Kritik

Wanda im Zenith: Viel Amore trotz Bandscheibenvorfall

Am Dienstagabend trat die Wiener Band Wanda im Zenith auf. Die AZ war vor Ort und hat sich das Konzert angeschaut.
Moses Wolff |
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Wanda spielten am Dienstagabend im Zenith – Frontmann Marco Michael Wanda mit Bandscheibenvorfall.
Wanda spielten am Dienstagabend im Zenith – Frontmann Marco Michael Wanda mit Bandscheibenvorfall. © Jens Niering

München - Die Stadt München hat sich gut auf den Besuch der Wiener Stimmungsband vorbereitet. Während als kleiner Willkommensgruß die österreichischen Nationalfarben Rotweißrot in Form charmanter Absperrplanken durch heftige Böen auf den Asphalt der bauarbeiterfreien Münchner Baustellen im gesamten Stadtgebiet sausen, wehen Wanda dem Publikum "den Oasch weg".

Den Bandscheibenvorfall, der Marco Michael Wanda vor wenigen Tagen zur Absage des Konzertes in Ravensburg zwang, merkt man ihm nicht an. Er groovt und swingt über die Bühne des gesteckt vollen Zenith, dass es eine wahre Freude ist, nachdem er noch vor wenigen Tagen in sozialen Netzwerken verkündete: "Mein Körper sagt Ende Gelände." Aber er ließ durchsickern, dass er in guten ärztlichen Händen sei und im Notfall mit etwas Morphium nachhelfen werde, in München auftreten zu können.

Wanda-Fans schreien sich in Liebestrance

Der Abend wird eingestimmt mit der deftigen Punkrockband "Leftovers", die kurz und knackig aufspielen darf, danach folgt eine recht lange Umbaupause, die der Stimmung keinen Abbruch tut, da sich die Fans sicherheitshalber vor dem Auftritt der Band in eine Art Liebestrance schreien. Dann geht’s los mit einer quickfidelen Band und dem Verteilen von Rosen ins Publikum, das in jeder Altersklasse und aus allen denkbaren Gesellschaftsschichten besteht und wie die Musiker selbst großen Bock auf Party hat. Die Sicherheitsmitarbeiter der Halle sorgen mit rotweißroten Plastikbändern für etwas Luft in der brodelnden Menge, während die Band mit einer gerauchten Zigarette am Bühnenrand oder einem Gläschen Wein zwischendurch für die berühmte Wiener Gelassenheit sorgt.

Beim ersten Song "Rocking in Wien" ruft Marco vergnügt: "Wer jetzt nicht springt, ist völlig wahnsinnig!" Es wird weniger gesprungen als getobt. Ekstatisch. Würdevoll. Verzückt. Diese Atmosphäre wird aufgegriffen, indem gleich im Anschluss der Megahit "Bussi Baby" ertönt. Völlige Euphorie im Zuschauerbereich. Gerade im ersten Teil werden auffällig viele alte Nummern gespielt, dazu das hohe Level an guter Laune der Bandmitglieder, ein Konzept, das in München schon immer funktioniert hat, was sich an Beispielen wie Lila Sterila, United Balls oder der Spider Murphy Gang beweisen lässt.

Nicht einmal der grauenhafte Zenith-Sound trübt die Gemüter

Da trübt nicht mal der klassisch grauenhafte Zenith-Sound die Gemüter. Dennoch fragt man sich, wie dieser Veranstaltungsort jahrzehntelang damit durchkommt, mit ein paar kümmerlichen Boxen, denen man ansieht, dass sie ganz bestimmt nicht dafür geeignet sind, mehrere tausend Fans zu beschallen und große Konzertdeals an Land zu ziehen. In jedem Winkel der Halle klingen sowohl Lieder als auch Textbeiträge so, als würde jemand mit einer 1980er-Kompaktanlage eine Schul-Aula beschallen.

Marco Wanda trägt trotz hitziger Temperaturen seine geliebte Lederjacke, die er einst für fünf Euro in Berlin auf einem Bazar bei einem türkischen Händler erstand. Im Lauf des Abends tut er immer wieder kund, dass das Morphium nun so richtig wirke und ruft auffallend oft jenes Wort, das ausschließlich von Menschen verwendet wird, die nicht in München wohnen: "Minga." Generell wird auf der Bühne sehr leger gesprochen, eine Art niveauvoller Gossenjargon wie bei der Aufforderung zum Skandieren zum Gassenhauer AMORE, als der Frontmann betont: "Da geht so vü facking mehr!"

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Rosige und glückliche Gesichter entschwinden in die Münchner Nacht

Wanda haben sich nach der 2004 verstorbenen Wiener Prostituierten Wanda Kuchwalek benannt, die als "Wilde Wanda" und Österreichs einzige Zuhälterin in die Lokalgeschichte einging. Wenn ein Gast mal nicht höflich genug war, setzte es Ohrfeigen. Sie saß oft im Knast und heiratete dort einen Mitgefangenen, von Beruf Dachdecker, um vorzeitig entlassen zu werden. Dieser Ehemann, den sie für seine Gefälligkeit gut bezahlte, reichte Wanda gerade mal bis ans Brustbein. Einen Hochzeitskuss gab es nicht, weil Wanda nur auf Frauen stand.

Das Publikum allerdings schmust ungehemmt herum, und das nicht nur bei den Balladen. Geschmeidig wird sich durch den Abend geturtelt, Becher werden gefüllt und geleert, der T-Shirt-Stand macht einen beachtlichen Umsatz und die Gesichter auf dem Nachhauseweg sind rosig und glücklich. Draußen auf den Straßen kullern behaglich die rotweißroten Absperrplanken herum und weisen den Menschen den Weg in die Münchner Nacht.

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