Für Paula Kalenberg ist der Konsumrausch vor Weihnachten die Hölle auf Erden
Die TV-Journalistin Carla (Paula Kalenberg) findet sich an Heiligabend plötzlich in der Groschenroman-Fantasiewelt ihrer Mutter (Leslie Malton) wieder ‒ einer Autorin, von der sie sich zuletzt immer weiter entfernt hat.
Im romantischen Bergdorf Glocksberg muss Carla plötzlich die Liebe ihres Lebens finden, um in ihr Leben zurückkehren zu dürfen. Im Interview mit der AZ spricht die Schauspielerin über ihre Beziehung zum Allgäu, faires Streiten und ihr Problem mit dem Weihnachtsmann.
Paula Kalenberg spielt im Weihnachtsfilm "Zitronenherzen"
AZ: Frau Kalenberg, Carla und ihre Mutter haben nach Jahren des Streits kaum Kontakt. Wie kann eine Versöhnung gelingen, wenn die Fronten schon so verhärtet sind?
Paula Kalenberg: Ich persönlich versuche, Konflikte am liebsten sofort zu lösen. Ich bin nicht gut darin, im Streit schlafen zu gehen oder etwas lange grummelig mit mir alleine auszumachen. Ich spreche die Sachen in der Regel einfach sofort an. Ich bin ebenfalls mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen.

Und wir haben bis heute eine Streitkultur, in der wir die Sachen meistens sofort miteinander klären. Das halte ich erstmal für ziemlich gesund und die beste Prophylaxe, sodass sich gar nichts verhärten muss. Wenn so eine Situation auftaucht, dann liegt es meistens daran, dass man nicht in der Lage ist, den anderen in seinem Schmerz oder in seiner Verletzung zu sehen, oder in seiner Not.
Kalenberg über eine "richtige" Streitkultur: "Ein Schlüssel für verhärtete Fronten"
Das Schöne an unserer Erzählung ist, dass Carla durch ein Weihnachtswunder in die Lebenswelt ihrer Mutter eintauchen kann und darüber lernt, sie zu verstehen. Das steht für dieses Mitgefühl, das wir unseren Liebsten gegenüber aufbringen müssten, um den anderen so anzunehmen, wie er ist. Ich glaube, das ist ein Schlüssel für sämtliche verhärtete Fronten.
Sie sind in Dinslaken geboren, in Bielefeld aufgewachsen, haben Familie im Allgäu, leben mittlerweile in Berlin ...
Und mein Vater kommt aus Kroatien und lebt auch wieder in Kroatien. Ich bin eigentlich Halb-Kroatin.
Wo fühlen Sie sich zuhause?
Am längsten gelebt habe ich in Berlin, definitiv. Aber die Familie meiner Oma kommt ursprünglich aus dem Allgäu. Wir sind relativ häufig umgezogen in meiner Kindheit. Und das Allgäu war immer eine Art Konstante, vielleicht ein heiler Ort, der irgendwie immer da war. Ähnlich wie "Glocksberg" in unserem Film.
Und ja, das hat mir Sicherheit gegeben. Ich will nicht "Heimat" sagen, weil das so kitschig klingt. Aber es war auf jeden Fall immer ein Ort, an dem ich mich zu Hause gefühlt habe. Also mein persönliches "Glocksberg".
"Blinkende Einkaufszentren sind für mich die Hölle auf Erden"
Verbringen Sie dort auch Weihnachten?
Genau. Wir werden dieses Jahr wieder einmal zusammen feiern, auch mit meinen Stiefgeschwistern und ihren Kindern, und da freue ich mich schon sehr drauf.
Was gehört für Sie zu einem gelungenen Weihnachtsfest?
Im besten Fall eine authentische Harmonie miteinander, und das beinhaltet, dass Konflikte im besten Fall schon während des laufenden Jahres geklärt wurden und man sich ehrlich, aufrichtig begegnet, mit einer gewissen Akzeptanz für die Schrulligkeiten der anderen, und man wirklich besinnliche Tage miteinander verbringen kann.

Sie haben neulich gesagt, dass Sie kein Freund des weihnachtlichen Konsumrausches sind.
Generell von Konsumrausch. Blinkende Einkaufszentren sind für mich die Hölle auf Erden. Für Kinder sind Geschenke natürlich unglaublich wichtig. Ich finde es aber immer noch eigenartig, das eigene Kind anzulügen und zu sagen, dass es einen Weihnachtsmann oder ein Christkind gibt.
Zumal wir da auch jedes Mal durcheinanderkommen, weil in einem Teil der Familie der Weihnachtsmann die Geschenke bringt und im anderen Teil das Christkind, und wir uns in unseren Flunkergeschichten regelmäßig verhakeln.
Ich freue mich darauf, meinem Kind irgendwann ehrlich sagen zu dürfen: "Das waren übrigens all die Jahre wir." Das stelle ich mir befreiend vor. Weil ich mir manchmal denke, dass das noch aus einer Zeit stammt, in der diese Art von Care-Arbeit sehr an den Frauen der Familie hing:
Sich Gedanken darüber machen, was jemand sich wünscht, für die Kinder Geschenke besorgen. Der Applaus dafür wird eher einem alten bärtigen Mann mit rotem Anzug und Sack zuteil.
"Ich schenke definitiv lieber, als dass ich beschenkt werde."
Aber Sie schenken trotzdem?
Ja! Und ehrlich gesagt habe ich richtig Spaß daran. Ich schenke definitiv lieber, als dass ich beschenkt werde. Mir ist das manchmal fast ein bisschen unangenehm, auch an Geburtstagen. Ich weiß gar nicht, woran es liegt. Ich habe aber große Freude daran, mir Gedanken zu machen, worüber sich jemand anderes freuen könnte.
Wir haben in unserer Familie ganz gute Methoden gefunden. Es wird reihum gewichtelt, sodass jeder Erwachsene immer nur für eine Person etwas mitbringt. Dann macht es auch Spaß, sich zu dieser Person Gedanken zu machen, was sie freuen könnte und wo sie gerade in ihrem Leben steht. Da ist das Materielle auch zweitrangig, sondern es geht eher um die Gedanken, die man sich um die Person gemacht hat.
Das mag ich als Ritual an Weihnachten total gerne. Aber dieses Übermaß an Klimbim und Quatsch, den man dann in der letzten Sekunde noch kauft ‒ schnell hier ein Duschgel und da einen Rasierer ‒ das halte ich für sehr wahllos und unnötig.
Carla sträubt sich gegen die "klassische, heteronormative, romantische Paarbeziehung". Sind Sie da ähnlich skeptisch?
Ich stelle zumindest fest, dass wir alle mit stark romantisierten Vorstellungen von Liebe aufgewachsen sind. Und, dass die Realität damit in der Regel nicht mithalten kann. Die Filme, mit denen wir aufgewachsen sind, besonders Disneyfilme, enden immer damit, dass der Prinz die Prinzessin auf sein Pferd hebt.
Die Geschichte endet dann mit dem Zusammenkommen von zwei Menschen. Und was danach passiert, nämlich dass man sich miteinander auseinandersetzt, an der Unterschiedlichkeit des anderen wächst, sich selbst besser kennenlernt und seinen Platz in der Welt findet, das findet meistens nicht statt.
Deshalb freue ich mich darüber, dass es eine immer stärker werdende Bewegung gibt, die diese alten Konzepte in Frage stellt. Das inspiriert und ermutigt mich, dass Beziehungen extrem unterschiedlich sein können. Dass es kein Schema F gibt. Was das angeht, finde ich, leben wir in einer wahnsinnig spannenden Zeit. Ich finde es sehr bereichernd, dass da so ein großer Veränderungswille da ist.
Im Film liegt die Lösung in den Zitronenherzen. Wie stehen sie privat zum Thema Plätzchen?
Ich liebe Plätzchen! Am liebsten ganz viel davon. Ich schaffe nie den Absprung, vor allem bei Zimtsternen, Zitronenherzen, Vanillekipferln. Ich könnte mich davon ernähren in der Weihnachtszeit. Mein Gott, ich behaupte immer von mir, ich wäre nicht so für Süßkram. Das stimmt auch ‒ Gummibärchen, Schokolade mag ich gar nicht. Aber Plätzchen... Da könnte ich drin baden.
ZDF, 16. 12. 2024, 20.15 Uhr
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