Neue CD von Anna Netrebko: Üppige Sinnlichkeit

Anna Netrebko hat unter dem Titel "Amata dalle tenebre" eine neue CD mit Opernarien herausgebracht.
Michael Bastian Weiß |
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Da Anna Netrebko ja gerade eine Art Biografie in Form eines Kochbuchs herausgebracht hat, könnte man den Gesichtsschmuck des PR-Fotos für ihr neues Album glatt für vergoldete Nudeln halten.
Da Anna Netrebko ja gerade eine Art Biografie in Form eines Kochbuchs herausgebracht hat, könnte man den Gesichtsschmuck des PR-Fotos für ihr neues Album glatt für vergoldete Nudeln halten. © Gregor Hohenberg / Universal

Die Anhänger von Maria Callas mussten bis nach ihrem Ableben warten, bis ein Kochbuch mit ihren Lieblingsrezepten aufgelegt wurde. Anna Netrebko, die Diva von heute, übernimmt die Auswahl lieber selbst zu Lebzeiten und verrät in ihrem Erstlingswerk, wie man Blinitorte mit Forellenkaviar und Grünen Hasensalat zubereitet. Jetzt erscheint gleichzeitig eine CD, auf der die russische Sopranistin Arien aus berühmten Opern singt.

 

Auch, wenn es schrecklich verlockend ist, sei hier darauf verzichtet, den traditionellen Borschtsch Peter Tschaikowsky und Giacomo Puccini das Radicchio-Risotto zuzuordnen. Unbedenklich scheint hingegen das Urteil, dass die auf dem neuen Album servierten Häppchen - um im Bild des Kulinarischen zu bleiben - ziemlich mächtig sind.

Netrebkos opulenter Sopran hat noch weiter an Schwere gewonnen 

Das liegt nicht nur am Repertoire, das gemäß dem Titel "Amata dalla tenebre" ("Geliebt von der Dunkelheit") viel angenehm Schwermütiges bietet, sondern auch und besonders an der Netrebko selbst. Ihr immer schon opulenter Sopran hat noch weiter an Schwere gewonnen und senkt sich wie Brokat auf das Orchester, blutrot schillernd, mit Goldfäden durchwirkt.

Ein solches vokales Gewicht ist nichts Negatives: Geheimnisarm entschlackte Stimmen gibt es genug, dieses überbordende Organ aber wahrlich nur einmal.

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In der Arie der Lisa aus Tschaikowskys "Pique Dame" kostet Anna Netrebko die Musikalität der russischen Sprache mit ihren kehligen Lauten voll aus, in den beiden Arien von Puccini aus "Manon Lescaut" und "Madama Butterfly" lässt sie auch einmal eine bewusst spröde Bruststimme als Ausdrucksmittel einfließen und überwältigt dann, indem sie mit weitgespannten Kantilenen ihren ganzen Körper zum Resonieren bringt. Da vergisst man schnell, dass in den großen Szenen aus "Don Carlo" und "Aida" von Giuseppe Verdi bisweilen auch spür- und hörbarer Druck nötig ist, um die große Tonproduktion anzuschieben.

 

Glücklicherweise kann Dirigent Riccardo Chailly mit einer derart imposanten Klangfülle mithalten. Er tut dies, indem er am Pult des Orchestra del Teatro alla Scala besonders in den Auszügen aus Wagners "Lohengrin" und "Tristan und Isolde" und der "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss sämtliche symphonischen Schichten freilegt, auf denen sich die Netrebko bewegt. Nur die Hallen-Arie aus dem "Tannhäuser" beginnt er für die monumentale Stimme, die er da begleitet, etwas zu hurtig.

Welche Stimme ist schon von solch hypnotischer Wirkung?

In der Finalszene aus "Dido and Aeneas" von Henry Purcell wiederum merkt man zwar erst spät, dass die Sprache, die Frau Netrebko singt, Englisch sein soll. Sei's drum: Korrekt historisierende Versionen dieser Musik gibt es wie Erdnüsse in der Eckkneipe.

Welche andere Stimme aber ist schon von einer solchen narkotisch wirkenden, schieren Sinnlichkeit, dass man sich förmlich in sie hineinlegen möchte wie in eine Sankt Petersburger Perlgraupensuppe (Kochbuch, S. 39)? Der genussbegabte Hörer freut sich über jedes gesangliche Pfund, das Anna Netrebko auf die imaginäre Bühne bringt.


Anna Netrebko, Sopran, und das Orchestra del Teatro alla Scala unter Riccardo Chailly: "Amata dalle tenebre", Arien von Richard Wagner, Giuseppe Verdi, Peter Tschaikowsky, Giacomo Puccini, Richard Strauss (Deutsche Grammophon)

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