Der Golf für Caddies: 40 Jahre VW Polo
Vor 40 Jahren brachte VW den ersten Polo auf den Markt. 15 Millionen Autos und fünf Generationen später ist der zwar eine feste Größe unter den Kleinwagen. Doch aus dem Schatten seines großen Bruders Golf ist er bis heute nicht herausgekommen.
Wolfsburg/Dinslaken - Wolfsburg in den frühen 1970ern: Die Ölkrise steckt der PS-Branche noch in den Knochen, und bei Volkswagen neigt sich die Ära des Käfers dem Ende zu. Zwar hat VW als Ersatz für den antiquierten Bestseller bereits den Golf auf den Weg gebracht. Doch mit einem Auto allein, so reift im Vorstand die Erkenntnis, lässt sich der nahezu klassenlose Dauerbrenner nicht ersetzen. Der Golf soll Flankenschutz in Form eines kleinen Bruders bekommen, und so wird unter dem Typenkürzel 86 der Polo auf den Weg gebracht.
Seine Premiere feiert der Kleinwagen allerdings unter fremder Flagge. Denn schon ein Jahr bevor VW auf dem Genfer Autosalon im Frühjahr 1975 das Tuch vom neuen Einstiegsmodell zieht, enthüllt die Konzernschwester Audi die deutsche Antwort auf Mini & Co als Audi 50. Der unterscheidet sich allerdings nur marginal vom Polo, erinnert sich der frühere VW-Designchef Hartmut Warkuß, der seinerzeit den Audi 50 entwarf: "Lediglich die seitliche Dachabrundung fiel unterschiedlich aus. Und das hatte nur fertigungstechnische Gründe."
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Dass sich die Designer bei dem 3,50 Meter kurzen Zweitürer damals auf klare Linien und einfache Proportionen beschränkt haben, zahlt sich in Warkuß’ Augen noch heute aus: "Das ist ein Design, das auch nach Jahren noch funktioniert. Für mich ist das vergleichbar mit einem Bild, das auch auf dem Kopf stehend noch verstanden wird."
Im Mai 1975 folgte dann der Polo, und wer vom Käfer umstieg, erlebte einen gewaltigen Aufstieg. Mit seinem 29 kW/40 PS starken 0,9-Liter-Motor bei nicht einmal 700 Kilo Gewicht schnurrt er auf 135 Millimeter schmalen Reifchen deutlich flotter davon und laut VW in "nur" 21,2 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis 132 km/h Spitze. Zudem bietet der Polo auch spürbar mehr Platz und schluckt hinter seiner riesigen Heckklappe bei umgeklappter Rückbank 900 Liter.
Dabei war der Polo aber so ziemlich das spartanischste Fahrzeug, das man damals bei einem deutschen Hersteller kaufen konnte. Schließlich war schon der Audi 50 als Einstiegsmodell konzipiert und wurde für seine Rolle als Volkswagen noch einmal abgespeckt: Also blickt man im Innenraum auf blanke Bleche, fühlt in den Türverkleidungen nur Pappe, zahlt schon für die Kopfstützen oder die rechte Sonnenblende Aufpreis und als Gipfel der Sparsamkeit gibt es anstelle des Gaspedals nur eine Drahtschlinge. Dafür kostet der Polo in der Basisversion aber nur 7500 Mark und damit in etwa so viel wie ein vergleichbarer Käfer. "Ein Freund, der nicht aufs Geld aus ist", lautet der VW-Slogan.
Und so ganz ohne Glanz müssen die Polo-Kunden nicht vom Hof fahren. Schließlich gibt es laut VW-Classic-Sprecher Bernhard Kadow für 510 DM Aufpreis einen Polo L: "Das L stand damals unter anderem für Zierrahmen, verchromte Stoßfänger, Teppichboden im Fußraum und verstellbare Kopfstützen vorn", zitiert er aus der Preisliste des ersten Jahrgangs. Und wer sich den GLS leistet, bekommt gar ein zweistufiges Heizungsgebläse, edlere Sitzbezüge oder verchromte Radkappen dazu.
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Zählt der erste Polo mit seinen 3,50 Metern noch heute zu den kleinsten VW-Modellen, das je vom Band gelaufen ist, geht der aktuelle Polo längst aus ausgewachsenes Auto durch. Mit 3,97 Metern länger als der erste Golf, gibt es ihn heute nicht nur mit Extras wie Abstandsradar oder LED-Scheinwerfern, sondern auch mit Motoren bis zu 141 kW/192 PS. Und Rallye-Weltmeister ist er auch geworden. Allerdings haben sich auch die Preise nach oben entwickelt. So geht es heute erst bei 12 600 Euro los - fast viermal so viel wie 1975.
Zum Ausgleich kann man immerhin beim Fahren mehr sparen. Denn selbst der 1981 aufgelegte Spritspar-Polo der Formel E mit Verbrauchs- und Schaltanzeige ist mit seinem Normverbrauch von 5,1 Litern bei Tempo 90 ein Schluckspecht. Der aktuelle Polo hat schon in der Basis 44 kW/60 PS, schafft in der schnellsten Version 197 km/h und ist als sparsamster Benziner mit 4,7 Litern zufrieden. Beim damals noch nicht angebotenen Diesel hat VW heute sogar 3,1 Liter erreicht.
Genau wie zum Golf hat fast jeder Autofahrer in Deutschland auch zum Polo eine Beziehung, glaubt Sebastian Winkler. "Denn auch wenn die meisten von uns ihren Führerschein auf dem Golf gemacht haben, hatten wir doch alle auch mal einen Polo in der Familie oder im Freundeskreis", sagt der Sammler aus Dinslaken. Er erinnert sich gerne zurück an seine Studentenzeit in einem Polo 2.
Dass der Kleinwagen es nie so ganz aus dem Schatten des Golfs heraus geschafft hat, ist aus Winklers Sicht eigentlich nicht ganz fair. Schließlich hatte der Polo in seinem Segment über lange Jahre eine ähnliche dominante Stellung wie der Golf in der Klasse darüber. Und vom vom Ford Fiesta bis zum Mitsubishi Colt oder dem Toyota Starlet hatz er eine Reihe von Wettbewerbern inspiriert. So sind in fünf Generationen mittlerweile rund 15 Millionen Fahrzeuge entstanden. "Er ist einfach ein wichtiges Stück Automobilgeschichte", sagt Winkler.
Dabei ist der Polo zumindest als Oldtimer ein bezahlbares Auto geblieben. "Man kann suchen so lange man will, einen Polo über 20 000 Euro wird man nicht finden", freut sich der Experte. Selbst begehrte Sportmodelle wie der GT oder später der G40 kommen auch in sehr, sehr gutem Zustand allenfalls an 15 000 Euro heran, so Winkler. "Und den Kultstatus eines Golf GTI wird kein Polo je erreichen", sagt er. "Einerseits ist das natürlich schade. Andererseits bringt uns das gegenüber dem Golf über alle Modelljahre und Modellvarianten hinweg einen Preisvorteil von etwa 20 Prozent."
Gleichwohl muss Winkler spätberufene Polo-Fans enttäuschen. "Die Autos, die man noch im Tausch gegen eine Kiste Bier bekommen konnte, die sind mittlerweile vom Markt verschwunden", klagt er und stimmt Neueinsteiger bei nur 1,1 Millionen gebauten Polo 1 auf eine schwierige Suche ein: "Was von den alten Polos überlebt hat, ist entweder total verrottet oder längst in Liebhaberhänden, ordentlich gepflegt, komplett restauriert und deshalb entsprechend teuer."
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