Frauen verdienen weniger für gleiche Leistung

Verdienen Frauen, was sie verdienen? Frauen in Deutschland bekommen ein Viertel weniger als Männer. Selbst im gleichen Job und bei vergleichbarer Qualifikation bleibt eine Lücke
MÜNCHEN 98 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass Frauen und Männer gleich verdienen sollten, hat jüngst eine Umfrage des Bundesfamilienministeriums ergeben: Doch genau diese Form der Gleichberechtigung scheint in Deutschland eine Utopie: Frauen verdienen hier durchschnittlich pro Stunde 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, so die gestern veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2011. In Bayern sind es sogar 25 Prozent. Selbst im gleichen Job und bei gleicher Qualifikation gehen Frauen mit acht Prozent auf dem Gehaltskonto weniger nach Hause.
Mit seinen 23 Prozent schneidet Deutschland so schlecht ab wie kaum ein anderes europäisches Land: In Frankreich liegt das Lohngefälle bei 16 Prozent, in Belgien bei 6,0 Prozent und in Italien bei 5,5 Prozent. Und selbst Deutschland konnte schon mal bessere Zahlen vorlegen: Im Jahr 2000 lag die Lücke bei 21 Prozent.
Doch seit 2006 scheinen die 23 Prozent in Stein gemeißelt – allen Debatten über die Frauen-Quote und Kinderbetreuung zum Trotz. Doch was sind die Gründe für den „Gender Pay Gap“, also die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern? Die AZ hat sich die Zahlen angeschaut, pünktlich zum morgigen „Equal Pay Day“, dem „Tag für gleiche Bezahlung“, an dem Frauen weltweit die Lohnkluft anprangern.
Wie viel verdienen Sie? Der AZ-Gehalts-Check
Zentrale Ursachen lassen sich tatsächlich in der Berufswahl und der Arbeitszeitstruktur von Frauen finden: In typischen Frauenberufen wie Erzieherin, Altenpflegerin oder Kosmetikerin ist das Gehalt schlichtweg niedriger. „Arbeitnehmerinnen gehen eher Tätigkeiten nach, die mit tendenziell geringeren Verdienstmöglichkeiten und Anforderungen verbunden sind“, so ein Sprecher des Statistisch
Hinzu kommt, dass Frauen wegen der Kinder oder der Pflege älterer Angehöriger oft in Teilzeit arbeiten. Das entscheidende Drittel beim Gehaltsunterschied aber erklärt all das nicht: Es bleiben immer noch acht Prozent Lohnunterschied. Im gleichen Job. Bei gleicher Qualifikation. Verhandeln Frauen schlechter? Geben Sie sich mit zu wenig zufrieden (mehr dazu siehe unten)? Es muss noch andere Gründe geben, warum schon seit Jahren Unternehmen Frauen weniger bezahlen als Männern.
„Auch Diskriminierung spielt eine Rolle“, sagt Reinhard Bispinck vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. So zeigen Zahlen des WSI, dass auch in akademischen Berufen Frauen gegenüber Männern benachteiligt werden. Und das sogar doppelt: Unter Frauen mit Uniabschluss schaffen es nur 43 Prozent in Führungspositionen, bei Männern sind es 59 Prozent. Und der Geschlechterunterschied setzt sich beim Gehalt fort: Weibliche Chefs verdienen in höheren Ebenen knapp ein Viertel weniger als Männer mit der gleichen Qualifikation und Berufserfahrung (s. unten).
Die Kluft wächst, je weiter die Hierarchie nach oben geht – auf Hauptabteilungsleiter-Ebene auf bis zu ein Drittel. Zentral scheint auch das Alter: „Bei Akademikern steigt die Lücke sogar im Alter bis 50 Jahre“, so Reinhard Bispinck. „Danach schließt sich die Lücke wieder leicht.“
Der Krankenpfleger hat mehr als die Krankenschwester
Und so sehen die Unterschiede in konkreten Beispielen aus – die Daten stammen von lohnspiegel.de, einer Einrichtung der Hans-Böckler-Stiftung, wo Frauen und Männer ihr tatsächliches Gehalt melden. Sobald je Beruf eine repräsentative Größe erreicht ist, werden die Daten veröffentlicht. Und hier die Beispiele (alle jeweils Vollzeit, zehn Jahre Berufserfahrung, Bruttogehalt in Euro pro Monat):
- Krankenpfleger: 2497/ Krankenschwester: 2357
- Filialleiter: 2749/ Filialleiterin: 2243
- Verkäufer Einzelhandel: 2017/ Verkäuferin: 1832
- Bäcker: 1803/ Bäckerin: 1658
- Vermögensberater: 3752/ Vermögensberaterin: 3360
- Erzieher: 2359/ Erzieherin: 2235
- Call-Center-Agent: 2151/ Call-Center-Agentin: 1923.
- Systemadministrator: 2823/ Systemadministratorin: 2720.
Branchenübergreifend bekommen weibliche Führungskräfte weniger (gleiche Betriebsgröße, gleiche Zahl der Untergebenen):
- Hauptabteilungsleiter 5982/ Hauptabteilungsleiterin 4515.
- Gruppenleiter: 4503/ Gruppenleiterin: 3661. Quelle: lohnspiegel.de
Das rät der Coach: "Werden Sie von sich aus aktiv!"
Was Frauen bei Gehaltsgesprächen mit dem Chef oder der Chefin beherzigen sollten:
- Werden Sie aktiv und suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten! „Frauen neigen dazu, auf einen Akt der Wertschätzung zu warten“, sagt Vogel. „Doch kein Chef zahlt von sich aus mehr Geld.“
- Seien Sie vorbereitet! Studien belegen, dass Männer mit sehr viel klareren Gehaltszielen in ein Gespräch gehen als Frauen – und im Regelfall auch besser über die einschlägigen Gehaltsstufen informiert sind. Informieren Sie sich bei Berufsverbänden oder im Internet über branchenübliche Löhne (www.lohnspiegel.de oder www.gehalts-check.de).
- Messen Sie sich an Männern, nicht an Frauen: Männer verdienen in fast allen Branchen und Positionen immer noch mehr als Frauen. Deren Gehälter müssen Ihr Verhandlungsmaßstab sein!
- Sehen Sie die Verhandlung als Schachspiel: Natürlich wird der Chef Gegenargumente bringen. „Wenn Sie diese vorab durchspielen, sind Sie im Vorteil“, sagt Vogel. Spricht der Chef zum Beispiel von wirtschaftlichen Engpässen, sollten Sie Alternativen parat haben. Wie wäre es mit einem Zuschuss für den Kindergartenplatz der Tochter? Benzingutscheinen? Oder eine Weiterbildung, die die Firma bezahlt? Nach deren Abschluss ist der Zeitpunkt für eine neue Verhandlung passend.
- Geben Sie nicht auf: Sie verdienen, was Sie verdienen. Nicht immer sind diese Ansprüche im ersten Anlauf durchzusetzen. Bleiben Sie leistungsbereit, machen Sie Ihre Erfolge sichtbar und suchen Sie konsequent Kontakt zu Entscheidungsträgern innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Vogel: „Ein gutes Netzwerk ist Gold wert.“
- Nicht emotional werden! Frauen neigen dazu, Misserfolge persönlich zu nehmen und die Schuld bei sich selbst zu suchen. Das ist hier nicht angebracht. Stattdessen kommt es auf sachliche Argumente und Zukunftsvisionen mit der Firma an.
- Suchen Sie sich einen guten Zeitpunkt: Ist Ihr Chef vormittags schlecht ansprechbar, schlagen Sie einen Nachmittagstermin vor. Gut eignen sich Termine zum Ende der Woche – dann haben beide Seiten das Wochenende, um das Gespräch wirken zu lassen. va
Weitere Tipps gibt Melanie Vogel auch im Internet, beim „Webinar“ am Mittwoch, 2. Mai von 18-19 Uhr (www.Career-Webinars.com)