Interview

Santiano-Frontmann Björn Roth im Interview: "In Bayern sind wir Exoten"

Santiano-Sänger Björn Both spricht im AZ-Interview über das Segeln und darüber, wie man es zehn Jahre als Shanty-Rock-Band miteinander aushält.
Philipp Seidel
Philipp Seidel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Santiano (von links): Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen, Pete Sage, Björn Both und Axel Stosberg.
Santiano (von links): Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen, Pete Sage, Björn Both und Axel Stosberg. © Foto: Chris Heidrich

Anfang Oktober erscheint schon das nächste Album: "Doggerland". Vorher, am 19. Juni, spielen die Shanty-Rocker Santiano aus Schleswig-Holstein noch auf dem Tollwood-Festival. Gefeiert wird – mit einem Jahr Verspätung – das zehnjährige Bestehen der Band, die sehr erfolgreich Seefahrerromantik, Abenteuerlust und Kameradschaftsideale in Musik umsetzt.

Santiano-Frontmann Both über Seenot, Nerven aus Stahl und Spendenaktionen

AZ: Herr Both, unlängst ging ein Video durchs Internet: Das Schiff von Santiano-Geiger Pete Sage ist in der Ostsee untergegangen. Er und seine Frau konnten sich im Schlauchboot retten. Waren Sie schon mal in Seenot?
BJÖRN BOTH: Nein, ich bin noch nicht in Seenot gewesen und möchte das auch nicht. Aber man merkt an solchen Situationen, wie schnell das kommt. Man ist als Segler, wenn man einigermaßen gute Seemannschaft walten lässt, schon immer sehr auf Sicherheit bedacht. Wenn es dann aber doch passiert, geht es sehr schnell, und man muss den Punkt erkennen, vom Boot zu kommen und nicht mehr irgendwelche komischen Sachen zu versuchen. Das war schon ein beeindruckendes Erlebnis für ihn und seine Frau.

Aber beide sind wohlauf?
Die sind beide wohlauf.

Es war eigenartig, den Untergang sehen zu können, weil die beiden ihn selbst gefilmt haben.
Da sieht man mal, was für Drahtseilnerven der Mann hat. Der sieht nicht bloß so aus.

Da schließt sich eine Frage an: War Santiano eigentlich schon mal Botschafter bei den Seenotrettern?
Wir sollen, glaube ich, nächstes Jahr die Botschafter werden. Wir unterstützen die Seenotretter aber schon, seit es uns gibt. Unter anderem nehmen wir die Spendenschiffchen immer mit auf Tour. Vor einigen Wochen hatten wir die Spendenübergabe, da haben wir noch gescherzt, wir wünschen uns nicht, dass wir so bald Hilfe von ihnen brauchen. Man soll keine Witze darüber machen.

Santiano singt nicht nur übers Segeln

Santiano singen vom Segeln um die Welt. Wie weit reichen Ihre eigenen Ambitionen: Atlantiküberquerung? Oder eher Ostsee-Schippern?
Ich bin zwar nicht über den Atlantik gesegelt, weil ich wegen Santiano keine Zeit hatte. Aber ich bin schon vor Westafrika gesegelt. Das Heimatrevier ist natürlich die Ostsee. Ich segle eher klassische Holzjachten, und die Ostsee ist ein megagutes Revier, was das Klima angeht. Ansonsten bin ich gerne überall unterwegs: Hauptsache Boot, Wasser, Segel. Es muss schon per Segel sein.

Sie leben die Seefahrt also wirklich und singen nicht nur davon.
Ganz wichtig dabei aber: Wir werden nicht fachlich. Bei uns bläst der Wind ins Segel. Wir können nicht anfangen, von Trimmen oder sonstigen Begriffen zu singen. Es muss für alle verständlich sein.

Sie feiern jetzt zehn Jahre Santiano - mit einem Jahr Verspätung, das erste Album "Bis ans Ende der Welt" erschien 2012.
Durch Corona sind alle ins Stolpern gekommen. Eigentlich wäre das letztes Jahr dran gewesen, aber da kam erst mal das Album "Wenn die Kälte kommt" raus. Die Unplugged-Tour haben wir ganz unter den Tisch fallen lassen.

Santiano-Tour: Best-of anstatt Unplugged

Werden Sie die Unplugged-Tour, bei der auch viele Gaststars mitwirken sollten, nachholen?
Bei der Unplugged-Tour hängt noch sehr viel mehr als die Band dran. Das geht personalmäßig richtig rund, denn da haben wir ein Orchester dabei. Und die Leute alle zusammen zu kriegen, das muss man lange planen. Das sehe ich gerade nicht.

Zum Zehnjährigen kommt nun also eine Best-of-Tour?
So ist das! Wir feiern uns durch die Dekade, durch alle Alben, alle Phasen, die wir so hatten, und erzählen ein bisschen was dazu. Ansonsten wird das so ein Gute-Laune-Bomber, diesmal gar nicht mit den großen Botschaften im Gepäck. Das ist in erster Linie: Treffen, Jubiläum feiern, freuen, dass wir uns seit zehn Jahren haben und dass es überhaupt soweit gegangen ist.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Im Juni spielen Santiano auf dem Tollwood-Festival. Sie haben mal gesagt, dass die Lieder auch da gut ankommen, wo es keine Meere gibt.
Auf eine andere Art und Weise, weil da der Sehnsuchtsfaktor noch viel größer ist. Hier im Norden haben die Leute das Gefühl, wir geben ihnen eine Stimme. Und woanders, in Bayern, sind wir halt die Exoten.

Es geht nicht immer basisdemokratisch bei Santiano zu

Brauchen Sie nach zehn Jahren des Zusammenseins eigentlich mal eine Gruppentherapie? Gibt es Spannungen?
Spannungen gibt es immer mal, das hat mit der Zeit gar nichts zu tun. Das ist eine Band, in der sehr starke, freie Geister darum ringen, das Bestmögliche für die Sache zu erreichen. Natürlich gibt es immer mal Meinungsverschiedenheiten, für die man dann eine Lösung finden muss. Man denkt immer, eine Band, das sind alles demokratische Prozesse. Wenn wir ausschließlich demokratisch arbeiten würden, kämen wir überhaupt nicht vom Fleck. Am Ende sehen wir immer: Es geht um die Sache. Alles andere ist auch verdammte Zeitverschwendung.

Sie konnten ja auch vor Santiano schon üben.
Wir haben alle genug Bands gehabt in unserem Leben, das ist mal so, mal so gelaufen. Man lernt viel dabei. Auch, was man sich sparen muss. Es geht bei uns ja nicht mehr um die Frage: Wie überzeugen wir eine Plattenfirma? Es geht bei uns darum: Wie kriegen wir das bedient, was wir ausgelöst haben? Und zwar so, dass sich niemand betrogen fühlt und wir noch Spaß an der Sache haben.

Sie haben schon auf allen großen Bühnen der Republik gespielt ...
Das sind unsere Stammkneipen mittlerweile ...

Björn Roth: Bei dem bleiben, was funktioniert

Sie können ins Studio gehen, auf Tour, segeln - Santiano ist angekommen, oder?
Das hört sich jetzt nach einer ausbalancierten Geschichte an. Im Optimalfall ist das auch so. Wenn wir das mit den Tourneen gut planen und Rücksicht aufeinander nehmen, dann kann jeder machen, was er will, und nebenbei noch diese Band machen.

Sie sind wirklich noch in Ihrem ersten Studio in Flensburg?
Ja, in den größten Teilen unserer Konglomerate, die wir so miteinander haben - ob das Technikfirmen sind, ob das unsere Produzenten sind - sind das alles langjährige Freunde, die sehen wir auch als Teil dieses Projektes. Wir haben am Ende die Nummer auch zusammen ausgeheckt. Die Arbeit ist nach wie vor fruchtbar, wir verstehen uns nach wie vor gut. Auch da gibt es mal Knirsch, aber wenn bei den wichtigen Dingern nicht ab und zu mal was knirschen würde, wäre ich misstrauisch.

Was ist das Geheimnis der langen Zusammenarbeit?
Man darf nicht nachtragend sein, man muss das Ding ausfighten und immer das gute Ergebnis im Kopf haben. Und wir müssen uns von Zeit zu Zeit versichern, ob wir uns noch lieben. Das alles muss unter einer Glocke stattfinden, in der man nicht Angst haben muss, dass der andere gleich geht. In diesem Vertrauen kann man sich gut die Wahrheit sagen. In einer Band muss das funktionieren wie in einer Beziehung. So machen wir mit unseren Partnern seit elf Jahren gute Arbeit. Das lassen wir, wie es ist. Im Großen und Ganzen ist das immer noch dieselbe Crew. Die haben ja damals auch schön in uns vertraut. Jetzt soll sich das auch auszahlen.

Lesen Sie auch

Gibt es eigentlich ein Band-Schiff, wie andere ihr Band-Flugzeug haben?
Am Anfang hatten wir die Fantasie. Aber ein Schiff, das auch nur annähernd den Namen Santiano spiegelt, ist ja unbezahlbar. Selbst wenn man es kleiner denkt, ist es immer noch Wahnsinn. Ich weiß, was es kostet, ein Schiff überhaupt nur da liegen zu haben. Und da bist du noch nicht mal damit gefahren. Das haben wir uns aus dem Kopf geschlagen. Dann spenden wir lieber für gute Sachen, statt jedes Jahr 100.000 oder 150.000 Euro in so ein Schiff reinzuballern. Aber es gibt diesen romantischen Gedanken, immer mal wieder. Wir haben kleinere Boote - Pete jetzt kurz mal nicht -, mit denen wir unser Glück machen. Und ich restauriere gerade in der Flüchtlingshilfe ein altes Holzboot, solche Geschichten machen wir auch, um den Kontakt zur maritimen Welt zu halten.

Santiano spielen am 19. Juni, 19.30 Uhr, in der Tollwood-Musik-Arena, Karten (64,90 Euro) unter muenchenticket.de


Die Stars in der Musik-Arena

Das Tollwood-Programm beginnt mit SDP (16.6), es folgen, Adel Tawil (17.6), Provinz (18.06), Santiano (19.6.), Placebo (20.6.), Ayliva (21.6), Porcupine Tree (22.6), Tom Jones (23.6), LaBrassBanda| (24.6) Die Fantastischen Vier (25.6., ausverkauft), Jan Delay (26.6.), Jacob Collier (27.6.), Nico Santos (28.6) The Lumineers (29.6.), Sportfreunde Stiller (30.6., ausverkauft), Metfest (1.7.), Bonnie Tyler & Chris Norman (2.7.) Danger Dan (3.7.), Konstantin Wecker & die Bayerische Philharmonie (4.7.), Meute (5.7.), Spider Murphy Gang und Münchener Freiheit (6.7., ausverkauft), Silbermond (7. 7.), Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys (8.7./9.7. beide Abende ausverkauft), Beth Hart (10.7.), Die Fantastischen Vier (11.7), Pizzera & Jaus (12.7.), Joe Bonamassa (13.7.), Fury in the Slaughterhouse (14.7), Ska P (15.7.) Schmidbauer & Kälberer mit Hannes Ringlstetter (16.7., ausverkauft)

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.