Interview

Solo-Harfenistin Magdalena Hoffmann: Flügel der Seele

Die Harfenistin Magdalena Hoffmann über ihr Instrument, ihre Solo-CD und das Spielen im Orchester.
Dorothea Walchshäusl |
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Magdalena Hoffmann, die Solo-Harfenistin des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.
Magdalena Hoffmann, die Solo-Harfenistin des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. © Astrid Ackermann

AZ-Interview mit Magdalena Hoffmann: Sie ist Anfang 30 und seit 2018 Solo-Harfenistin beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Parallel dazu verfolgt sie ihre Solokarriere und hat ihr Debütalbum "Nightscapes" bei der Deutschen Grammophon herausgebracht. Ein Gespräch über das Gewicht der Harfe, den Klang der Engel und die surreale Komik der Nacht.

Magdalena Hoffmann über die Harfe: Der Ton entsteht direkt mit dem eigenen Körper

AZ: Frau Hoffmann, wie kamen Sie als Kind mit gerade mal sechs Jahren ausgerechnet zur Harfe?
MAGDALENA HOFFMANN: Das hatte erstmal ganz oberflächliche und visuelle Gründe. Ich habe mit vier, fünf Jahren eine Harfe gesehen und gesagt, Mama ich will das spielen. Dann musste ich erstmal länger insistieren, denn Harfe ist ja jetzt nicht das Erste, woran man denkt bei einem kleinen Kind. Wir hatten auch ein Klavier zuhause und meine Eltern dachten, ich könnte erstmal hier ein paar Akkorde lernen. Aber das war nie mein Instrument - daran hat sich bis heute nichts geändert.

Obwohl es Parallelen gibt.
Ja, durchaus. Aber bei mir ist das etwas instinktiv Haptisches. Ich hatte schon immer den Wunsch, etwas selber angreifen zu können und mit den Fingern auf den Saiten den Klang rauszuholen. Ich mag es, Dinge zu fühlen. Beim Klavier ist immer dieser Apparat zwischen der Saite und mir, das ist wie eine Maschine, ich drücke eine Taste, dann kommt ein Hammer und macht peng und dann kommt erst der Ton. Bei der Harfe ist man dagegen total nah dran. Man lässt den Ton ganz direkt mit dem eigenen Körper entstehen.

"Die Engel auf der Wolke sind ein Klischee"

Mit der Harfe gehen ja viele Assoziationen einher - sie gilt als Instrument der Engel, der Dichter und der himmlischen Klänge. Was ist die Harfe für Sie?
Also erstmal ist die Harfe wirklich ziemlich schwer. Der Erdungsfaktor ist enorm und wenn man dieses 40-Kilo-Teil immer wieder Treppen hoch und runter und rein und raus schleppen muss, ist man sich der Wirkung der Schwerkraft sehr bewusst. Auch wenn man sitzt und das Instrument mit den Knien hält, hat man die ganze Zeit dieses Gewicht am Körper. Die Engel auf der Wolke sind also ein Klischee - wie soll die Harfe da schließlich hochkommen? Natürlich hat die Harfe diese himmlischen Farben. Doch wenn man sich darauf beschränkt, wird das schnell langweilig oder kitschig. Fünf Minuten lang ist das schön, aber dann schläft man ein und träumt von Wolke sieben.

Was reizt Sie stattdessen?
Ich finde die anderen Qualitäten der Harfe viel spannender, gerade auch im Orchester. Das Glitzrige ist natürlich schön, aber das Tiefe, Erdige interessiert mich noch mehr. Ich mag Harfen, die diese Tiefe haben, einen enormen Bass, der auch richtig spürbar ist. Der Klang geht physisch in Wellen durch einen hindurch. Das ist toll, ein runder, wabernder Sound.

Magdalena Hoffmann: "Das Orchester ist eine unglaublich bereichernde Welt" 

Heute sind Sie Solo-Harfenistin beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. War das Orchester schon immer Ihr Ziel?
Ja, ich wollte von Anfang an gerne ins Orchester. Natürlich will man auch gerne solistisch auftreten, das gibt die Harfe ja auch her. Aber finanziell ist das utopisch. Deshalb habe ich schon früh Probespiele gemacht und versucht, mich an diese stressige Situation zu gewöhnen. Aber diese Stelle, die ich jetzt habe, habe ich mir nie erträumen lassen. Das ist fantastisch, ein Riesengeschenk.

Wie erleben Sie das Musizieren mitten im Tutti des Orchesters?
Das Orchester ist eine unglaublich bereichernde Welt, da kann man ewig weiterlernen. Dieses Gefühl, mit den Kontrabässen auf der einen und mir auf der anderen Seite einen Ton im exakt gleichen Moment zu spielen - das ist fast instinktiv, ein unglaubliches Vertrauen, ein Wahnsinnsgefühl. Als Harfe sind wir zudem oft das einzige Harmonieinstrument im Orchester und verbinden die anderen Stimmen wie ein dicker Kleber miteinander. Das ist eine tolle Rolle und Herausforderung.

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"Die Harfe kann ja ein sehr intimes und poetisches Instrument sein" 

Parallel dazu fordern Sie sich auch solistisch heraus. Gerade ist Ihr Album "Nightscapes" erschienen mit Originalwerken und Arrangements, die mit den Themen der Nacht und des Tanzes spielen. Wie kam es zu dieser Auswahl?
Der Ausgangspunkt war das Nocturne in fis-Moll von Chopin. Da gibt es am Ende eine Stelle mit Glissando, die schon auf dem so Klavier klingt, als wäre sie für Harfe geschrieben. Das wollte ich unbedingt spielen, außerdem einige Chopin-Walzer. Von Chopin ausgehend habe ich die Kombination von Nacht und Tanz weitergedacht. Die Harfe kann ja ein sehr intimes und poetisches Instrument sein - das passt zu dieser dunkeln Tageszeit. Es sind dann ganz verschiedene Stücke hinzugekommen. Ein wirklich rührendes Notturno von Clara Schumann, wunderschöne Nocturnes von John Fields, aber auch ganz andere Facetten. In "La Danse du Moujik" von Marcel Tournier erlebt man zum Beispiel einen betrunken russischen Bauern, dann gibt es den "Tanz der Elfen" von Henriette Renié. Und natürlich Brittens Harfensuite und die Fantasie über Hoffmanns Erzählungen von Damase mit der Barcarole in der Mitte. Letztlich ist so ein Mosaik der Nacht entstanden, das diese besondere Zeit in ganz verschiedenen Impressionen zum Klingen bringen soll.

Sind Sie selbst ein Nachtmensch?
Oh ja, ich liebe die Nacht. Für mich öffnen sich in der Nacht Tore, die sonst nur schwer aufgehen. Ich träume sehr viel, manchmal schlimme, manchmal auch wunderschöne Dinge. Diese fantastischen, oft auch absurden Momente, die ja sowieso immer Teil des Lebens sein sollten, finde ich total faszinierend und manchmal auch sehr lustig. Nachts muss man sich nicht so viel Mühe geben. Wenn man schläft, geht es wer weiß wohin, da fliegt die Fantasie und spannt die Seele wirklich ihre Flügel aus. Das finde ich wunderschön.


Magdalena Hoffmann: "Nightscapes". Werke von Ottorino Resphigi, Benjamin Britten, Clara Schumann, Fred Hersh, Fryderyk Chopin u. a. (Deutsche Grammophon)

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