Valery Gergiev bleibt bis 2025
Die große Überraschung ist es nicht: Gestern verlängerte der Stadtrat im nichtöffentlichen Teil der Vollversammlung den in zwei Jahren auslaufenden Vertrag ihres teuersten Angestellten. Valery Gergiev bleibt fünf weitere Jahre – bis zum Ende der Saison 2024/2025 – Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.
Die Mehrheit war groß, aber nicht einhellig: Die gemeinsame Fraktion der Grünen und der Rosa Liste stimmte dagegen, ein Stadtratsmitglied der Linken ebenfalls.
Beides ist richtig – die Verlängerung wie die Bedenken dagegen. Es wäre ein Hasard-Spiel, mit dem sanierungsbedingten Auszug aus dem Gasteig auch noch den Chef zu wechseln. Gergievs nicht verlängerter Vertrag war in den vergangenen Monaten ein wirksames Druckmittel, um gute Bedingungen auszuhandeln. Nur ein Dirigent mit international bekanntem Namen ist in der Lage, einem Oberbürgermeister auf Augenhöhe zu begegnen.
Das Tonhalle-Orchester Zürich wechselt allerdings in einer ähnlichen Situation den Chefdirigenten. Lionel Bringuier eröffnete im vergangenen Herbst die Interims-Tonhalle in einer ehemaligen Zahnradfabrik, Paavo Järvi wagt dort 2019 den Neuaufbruch, bevor das Orchester wieder in sein Stammhaus zurückgeht.
Schwung für die Interimsphase
Die Münchner Philharmoniker versprechen sich von Gergiev viel Schwung im Interimsbau auf dem Gelände der Stadtwerke gegenüber dem Heizkraftwerk Süd. Die Musiker und der Intendant Paul Müller sprechen mit leuchtenden Augen von den Visionen des Dirigenten, ohne Details zu nennen. Und so bleibt das ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft: Als großer Kommunikator im Stil von Simon Rattle ist der 64-jährige Dirigent nicht aufgefallen.
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Dafür gibt es immer wieder politische Dissonanzen wegen Gergievs Nähe zum russischen Präsidenten Vladimir Putin. 2008 dirigierte er ein Siegeskonzert in der international nicht anerkannten Republik Südossetien. Seine Vertragsunterzeichnung in München wurde von widersprüchlichen Aussagen zur Diskriminierung Homosexueller in Russland begleitet. Gergiev unterstützt die Annexion der Krim und den Einsatz der russischen Armee in Syrien. Er dirigierte in Palmyra und besichtigte kürzlich mit seinem Präsidenten Beutestücke und Waffen, die auch gegen die syrische Zivilbevölkerung eingesetzt werden.
Das bewog die Grünen zu ihrem Nein. Allerdings gehören das deutsch-russische Verhältnis und Syrien zu den Themen, bei denen auch lupenreinere Demokraten als Putin unterschiedlicher Meinungen sind. Und mit einem Wagner-Zitat aus den „Meistersingern“ ließe sich auch sagen: „Hier gilt’s der Kunst“ jenseits politischer Meiungsverschiedenheiten.
Karten gibt es immer
Mit der Kunst schaut es allerdings vergleichsweise mager aus. Die Philharmoniker loben Gergievs Arbeit am Klang. Aber nicht nur ein Musiker kritisiert seine unklare Zeichengebung. Das stärkt, immerhin, die Eigenverantwortung der Musiker. Aber sind Gergiev die Philharmoniker wirklich wichtig? Denkt er nicht vor allem an seine, zuletzt international stagnierende Karriere?
Viele Konzerte im Gasteig sind Generalproben für den folgenden Abend oder prestigeträchtige Gastspiele. Der Beifall ist endenwollend, Karten sind immer zu haben. Ein Hype wie um Kirill Petrenko in der Staatsoper oder eine gewachsene Herzlichkeit wie bei Mariss Jansons und dem BR-Symphonieorchester ist bei den Philharmonikern nicht entstanden. Und das verhält sich wie in der Liebe: Wenn das Hochgefühl nicht am Anfang da ist, stellt es sich auch später nicht mehr ein,
Die Verlängerung des Vertrags gibt den Philharmonikern Sicherheit für die Zeit des Gasteig-Umbaus. Hoffentlich machen alle Beteiligten das Beste daraus. Aber das ist auch schon alles. Und ein bisschen wenig.