"Söder ist fast so gut wie Strauß"

AZ: Herr Hanitzsch, seit Juli 2018 haben Sie weit über 200 Karikaturen für die Abendzeitung gezeichnet. Gut 150 davon haben es in Ihr neues Buch geschafft. Welche von denen ist Ihnen eigentlich die liebste?
Dieter Hanitzsch: Die liebste – vor allem in Bezug auf die Fernwirkung eines Themas – war die, auf der Anton Hofreiter sagt: "Schluss mit Kohle, Öl und Gas aus Russland!“ vom April dieses Jahres.

Warum?
Dieter Hanitzsch: Er hat zumindest einen Kopf, den man zeichnen kann – was bei vielen anderen hochrangigen Politikern mittlerweile nicht mehr der Fall ist. Annalena Baerbock beispielsweise ist sehr schwer zu karikieren: ein Mädelsgesicht, mehr ist da nicht. Mit Ausnahme von Olaf Scholz ist die neue Bundesregierung eine Herausforderung für alle Karikaturisten.

Oh!
Dieter Hanitzsch: Ja. Keiner kann den Lindner richtig zeichnen, auch Habeck kaum. Man erkennt als Zeichner nichts, woran man sie festmachen kann. Mein Kollege Horst Haitzinger hat über Politiker immer gesagt: "Man soll ihn erwischt haben." Er rief dann manchmal an und fragte: "Hast du den schon erwischt?" Viele sind heute leider nicht karikabel – und kommen dann in den Karikaturen auch nicht vor.
Sind Lindner und Habeck einfach zu schöne Männer?
Dieter Hanitzsch: Die sind schon gutaussehend, richtig. Aber andere gutaussehende Männer – etwa zu Guttenberg – lassen sich besser karikieren. Guttenberg hat etwas in seinem Gesicht, woran man ihn festmachen kann. Bei Lindner und Habeck fehlt das. Das stelle ich ja nicht allein fest, sondern vielen meiner Kollegen geht es genauso.
Mit Söder tun Sie sich leichter?
Söder ist fast schon so gut wie Strauß. Der war ja das Optimum als Karikaturenopfer. Und: Söder gibt ja auch Themen her – zumal für die Abendzeitung.

Wie und wo entstehen Ihre Zeichnungen? Wie viele Entwürfe zerknüllen Sie, ehe Sie zufrieden sind?
Dieter Hanitzsch: Entweder entsteht aus einer meiner Ideen morgens eine Skizze, oder ich bekomme Vorschläge aus der Redaktion. Dann setze ich mich – am Vormittag leider nur mit Tee – hin und denke ein bisschen nach, bis ich eine passende Metapher finde. Zerknüllt wird übrigens nichts mehr – da müsste ich ja mein iPad zerknüllen, das mache ich lieber nicht. Ich arbeite schon seit Jahren nicht mehr auf Papier, sondern auf Anregung meines Berliner Kollegen Klaus Stuttmann seit langem elektronisch: mit Griffel und iPad.
Das heißt, die ganzen schönen bunten Stifte und Federn an Ihrer Werkbank, wie Sie Ihren Zeichentisch nennen, sind längst arbeitslos?
Dieter Hanitzsch: Manchmal, wenn Fotografen oder Kamerateams bei mir sind, dienen sie als wunderbare Kulisse. In Betrieb sind sie nur noch in seltensten Fällen – vielleicht mal, wenn ich jemandem schnell eine Zeichnung mit der Hand auf Papier schicken möchte. Das passiert im Jahr vielleicht zwei, drei Mal. Sonst sind die Stifte nur mehr wunderschöne Kulisse.
Ihr wievieltes Buch ist Ihr neues AZ-Büchlein eigentlich?
50 habe ich sicher gemacht im Laufe der vielen Jahre, genau weiß ich das gar nicht.
Welches war ihr liebstes und erfolgreichstes?
Dieter Hanitzsch: Das waren meine fünf Bücher über den leider schon lange auf Wolke sieben residierenden Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Es begann mit einer erfundenen Autobiografie: "Ich, Franz Josef“, in dem ich Originalzitate von ihm und Texte, die ich ihm untergeschoben habe, illustriert habe. Allein davon wurden über 80.000 verkauft. Mit den vier folgenden Büchern waren es über 200.000 – das gab es vorher und nachher nie wieder über einen Politiker.
Wie fand FJS das eigentlich?
Dieter Hanitzsch: Na ja, erfreut war er nicht. Als ich ihn mal um eine Widmung bat, hat er mir in ein Buch hineingeschrieben: "Mit herzlichen Grüßen – Ihr Arbeitgeber ohne Dividende!“
Er spielte darauf an, dass Sie quasi mit ihm Geld verdient haben?
Dieter Hanitzsch: Genau. Seine Frau Marianne wollte von mir ja sogar Tantiemen haben: 15 Prozent von all dem, was ich mit den Büchern verdient habe – weil es das Persönlichkeitsrecht nicht hergegeben hätte, Bücher über ihn zu machen, ohne ihn zu fragen und ohne ihn zu bezahlen. Sie hat diese Forderung sogar gegenüber dem Buchverlag erhoben. Das war natürlich ein Rohrkrepierer, der Verlagsjurist hat das ganz leicht abgeschmettert.

Der Vorgang wurde sogar öffentlich, oder?
Dieter Hanitzsch: Ja. Just zu dieser Zeit war leider Pressestreik in München. Aber mein Freund Dieter Hildebrandt, dem ich alles erzählt hatte, trat damals mit den Biermösl Blosn, Gerhard Polt und anderen im Stück "München leuchtet" in den Kammerspielen auf und fragte mich: "Darf ich das heute Abend auf der Bühne erzählen?" Ich sagte: "Du darfst nicht – du musst!" Und so standen am übernächsten Tag die Übertragungswagen und Reporter vor unserem Haus. Das war für Strauß natürlich ein unangenehmer Pressewirbel, der um die Welt ging: "Strauß will Geld dafür, dass man über ihn lacht." Das war wunderbar!