alte Gasse und ganz Quito: „La Ronda ist die Seele der Stadt. Ihr Herz aber schlägt auf der Plaza San Francisco.“
Wenige Augenblicke später bin ich dort, schaue auf den schneebedeckten Gipfel des Vulkans Pichincha und den Panecillo-Berg mit seiner Engelsstatue obendrauf, vor allem aber auf das Kloster des Heiligen Franziskus, das den ganzen Platz beherrscht. Das Innere der Kirche ist voller Gold. Die restlichen Gebäude, heute ein Museum, umschließen einen zauberhaften Palmengarten. Auf den anderen Seiten der Plaza stehen elegante alte Herrenhäuser.
Das schönste von ihnen, die Casa Gangotena, ist eines der nobelsten Hotels von Quito. In ihm kann man sogar von der Badewanne aus beobachten, wie der Herzschlag der Stadt die Menschen zwischen Läden und Lokalen, Gast- und Gotteshäusern hin- und her bewegt. Kunsthandwerker Silva hatte Recht: Der nie ganz leere, nie ganz volle Platz pulsiert und treibt Quito das Leben durch die Adern.
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Service-Informationen Quito: Schöne Dinge und Genuss mit Aussicht
Calle La Ronda: Quitos berühmteste Handwerker- und Künstlergasse befindet sich im Nordwesten der Altstadt unweit der Kirche Santo Domingo. Neben der Hutmacherei La Casa de las Artes, wo man echte Panama-Hüte kaufen kann, der Hojaleterija da Silva, wo es interessante Handarbeiten aus Zinkblech gibt, und der Musikschule und Instrumenten-Reparaturwerkstatt von José Huberto Santacruz Torres, mit Hauskonzerten jeden Freitag, ab 16.30 Uhr, findet man hier Galerien, Cafés und Restaurants.
Einkaufen: Mehr Kunsthandwerk, Kunst und Mode bieten 520 kleine Geschäfte im 11.000 Quadratmeter großen Centro Comercial Quitus im nördlichen Stadtzentrum in der Straße Versalles zwischen den Querstraßen San Gregorio und Juan Domingo Murillo.
Übernachten: Den besten Blick auf Quitos historische Altstadt genießt man vom Boutique-Hotel „Casa Gangotena“ an der Plaza San Francisco, www.casagangotena.com
Ebenfalls ein Boutique-Hotel in privilegierter Altstadt-Lage ist das „Portal de Catuna“, in dem man die Kultur Ecuadors erleben kann, www.portaldecatuna.com
Unweit des Ausgehviertels Reina Victoria liegt das familiäre Hotel Café Cultura mit dem Charme eines alten kolonialen Wohnhauses, www.cafecultura.com
Essen und Trinken: In der Küche des „Mirador de Guápulo“ werden ausschließlich hochwertige natürliche Produkte verwendet. Die überwiegend auf Fisch und Meeresfrüchte ausgerichtete Speisekarte bietet auch traditionelle Geflügel- und Fleischgerichte. In der Cafeteria werden exotische Teesorten, ecuadorianischen Biokaffee und köstliche Kuchen serviert. Eine Auswahl von kulinarischen und anderen Souvenirs hält der Shop bereit, www.miradordeguapulo.com
Ein Ort vielfältigen Geschmacks ist das „Café Mosaico“, das seine Gäste mit einer grandiosen Aussicht, angenehm legerer Atmosphäre sowie jeweils donnerstags und freitags mit Livemusik verwöhnt, www.cafemosaico.com
Weitere Informationen zu Quito in englischer und spanischer Sprache sind zu finden unter www.quito.com.ec
Auskünfte in deutscher Sprache erteilt der auf Südamerika spezialisierte Reiseveranstalter Metropolitan Touring c/o BZ.COMM in Frankfurt am Main, Telefon 069/ 256 28 880. Reiseinfos auch unter www.metropolitan-touring.com
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