Servus, Acht-Stunden-Tag?

München - Nachmittags frei machen, mit den Kindern in den Zoo oder ins Schwimmbad gehen und die restliche Arbeit abends im Homeoffice erledigen. Mancherorts in Deutschland ist der klassische Acht-Stunden-Tag, montags bis freitags von neun bis fünf, schon zum Auslaufmodell geworden.
Längst lässt sich vieles mit Laptop und Smartphone außerhalb der Firma zuhause oder im Café erledigen. In diesen Zeiten streben Arbeitnehmer und auch Unternehmer nach einer flexibleren Verteilung der Arbeitszeit – mit ganz unterschiedlichen Zielen.
Die Vorteile: Den Arbeitnehmern geht es vor allem um mehr persönliche Freiheit. „Immer mehr Arbeitnehmer wollen mit entscheiden, wie sie arbeiten“, sagt Marta Böning, Arbeitsrechtsexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Viele hoffen, Beruf und Privatleben besser vereinbaren zu können.
Vor allem Eltern kämpfen häufig mit starren Vollzeit- oder Teilzeitmodellen. „Den klassischen Alleinverdiener gibt es immer seltener, es ist ganz normal geworden, dass auch die Frau arbeitet“, sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Die Väter wollen sich mehr einbringen und mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Berufliches Kürzertreten zeigt sich aber bisher wenig.“ Zugleich seien in den vergangenen Jahren sehr viele Frauen in den Job zurückgekommen, vor allem aber in Teilzeit. „Der Wunsch der Frauen, mehr zu arbeiten, ist da“, sagt Yvonne Lott, Arbeitsmarktforscherin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Dies sei mit flexiblen Arbeitsmodellen besser möglich.
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Die Nachteile: Doch mobiles Arbeiten und freie Zeiteinteilung sind nicht in jeder Branche und für jeden einzelnen Arbeitsplatz geeignet – und auch nicht für jeden Arbeitnehmer. „Die klare Trennung von Job und Privatleben wird durch flexible Arbeitszeiten aufgeweicht. Das Risiko ist, dass das Berufliche überhandnimmt“, gibt Weber zu bedenken. Hier müsse vor allem auf die individuelle Situation der Beschäftigten Rücksicht genommen werden. „Der eine sitzt spätabends noch begeistert da, der andere fühlt sich dadurch enorm unter Stress gesetzt.“
Auch eine Sensibilisierung von Führungskräften ist deshalb wichtig. „Sie müssen darauf achten, dass sich die Beschäftigten nicht selbst ausbeuten“, sagt Lott.
Die Umsetzung: Möglichkeiten zur Flexibilisierung gibt es in Deutschland mittlerweile viele – dazu gehören Arbeitszeitkonten, Gleitzeit oder Arbeit auf Vertrauensbasis. Viel hängt dabei von der Ausgestaltung ab. Sei zumindest ein Zeitrahmen vorgegeben, wie etwa bei der Gleitzeit, funktioniere das meist ganz gut, sagt Lott. „Werden dagegen Bonuszahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele gezahlt und gibt es keine Arbeitszeitgrenze, ist das Risiko für Überstunden besonders hoch.“ Deshalb sei eine tägliche Arbeitszeitnorm auch in Zukunft wichtig.
Genau das wollen die Arbeitgeber ändern, sie verlangen von den Mitarbeitern mehr Beweglichkeit – zum Beispiel um die Arbeitszeiten besser der Auftragslage anpassen zu können. „Das Arbeitszeitgesetz sollte von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden, um mehr Spielräume zu schaffen und betriebliche Notwendigkeiten abzubilden“, hatte BDA-Präsident Ingo Kramer im Juli gesagt.
Konkret setzt sich die BDA für eine an der EU-Richtlinie orientierte Höchstgrenze für die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ein. Diese soll an die Stelle der deutschen Acht-Stunden-Regel für den Einzeltag treten. Außerdem wollen die Arbeitgeber eine Aufweichung der Regeln für die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden.
Die Kritiker: Der DGB läuft dagegen Sturm. „Man muss keine der bestehenden Schutzgrenzen im Arbeitszeitgesetz verändern, um Flexibilität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ermöglichen“, kritisiert Böning. Die Gewerkschaften drängen vielmehr darauf, den Schutz der Beschäftigten zu verbessern. Vorbild könnten Vereinbarungen bei großen Konzernen wie Bosch sein, die Regeln für mobiles Arbeiten festschreiben. „Gerade weil sich die Arbeitswirklichkeit so geändert hat, brauchen wir eine Absicherung gegen die neuen Risiken“, sagt Böning. Die Gesundheit der Beschäftigten habe Priorität und dürfe nicht dem Interesse der Unternehmen untergeordnet werden.
Wöchentliche Arbeitszeiten von deutlich mehr als 40 Stunden schaden der Gesundheit und auch der Arbeitssicherheit, sind sich Arbeitsmediziner sicher.