Valery Gergiev: "Der Dialog darf nicht abreißen, niemals!"

Beruhigung im Fall Gergiev: Kulturreferent Hans-Georg Küppers betont das Recht auf Meinungsfreiheit, der desigierte Chefdirigent der Münchner Philharmoniker beschwört die brückenbauende Funktion der Musik.
von  Robert Braunmüller

Am Donnerstag und Freitag setzt Valery Gergiev seinen Strawinsky-Zyklus im Gasteig fort. Und da drängte sich die Frage auf: Wird bei dieser Gelegenheit die im März vom Philharmonischen Rat beschlossene „Sensibilisierung“ des designierten Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker erfolgen, dessen Unterstützung von Putins Ukraine-Politik für einige Unruhe gesorgt hat?

Es hat bereits stattgefunden, teilen die Philharmoniker mit. Kulturreferent Hans-Georg Küppers und der Philharmoniker-Intendant Paul Müller haben am  17. Mai in Linz mit Gergiev gesprochen. Der  Austausch war in der  Sitzung des Philharmonischen Rates am 27. März  mit dem Ziel vereinbart worden, Gergiev über die  aktuelle Diskussion über seine  politischen Ansichten darzustellen und ihn über die daraus resultierende heikle Situation des Orchesters zu informieren.

Zweideutige Äußerungen

Nach zweideutigen Aussagen Gergievs zur Diskriminierung Homosexueller in Russland kam es im vergangenen Dezember zu einer Demonstration vor dem Gasteig. Auch vor der New Yorker Carnegie Hall gab es Proteste, als der Dirigent kurzfristig für den erkrankten Lorin Maazel einsprang und das Gastspiel der Philharmoniker rettete.

Laut Mitteilung der Philharmoniker stellte Küppers bei diesem Gespräch die Bedeutung der Meinungsfreiheit heraus, die jedem Menschen in Deutschland durch das Grundgesetz garantiert sei. Gleichzeitig verwies er auf die exponierte Position Gergievs als zukünftigem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker. Weitere Themen des Gesprächs waren der Umgang mit der  politischen Situation in der Ukraine und in Russland sowie eine Ideensammlung für nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten mit der schwul-lesbischen Community in München.

Brief an die Abonnenten

Gergiev wird sich außerdem an die Abonnenten der Philharmoniker wenden. „Ich bin Musiker und Dirigent“, heißt es in dem persönlich gehaltenen Brief. „Ich bin aber auch Russe und meinem Heimatland eng verbunden“. Gergiev verweist auf die europäische und deutsche Prägung des russischen Musiklebens seit dem Komponisten Michail Glinka. „Doch ich kann andererseits auch nicht außer Acht lassen, dass die russische Gesellschaft teilweise nach anderen fundamentalen Prinzipien lebt, als das in westlichen Gesellschaften der Fall ist.“

Seine persönliche Haltung sei von „Respekt gegenüber dem Anderen“ geprägt, schreibt Gergiev. Er achte sein Volk und seine Traditionen. „Dazu gehört auch das Festhalten an Tabus, die in westlichen Ländern seit einigen Ländern nicht mehr gelten“.

Am Ende  beschwört Gergiev emphatisch die brückenbauende Funktion der Musik und den gegenseitigen Respekt. „Der Dialog darf nicht abreißen, niemals! Der Austausch der Gedanken muss möglich bleiben.“

Wenn man jedes Wort dieses Briefs auf die Goldwaage legt, wird man auch das eine oder andere Sandkorn finden. Aber es ist ein Neuanfang. Ein positiver.

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