Kritik

Zubin Mehta in der Isarphilharmonie: Die Kraft der Ruhe

Zubin Mehta und die Philharmoniker mit George Crumb und Richard Strauss im Gasteig HP8.
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Zubin Mehta und die Münchner Philharmoniker nach der Sinfonia domestica in der Isarphilharmonie.
Zubin Mehta und die Münchner Philharmoniker nach der Sinfonia domestica in der Isarphilharmonie. © Tobias Hase

München - Der programmatische Sprung von den George Crumbs "Ancient Voices of Children" zur Sinfonia domestica ist mutig, aber keinesfalls unmöglich. 

Opulent und reduziert: In der Isarphilharmonie funktioniert's

Auch bei Richard Strauss spielt das Kind eine große Rolle: einerseits das Kind im Manne, das hier mit einer riesigen Orchesterbesetzung zockt wie andere mit einem Motorrad oder dem Porsche, zum anderen der eigene Sohn, der neben der Gattin Pauline die Hauptrolle in dieser Tondichtung über ein bürgerliches Familienleben übernimmt.

Außerdem hat es seinen Reiz, vor dem opulenten Füllhorn des Spätromantischen etwas maximal Reduziertes für ein Kammerensemble zu stellen, was im Gasteig nicht funktioniert hätte, aber in der Isarphilharmonie. Bei den "Ancient Voices of Children" singt die Solistin (Mojca Erdmann) erst ins Klavier, um dann dem zarten Echo der klingenden Saiten nachzulauschen. Die Oboe (Marie-Luise Modersohn) wandert im Raum herum, immer wieder antwortet ein Tölzer Knabe auf den Gesang.

Lesen Sie auch

Mandoline und Singende Säge fallen kurzfristig aus 

Wer ein Naheverhältnis zur Neuen Musik pflegt, für den häuft Crumbs Liederzyklus nach Federico Garcia Llorca typische Avantgardetechniken wie Richard Strauss die Effekte romantischer Harmonik. Die vielen wechselnden Reize machen die "Ancient Voices of Children" aber auch für ein Publikum zugänglich, das nicht regelmäßig die musica viva oder die Münchener Biennale besucht.

Zubin Mehta in der Isarphilharmonie.
Zubin Mehta in der Isarphilharmonie. © Tobias Hase

Wäre der 92-jährige Komponist in München gewesen, hätte er womöglich noch das Smartphone in die Partitur hineingenommen, das am Donnerstag zweimal das Oboensolo begleitete. Dafür fehlten kurzfristig die Mandoline und eine Singende Säge. Warum, dazu sagen die Philharmoniker aus Gründen des Datenschutzes nichts. Wer aber daran denkt, dass wir in pandemischen Zeiten leben, dürfte nicht ganz falsch liegen, zumal das Orchester versichert, dass für niemanden ein Risiko bestanden habe.

Zubin Mehta spielt bei der Sinfonia domestica seine große Stärke aus

Der 85-jährige Zubin Mehta mag mittlerweile etwas wacklig auf den Beinen sein. Bei den "Ancient Voices of Children" konnte er nicht viel mehr tun, als einige Einsätze zu geben und der Aufführung mit seiner Autorität zu präsidieren.

Bei der Sinfonia domestica spielte der Ehrendirigent der Münchner Philharmoniker seine große Stärke aus: gelassene Ruhe zu verbreiten und das Orchester möglichst nicht dabei zu stören, seinen dunkelgoldenen Traditionsklang zu verströmen.

Die bis ins letzte Detail auskomponierte Musik von Richard Strauss spricht hier für sich

Es war ein Fest der satten Streicher, der orgelnden Hörner und der vielen schönen Bläser-Soli. Eine dezidierte Interpretation strebten Mehta und die Philharmoniker nicht an. Die wäre bei diesem (auch) sanft ironischen Werk durchaus möglich.

Aber es hat auch viel für sich, die bis ins letzte Detail auskomponierte Musik von Richard Strauss für sich selbst sprechen zu lassen, wenn es so entspannt und zugleich mit viel Gefühl für die langsame Steigerung passiert wie in der finalen Doppelfuge.

Lesen Sie auch

Chance im Gasteig HP8 nutzen und stärker mit dem Publikum in einen Dialog treten

Am Freitag spielten Musiker der Philharmoniker nach dem Konzert noch "Black Angels" für verstärktes Streichquartett - ein auch auf die Popmusik einflussreiches Werk von George Crumb.

Das Foyer und die Nebenräume des Gasteig HP8 müssten nicht nur das Orchester der Stadt, sondern alle Orchester dieser Stadt dazu einladen, ihre Konzerte dramaturgisch zu erweitern und mit dem Publikum stärker in einen Dialog zu treten. Bei Crumbs Liederzyklus hätte - wenn man dem einen oder anderen Pausenkommentar lauscht - eine Einführung nicht geschadet. Drücken wir also die Daumen, dass die Pandemie diese begrüßenswerten und für München neuen Entwicklungen nicht gleich wieder abwürgt.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.