Auf die harte Tour: Wie Autohersteller neue Technik testen

Autohersteller lassen neue Technik aufwendig prüfen. Testfahrer sind dafür manchmal mehrere Hundert Kilometer am Tag unterwegs. Das Ziel ist, brauchbare Daten dafür zu bekommen, was schon gut funktioniert und was sich noch verbessern lässt.
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Wie reagieren die Reifen bei Regen? Testfahrer bringen die Autos an ihre Grenzen. Nur so können Fahrzeug und Teile gut abgestimmt werden.
dpa-tmn 4 Wie reagieren die Reifen bei Regen? Testfahrer bringen die Autos an ihre Grenzen. Nur so können Fahrzeug und Teile gut abgestimmt werden.
Gas geben und Strecke machen - Testfahrer bewerten das Fahrzeug und protokollieren ihre Eindrücke ausführlich.
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Von Beschleunigung bis Kurvenverhalten - Hersteller prüfen das Fahrverhalten neuer Modelle intensiv. Testfahrer legen dafür manchmal Hunderte Kilometer pro Tag zurück.
dpa-tmn 4 Von Beschleunigung bis Kurvenverhalten - Hersteller prüfen das Fahrverhalten neuer Modelle intensiv. Testfahrer legen dafür manchmal Hunderte Kilometer pro Tag zurück.
Mit dem Notebook im Cockpit - Testfahrer erfassen zahlreiche Daten, die anschließend analysiert werden.
dpa-tmn 4 Mit dem Notebook im Cockpit - Testfahrer erfassen zahlreiche Daten, die anschließend analysiert werden.

München – Die Reifen quietschen, die Bremsen qualmen. Doch hinter dem Lenkrad sitzt kein Rennfahrer, sondern ein Testingenieur. Das hört sich nach viel Fahrspaß an, ist aber anstrengende Arbeit. Autohersteller stellen neue Technik buchstäblich auf die Probe. Manche Testfahrer legen Hunderte Kilometer pro Tag zurück, bewerten das Fahrzeug und protokollieren ihre Eindrücke. Sie sind die Ersten, die ein Fahrzeug intensiv prüfen.

Hersteller und Zulieferer unterscheiden zwischen zwei Arten von Testfahrern: Dauerlauf-Testfahrer spulen bestimmte Fahrprofile ab, bis zu 600 Kilometer pro Tag. Dadurch soll die Dauerhaltbarkeit der Teile simuliert und bewertet werden. Die Mitarbeiter kommen aus den Werkstätten der Versuchsabteilungen. Üblicherweise haben sie eine Ausbildung als Mechaniker, Mechatroniker oder Techniker absolviert.

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Versuchsingenieure entwickeln, kontrollieren und optimieren einzelne Bauteile. Dazu gehört es, von ihnen entwickelte Komponenten in den Fahrzeugen selbst zu erproben. Die Testfahrer sind meist Ingenieure etwa im Bereich Maschinenbau oder Fahrzeugtechnik. "Testfahrer müssen ein gutes Gespür für das Auto haben", sagt Ulrich Pfundmeier, Leiter Test und Technik bei BMW und seit mehr als 30 Jahren Versuchsingenieur.

Direkt nach der Ausbildung ins Auto steigen und es abstimmen, das funktioniert nicht. Die Unternehmen beobachten die Bewerber bis zu einem Jahr. Bei BMW stehen jungen Testfahrern erfahrene Ingenieure als Mentoren zur Seite. Genau wie bei dem Hersteller aus Bayern gibt es auch bei Mercedes und Volkswagen interne Ausbildungssysteme. In verschiedenen Stufen lernen die Testfahrer über Jahre schnelles, gleichmäßiges und sicheres Fahren, dicht am Limit. "Nur dann kann man das Auto richtig abstimmen", sagt Pfundmeier.

Wie verhält sich ein Auto, wie federt es? Was muss sich ändern, damit sich die Fahreigenschaften verbessern? Eine komplexe Komponente wie die Feder-Dämpfer-Einheit können Versuchsingenieure für eine ganze Baureihe erst nach drei bis vier Jahren selbstständig abstimmen. Schwierig sei es, innerhalb eines Modells mit den unterschiedlichen Motoren unter ökonomischen Gesichtspunkten die beste technische Lösung zu finden. "Den richtigen Hebel finden, so dass in der Gesamtentwicklung das beste Ergebnis herauskommt, das ist kompliziert", sagt Pfundmeier. Da helfe nur fahren, fahren, fahren.

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Mercedes verlangt als Voraussetzung eine Berufsausbildung mit Kfz-technischem Hintergrund und mindestens fünf Jahre Berufspraxis. Danach folgen Fahrsicherheitstrainings und theoretischer Unterricht. Nach dieser Ausbildung müssen die Fahrer zunächst vier Wochen bei einem erfahrenen Kollegen mitfahren und dürfen auch nur im Beisein eines solchen Kollegen selbst fahren. Danach hat der Testfahrer die Einstiegs-Fahrererlaubnis erreicht - weitere Schulungen folgen.

"Testfahrer müssen generell überdurchschnittliche Autofahrer sein, komplexe Systeme im Fahrzeug verstehen", sagt Koert Groeneveld von Mercedes, "ein gutes Gehör und ein Gefühl für das Auto haben und kritische Situationen im Straßenverkehr antizipieren können." Sie arbeiten teilweise im Dreischichtbetrieb und sind bis zu 80 000 Kilometer im Jahr auf Teststrecken oder im Straßenverkehr unterwegs. Ihre Aufgabe ist, die Ergebnisse von Prüfstandstests oder der Simulation zu bestätigen. "Die einzelnen Aufgaben werden über Systeme im Fahrzeug überwacht. Die Ergebnisse aus dem Fahrzeug werden online in unserem Entwicklungszentrum in Sindelfingen gesammelt und ausgewertet", sagt Groeneveld.

Auch bei Autozulieferern und Reifenherstellern wie Continental steuern Ingenieure mit automobiltechnischem Hintergrund die Testfahrzeuge. "Testfahrer müssen disziplinierte, präzise, teamfähige und ergebnisorientierte Fachleute für ihre jeweilige Testdisziplin sein", sagt Enno Pigge von Continental. Dazu müssen sie vorurteilsfrei ihre Fahreindrücke und -ergebnisse festhalten sowie Prüfobjekte wie Reifen, Bremsen oder Assistenzsysteme gut kennen.

Continental unterscheidet zwischen Objektivbeurteilung und Subjektivbeurteilung: "Bei der Objektivbeurteilung nutzen die Ingenieure reproduzierbare Verfahren zur Reifenbeurteilung", sagt Pigge. Die "Subjektiven" beurteilen das Fahrverhalten mit ihren eigenen Eindrücken. Entscheidend dabei ist, dass die Ingenieure so arbeiten, dass ihre Beurteilung selbst nach einigen Jahren reproduzierbar ist.

Der Zulieferer bietet für die nötige Qualifizierung den internen Ausbildungsgang Testfahrer an. Zwischen zwei und drei Jahren werden die Kandidaten auf die Feinheiten und die präzise Beurteilung von Reifen geschult. "Testfahrer sind eher hart arbeitende, nüchterne Prüfingenieure als Rennfahrer", sagt Enno Pigge. Die Bezeichnung Rennfahrer sei für die meisten Testfahrer eher eine Abwertung ihrer Arbeit.

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