The Cure in der Olympiahalle: Eine Andacht mit Pater Bob
München - Welches Selbstverständnis die Band The Cure speist, ist an diesem Abend mit einer einzigen Szene erklärt: Gerade ist der letzte Akkord der umjubelt betanzten dritten Zugabe verklungen, da lassen vier Herren ihre Instrumente sinken und schleichen sich grußlos von der Bühne. Dort bleibt nur einer zurück: Robert Smith. Er lässt sich ausgiebig feiern.
Das ist in Ordnung.
Smith, inzwischen 57 Jahre alt, ist seit 40 Jahren die alleinige Triebfeder von The Cure: Mastermind, Songwriter, Gitarrist, Flötist sogar – und natürlich Sänger.
Es gibt keine Chöre in seinen Songs, auf der Bühne in der nahezu ausverkauften Olympiahalle steht kein zweites Mikrofon außer seinem. Aber das ist auch genug. Ihm. Der Band. Dem Publikum sowieso.
Smiths Haare mögen früher wirrer und voller gewesen sein, der Lippenstift greller und verschmierter – doch von der Gabe, Menschen zu begeistern, ohne dabei selbst begeistert zu wirken, hat er nichts eingebüßt. Seine Stimme ist von derselben jungenhaften, schaurig-schönen Intensität wie vor Jahrzehnten (oder wie vor acht Jahren, als The Cure das letzte Mal auf Tournee waren).
So gerät das Konzert gleichsam zu einer Andacht mit Smith als glockenhell singendem Hirten, der alles lenkt und die Liturgie vorgibt.
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Er beherrscht das mit der Unaufgeregtheit eines Pfarrers kurz vor dem Ruhestand. Smith singt nur lauter (und besser), weshalb die Gemeinde ergriffen an seinen Lippen hängt und – zunächst überwiegend bewegungsarm – folgt, ganz bei ihm, bei Pater Bob.
Smith holt die Seinen früh zu sich und gibt ihnen, was sie erhoffen: The Cure klassisch. Einerseits. Andererseits sind die Lieder gediegen frisch interpretiert, und die Setlist ist nach den bisherigen Deutschland-Konzerten in Hamburg und Berlin frisch durchgeschüttelt.
Beginnend mit einer Doppel-Einheit vom „Disintegration“-Album (das viele Kenner ohnehin für das stärkste halten) – „Pictures Of You“ als zweiter Song, gefolgt von „Closedown“ – nach einer halben Stunde „The Walk“, so geht es seinen Gang. Ihre poppigen Hits wie „In Between Days“ oder „Just Like Heaven“ streuen The Cure wie im Vorübergehen ein, sie haben ja genügend davon. Und Freude daran, ein 35 Jahre altes Stück wie „Other Voices“ in der Olympiahalle auszulegen wie einen Klangteppich (der etwas hochfloriger hätte sein können, aber die Akustik in der Olympiahalle – ohnehin verbessert – hat eben natürliche Grenzen).
Zum Schluss sogar ein bisschen Glam Rock
Smith schiebt „Charlotte Sometimes“ nach, noch so ein kathedraler Post-Punk-Klassiker – und sorgt dann in ausgedehnten Zugaben dafür, dass: a) niemand zu wenig Konzert fürs Geld bekommt und
b) doch noch jeder tanzt.
„A Forest“, „Lullaby“, „Friday I’m In Love“ und „Boys Don’t Cry“ liefert er noch so nah an der Studioversion, dass die textsichere (und sehr erwachsene) Cure-Gemeinde mitsingen kann. Das finale „Why Can’t I Be You“ verpackt er in eine verblüffende Glam-Rock-Version, die einem Tom Jones zur Ehre gereicht hätte. Noch so ein Alleinunterhalter, wie es Robert Smith einer ist.
Aber auch The Cure sind letztlich eine One-Man-Show. Eine gute.
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