Netflix dreht Serie über "dicken Donald": Wie geht's dem berühmten "Bankräuber"?
Fast fünf Zentner schwer, brüchige Knochen und nicht mehr in der Lage zu laufen, Diabetes, dazu unheilbare Tumore überall: Das medizinische Profil von Donald Stellwag (63) ist niederschmetternd. Die Hauptrolle in einer "Netflix"-Serie, die gerade gedreht wird, spielt der berühmte "Bankräuber", der keiner war, trotzdem.
Von dieser Performance ist besonders die Staatsanwaltschaft in Nürnberg überrascht. Sie hatte jahrelang nach ihm gesucht, aber seinen Aufenthaltsort nicht ausfindig machen können. Sogar seinen möglichen Tod wollte die Behörde bis in jüngste Zeit nicht ausschließen.
Staatsanwaltschaft suchte Donald Stellwag
Der "Vermisste" wundert sich darüber. "Ich lebe seit rund fünf Jahren wieder in Deutschland, bin polizeilich gemeldet, bekomme meine Rente und wickle auch die Krankenversicherung unter dieser Adresse ab. Zuvor war ich in Italien, ebenfalls gemeldet und Rentenbezieher", stellt er fest und vermutet, dass ihn die Staatsanwaltschaft nicht finden wollte.

Der Grund für das Desinteresse liegt für ihn auf der Hand. "Die Justiz", sagt er in einem Gespräch mit der AZ, "wollte sich eine erneute Blamage ersparen." Die alte "Blamage", die er damit anspricht, liegt rund 30 Jahre zurück, beförderte ihn sechs Jahre lang unschuldig in den Knast und machte ihn am Ende zu einem Medienstar.
Wegen bewaffneten Raubüberfall verurteilt
Trotz eines knappen Dutzends an Zeugen, die ihn zum Tatzeitpunkt Hunderte Kilometer von Nürnberg entfernt verorteten, wurde er in den 90ern für einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Nürnberger Sparkassen-Filiale verurteilt - neun Jahre Haft inklusive einiger Betrügereien.
Ausschlaggebend für das Urteil war der Gutachter. Er hatte anhand eines Fotos aus der Überwachungskamera festgestellt, dass es sich bei dem Bankräuber zweifelsfrei um Donald Stellwag handeln müsse. Das auf dem Foto einer Überwachungskamera zu sehende Ohr sei unverwechselbar, erklärte er damals.
Donald Stellwag saß sechs Jahre im Gefängnis
Donald Stellwag, der sechs Jahre lang, zwei Drittel der verhängten Strafe, hinter Gittern saß, stand nach seiner Entlassung (2001) vor dem Nichts. Ein Zufall war es, der ihm in dieser schwierigen Zeit in die Hände spielte.
Ein Krimineller aus Baden-Württemberg hatte nach seiner Festnahme reinen Tisch gemacht und dabei auch den Banküberfall gestanden, für den Stellwag unschuldig im Gefängnis saß. Dessen Freispruch in einem neuen Prozess war danach eher eine Formsache. Er verschaffte ihm aber die Grundlage für Schadensersatzansprüche. 150.000 Euro musste ihm zum Beispiel der "Ohr"-Gutachter bezahlen.
Schlechter Gesundheitszustand: "Meine Tage sind gezählt"
Die staatliche Entschädigung fiel dagegen deutlich niedriger aus. Von den rund 60.000 Euro wurden knapp 20.000 Euro für die Verpflegung im Gefängnis abgezogen. Während Stellwag zumindest einen kleinen Lichtblick erlebte und in einen Gold- und Uhrenhandel einstieg, verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand langsam aber beständig. Er selbst gibt sich keinen Illusionen hin. "Meine Tage sind gezählt. Es ist eher ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebe", so seine Selbstdiagnose.
Bei den Staatsanwaltschaften in Nürnberg und Stuttgart ruft der desolate, seit langem bestehende Zustand Stellwags vernehmbares Zähneknirschen hervor. Besonders deutlich fiel es aus, als festgestellt wurde, dass Donald Stellwag sowohl haft- als auch verhandlungsunfähig ist. Ein Prozess oder U-Haft kommen unter diesen Voraussetzungen nicht mehr in Frage. Dabei liefen bis in jüngste Zeit zwei Ermittlungsverfahren gegen ihn.
Bei den Ermittlungen ging es einmal um einen Überfall auf einen Geld-Transporter (Beute: 1,2 Millionen Euro), an dem auch ein bekannter Gangster-Rapper beteiligt war. Donald Stellwag soll laut Staatsanwaltschaft Stuttgart der Drahtzieher gewesen sein.
Wurde er straffällig? Verfahren eingestellt!
In einem anderen Fall, in dem die Staatsanwaltschaft Nürnberg bis 2018 ermittelte, soll er einen Schweizer Uhrmacher um 300.000 Euro betrogen haben. Beide Verfahren wurden inzwischen eingestellt.
Hinter den Ermittlungsverfahren verbarg sich nach Ansicht Stellwags eine "Retourkutsche" für die Blamage im Bankräuber-Prozess und die weitreichenden Folgen.
Noch nie zuvor in der deutschen Rechtsgeschichte hatte ein Gerichtsgutachter Schadensersatz und Schmerzensgeld an einen Verurteilten zahlen müssen.
"Mein Mandant hatte mit diesen Straftaten nichts zu tun"
Der Nürnberger Rechtsanwalt Manfred Neder, der Donald Stellwag seit etlichen Jahren zur Seite steht, nimmt Begriffe wie "Retourkutsche" nicht in den Mund und reduziert seine Einschätzung auf einen einzigen Satz. "Mein Mandant", sagt er, "hatte mit diesen Straftaten nichts zu tun."
Stellwag, der von einem Freund seit vielen Jahren betreut wird, freut sich über das Interesse des "Netflix"-Teams an seinem turbulenten Leben. Er macht begeistert mit, auch wenn es für ihn alles andere als einfach ist und seine Krankheit nur wenig Spielraum zulässt. "Ich lag im Bett, als die Szenen gedreht wurden. Anders ging es nicht und selbst das war schon anstrengend genug", beschreibt er das Szenario bei den Dreharbeiten.