Endspurt im Streit um Tengelmann und Edeka

Berlin - Sigmar Gabriel kommt ein paar Minuten später. Der Wirtschaftsminister nimmt dann an einem Seitentisch im pompösen Eichensaal seines Ministeriums platz - fast wie an einem Katzentisch. "Da haben Sie den besten Überblick", sagt sein Wettbewerbsexperte Christian Dobler zum Auftakt der mehrstündigen öffentlichen Anhörung am Montag in Berlin.
Diesen Überblick braucht der Vize-Kanzler. Denn es geht um die Übernahme der Supermarkkette Kaiser's Tengelmann durch Edeka - und die Frage, ob Gabriel den umstrittenen Deal doch noch per Ministererlaubnis billigt. Nach Monate langer Hängepartie werden in der mehrstündigen Anhörung alle Argumente ausgetauscht - der wortreich werbenden Spitzenmanager und ihrer Konkurrenten, der skeptischen Gewerkschaften sowie Wettbewerbshüter. Gabriel stellt etliche Zwischenfragen, äußert Zweifel, lässt aber nicht erkennen, wie er - möglicherweise bis Jahresende - entscheidet:
Worum geht es bei dem Streit eigentlich?
Die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann schreibt seit Jahren rote Zahlen. Insgesamt sollen sich die Verluste seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro summieren. Der Eigentümer, die Unternehmerfamilie Haub, will deshalb einen Schlussstrich ziehen und die rund 450 Geschäfte an Deutschlands größten Lebensmittelhändler Edeka verkaufen.
Wo ist das Problem?
Das Bundeskartellamt hat den Zusammenschluss der Supermarktketten untersagt. Die Wettbewerbsbehörde befürchtet durch die Fusion Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb. Schließlich ist der Lebensmittelhandel in Deutschland schon heute hochkonzentriert. Nur vier Ketten - Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe mit dem Discounter Lidl sowie Aldi - teilen sich 85 Prozent des Marktes. Und unter den "großen Vier" ist Edeka mit weitem Abstand die Nummer eins.
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Ist das Thema damit erledigt?
Nein. Denn die Supermarktketten haben Antrag auf eine Ministererlaubnis gestellt, um das Veto des Kartellamtes auszuhebeln. Laut Gesetz kann der Bundeswirtschaftsminister eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wenn die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses schwerer wiegen als die Wettbewerbsbeeinträchtigungen.
Und wie sollen die Vorteile aussehen?
In erster Line locken die Handelsketten mit Arbeitsplatzgarantien. Nur die Gesamtübernahme durch Edeka sichere den Erhalt der 16 000 Stellen bei Kaiser's Tengelmann, argumentieren sie. Eine Einzelabwicklung werde dagegen mindestens 8000 Arbeitsplätze kosten. Denn für Problemfilialen werde sich dann wohl kein Kaufinteressent finden - ebenso wenig wie für die Konzernzentrale, die Fleischwerke oder die Logistik. Dem Antrag auf Ministererlaubnis zufolge schreiben fast 200 Kaiser's Tegelmann-Filialen rote Zahlen.
Was sagen die Experten?
Es gibt Befürworter und Gegner einer Ausnahmegenehmigung. Die Monopolkommission hat sich in einem Sondergutachten strikt gegen eine Erlaubnis für den Zusammenschluss ausgesprochen. Nach ihrer Auffassung sind bei einer Fusion der Supermarktketten negative Auswirkungen auf den Wettbewerb sicher. Die in Aussicht gestellten Arbeitsplatzeffekte seien aber eher ungewiss. Auch bei der Gewerkschaft Verdi finden die Pläne bislang wenig Sympathie. Die bayerische Landesregierung und der Hamburger Senat plädieren dagegen für eine Ausnahmegenehmigung.
Was passiert, wenn es bei einem Verbot des Zusammenschlusses bleibt? Bleibt Kaiser's Tengelmann dann vielleicht erhalten?
Nein. Falls das Bundeswirtschaftsministerium das Fusionsverbot bestätige, werde sofort mit der Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann - also dem Verkauf in Teilpaketen - begonnen, signalisierten schon im September Unternehmenskreise. Bis Ende 2016 werde von Kaiser's Tengelmann dann nichts mehr da sein.
Gibt es denn neben Edeka andere Interessenten für die Filialen?
Ja. Die Schweizer Handelskette Migros, die Coop Kiel und der Discounter Norma haben bereits Interesse an einem Teil der Filialen signalisiert. Einige beklagen, dass mit ihen Gespäche abgelehnt würden. Der Edeka-Erzrivale Rewe würde am liebsten alle Geschäfte übernehmen. Allerdings dürfte in diesem Falle wohl auch der Kölner Handelsriese Probleme mit dem Kartellamt bekommen.
Wie argumentiert denn unter anderem Rewe?
Rewe-Chef Alain Caparros spricht - teils sehr emotional - bei der Anhörung von einer echten Alternative und sagt den Erhalt aller Jobs zu. Den zuvor geäußerten Tengelmann-Vorwurf der Rosinenpickerei weist er natürlich zurück. Vielmehr gehe es Edeka um Zerschlagung, Einzelinteressen und den Ausbau seiner Macht.