"Radio Free Europe": Notwendige, umstrittene Stimme
München – Auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik befanden sich nach Kriegsende 1945 geschätzte zehn Millionen so genannte "DPs": Displaced People, also Überlebende, die aus aufgelösten NS-Lagern kamen sowie Staatenlose oder Osteuropäer, die gerade erst vor der Sowjetarmee geflohen waren oder nicht mehr in ihre besetzten Heimatländer zurückkehren konnten oder wollten, weil dort Repressionen oder der Tod durch den Stalinismus drohte.
Das Radio als "Gegenöffentlichkeit" im Totalitarismus.
Bayern – und damit auch München – war schon damals ein bevorzugter Ort. Es war geografisch die nächste Anlaufstelle aus Ost- und Mitteleuropa und als amerikanische Besatzungszone auch wirtschaftlich schnell bessergestellt.
Und so war es diese Kombination aus US-Einflusszone und geografischer Lage, dass von München aus der schnell nach 1945 beginnende "Kalte Krieg" propagandistisch geführt wurde - mit zwei nach Osten sendenden Radiostationen: "Radio Free Europe", zuständig für alle nichtsowjetischen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang, mit Sitz am Englischen Garten und Sendemast in Holzkirchen sowie "Radio Liberty", das erst vom Oberwiesenfeld, später vom Arabellahaus aus in 15 Sprachen, einschließlich des Baltikums und vieler Turksprachen, die Sowjetunion beschallte – als "Gegenöffentlichkeit" im dortigen Totalitarismus.
Anhand von vier Mitarbeiterbiografien erzählt das Stadtmuseum in einem Raum am Sebastiansplatz die Geschichte der beiden Radiosender von Anfang der 50er-Jahre bis in die 90er. Eine fünfte Biografie ist im gegenüberliegenden Foyer des Jüdischen Museums ausgestellt, ebenfalls als Seh-, Lese- und Hörstation: die von Peter Demetz, einem Mann mit einem südtiroler Vater und einer böhmisch-jüdischen Mutter, die in Theresienstadt ermordet wurde, während er ein NS-Zwangsarbeiterlager in Tschechien überlebte. Er floh nach dem kommunistischen Putsch 1948 mit seiner Frau nach München.
Propagandasender finanziert von der CIA
In der Person von Demetz spiegelt die Ausstellung besonders stark auch zweifelhafte Aspekte der Propagandasender, die erst in den 70er-Jahren dem amerikanischen Kongress unterstellt wurden und sich erst damit ein der Wahrheit verpflichtendes Statut gaben.
Zuvor waren die Sender offiziell "spendenfinanziert" durch demokratieliebende US-Staatsbürger. In Wirklichkeit finanzierte die CIA den Großteil.
Peter Demetz verließ daher auch unzufrieden mit der Einseitigkeit und mangelnden redaktionellen Freiheit die tschechischsprachige Redaktion des RFE nach zwei Jahren wieder und wanderte 1952 in die USA aus, wo er an der Yale Universität Professor für Deutsche Literaturwissenschaft wurde.
Kalter Krieg und Fußball
In der Galerie Einwand sind zwei linientreuere Mitarbeiterbiografien im Mittelpunkt, aber dann auch der Fall einer Agentengattin, die selbst für die Gegenseite spionierte. Die vierte Biografie hier ist die eines Sohns eines RFE-Mitarbeiters ("RFE-Kids"), der ebenfalls RFE Mitarbeiter wurde.
Ewgenij Repnikov reiste am Ende das Kalten Krieges zu einem Freundschafts-Fußballspiel nach Moskau und trat mit seiner RFE-Mannschaft gegen sowjetische Schlagerstars an. Sicher der Tag der größten Entspannung, von dem die Ausstellung erzählt.
Dieses Fußballspiel mit anschließendem Empfang ist ein Schlüsselpunkt im Leben Repnikovs bei RFE gewesen, der auch in einer kurzen Bildergeschichte erzählt wird. Denn die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule für Gestaltung in Ulm, so dass jede Biografie nicht nur durch Exponate, Interviewausschnitte, sondern auch graphisch ausgearbeitet ist.
Von München nach Prag: "RFE" und "Radio Liberty"
Heute sind beide Sender mit ihren Nachrichten, Kultur und Sportprogramme wieder aktueller den je – mit den Fake-News in Polen und Ungarn, die die Pressefreiheit bereits merklich ausgehöhlt haben, und natürlich für das heutige Russland. "RFE" und "Radio Liberty" sind inzwischen etwas ostwärts gerückt und senden seit den 90er-Jahren aus Prag, was das Münchner Kapitel beendete.
Bis 5. März, Di - So, 14 - 18 Uhr, Stadtmuseum, Dependance am Sebastiansplatz sowie Foyer des Jüdischen Museums, muenchner-stadtmuseum.de