"Yes I Will Yes": Molly Blooms Orgasmus
Wir wissen ja nicht, was jüngst in Dublin vor sich ging. In jedem Fall konnte die Bayerische Akademie der Schönen Künste mit dieser Produktion mithalten. Mindestens. Am 2. Februar 1922 erschien der Roman "Ulysses" des Ur-Dubliners James Joyce, pünktlich ein Jahrhundert später kommt diese Aufführung des Spätwerks "Yes I Will Yes" von Dieter Schnebel.
Der Komponist hatte in seinen letzten Lebensjahren an der Vertonung des inneren Monologs der Molly Bloom gearbeitet, der mit 60 Seiten den Roman beschließt. "Vertonung" ist zu wenig, denn Schnebel transformierte den Text, der kaum Punkte und Kommata enthält, vielmehr in eine szenische Version.
"Yes I Will Yes": Schnebels Skizzen lassen Spielraum für Improvisation
Als Schnebel 2018 verstarb, hinterließ er Teile seiner Komposition im Skizzenstadium. Somit bleiben der fabelhaften Schlagzeugerin Vanessa Porter weite Räume für die Improvisation. Den Grundton setzt das Vibraphon, das immer etwas Halbseidenes hat. Aber es gibt auch Trommelsoli, Glöckchen, Spiel auf einer halbvollen Whisky-Flasche bis hin zu Körperwinden, die auf dem Oberarm produziert werden.
Vanessa Porter reagiert in atemberaubender Spontaneität auf die Sopranistin Sarah Maria Sun. Ihre Begleitung ist ungleich mitteilungsfähiger als die Zuspielungen über Lautsprecher, die Schnebel und die Sängerin selbst produziert haben und die mit einem ständigen Stimmengewirr eine Art verbalen Hintergrundrauschens beisteuert.
Eine Königsidee war es, Schnebels in der Originalsprache gehaltenem Stück eine deutsche Lesung voranzustellen, weil damit gleich zwei Verkörperungen dieser schillernden Molly Bloom vergleichbar werden. Dorothee Hartinger vom Wiener Burgtheater schafft es, im Sitzen lesend, der Figur pralles Leben einzuhauchen, mit lustvoll quäkender Stimme und einem unendlichen Repertoire von abschätzigen, zickigen, dann wieder zärtlichen Gesten und Gesichtern.
Sarah Maria Suns Gesang in "Yes I Will Yes" - eine Schau, die Ihresgleichen sucht
Sarah Maria Sun hat in "Yes I Will Yes" dazu noch ihren Gesang zur Verfügung. Die Schau, die sie abzieht, sucht Ihresgleichen. Mal genervt, sarkastisch, dann demonstrativ gelangweilt, mit provokant gespreizten Beinen, hängt sie erotischen Erinnerungen nach, stürzt nach einem derwischhaften Tanz auf den Boden und monologisiert im Liegen weiter: all dies mit einem schauspielerischen Reichtum von Zwischentönen, die eines Oscars würdig wären.
Und noch etwas: Eine explizite Masturbationsszene auf der Bühne im Königsbau der Residenz, inklusive Orgasmus, die schonungslos intim und dennoch höchst expressiv ist statt peinlich - das ist doch eigentlich nicht möglich? Doch. Für Sarah Maria Sun schon.
Ein Video der Aufführung in Kürze auf badsk.de. In Kürze erscheint Dieter Schnebels Werk unter dem Titel "Yes I Will Yes" mit Sarah Maria Sun auch auf CD bei hänssler classic
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