Yalda Afsah im Kunstverein: Der Mensch als Störfaktor
München - Mehr Entfremdung von der Natur geht kaum: Man geht als Großstädter in einen Ausstellungsraum und schaut sich gezähmte Tiere auf der Leinwand an. Doch mitunter trifft man da auf packendes Kunst-Kino - wie die Film-Projektionen von Yalda Afsah, die derzeit im Kunstverein zu sehen sind.
Beziehung von Mensch und Tier respektive zwischen Mann und Tier im Fokus
Unter dem Titel "Every word was once an animal" präsentiert die Berliner Film-Künstlerin (geboren 1983) dort vier aktuelle Video-Arbeiten. Darin setzt sie sich mit der Beziehung von Mensch und Tier, beziehungsweise zwischen Mann und Tier auseinander.
Denn alle hier gezeigten Versuche der Domestizierung wie Stierkampf, Taubenzucht und Pferdedressur werden von Männern betrieben. Nur im Publikum finden sich vereinzelt Frauen und Mädchen.
In "Centaur" beobachtet die Kamera Dresseur und Pferd in der Reithalle. Mit erstaunlicher Innigkeit in der Interaktion, aber auch eindeutig definierter Dominanz lässt der Mann sein Pferd rückwärts tänzeln und sich geziert aufbäumen.
Die gekünstelte Bewegung steht dabei im Gegensatz zur imposanten Statur des Rosses. Für einen Augenblick wirken dabei das glänzend gestriegelte Fell des Pferdes und der sorgfältig gezwirbelte Schnurrbart des Mannes wie aus einem Guss.
Das ambivalente Verhältnis zwischen Tier und Mensch liegt im Fokus von Afsahs Münchner Präsentation. Sie hält Momente fest, in denen die Konturen der biologischen Ordnungen verwischen. In der Systematik sind immerhin beide, Mensch und Pferd, höhere Säugetiere. Darauf verweist auch der Titel "Centaur", der ein Mensch-Pferd-Mischwesen benennt.
Wenn Tauben auf Rückwärtsüberschläge im freien Flug trainiert werden
Vom Himmel purzelnde Tauben wiederum sind das Sujet ihres jüngsten Filmes "SSRC", für den sie die "Roller Pigeons Compton" in Kalifornien aufsuchte. Die Männer, die sich dieser faszinierenden Kunst verschrieben haben, trainieren ihre Tauben darauf, Rückwärtsüberschläge im freien Flug zu machen.
Eine betreuungsintensive Freizeitbeschäftigung, die vor allem eine hohe Sensibilität im Umgang mit den Vögeln erfordert. Und die auch eine soziale Funktion hat: Gegründet wurden die "Roller Pigeons" innerhalb der schwarzen Community; die Gemeinschaft der Taubenzüchter ist eine Art gegenkultureller Frei- und Schutzraum.
Yalda Afsah zeigt: Der Mensch ist eben doch die seltsamste Spezies
Was die suggestive Wirkung der Bilder verstärkt, ist der verfremdete Sound von Afsahs Projektionen: Sie sind - abgesehen von den wenigen Erläuterungen der Protagonisten - mit einem abstrakten Wummern und Rauschen unterlegt.
In den Kurzfilmen "Tourneur" und "Vidourle" schließlich dokumentiert die Künstlerin eine hierzulande weniger bekannte Form des Stierkampfes in Südfrankreich, bei dem die überwiegend jugendlichen Zuschauer zu Akteuren werden.
In einem seichten Fluss stehen junge Männer an der Schwelle zum Erwachsensein und verharren eine gefühlte Ewigkeit in Schlamm und Wasser. Ihre schlaksigen Bewegungen entstehen in einer vom Stier diktierten Choreographie zwischen Abwarten und Fliehen, Langeweile und Gefahr. Der Wechsel zwischen zur Schau getragenem Wagemut und instinktivem Fluchtreflex wirkt ebenso einfältig wie komisch. Yalda Afsah zeigt: Der Mensch ist eben doch die seltsamste Spezies.
Kunstverein (Galeriestraße 4), Di - So 12 bis 18 Uhr.