Salzburger Festspielchef: "Keine Haltung" - Breitseite für Reiter nach Gergiev-Rausschmiss

Höriger Putinfreund oder nur Angst ums eigene Leben? Der Chef der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, hat in einem Interview Münchens OB Dieter Reiter für den Rauswurf des russischen Dirigenten Valery Gergiev kritisiert.
Robert Braunmüller
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Valery Gergiev (rechts) mit Vladimir Putin und dem russischen Verteidigungsminister Sergei Shoigu bei der Besichtigung von Beutestücken aus Syrien im Kommando- und Kontrollzentrum des russischen Verteidigungsministeriums (2018).
Valery Gergiev (rechts) mit Vladimir Putin und dem russischen Verteidigungsminister Sergei Shoigu bei der Besichtigung von Beutestücken aus Syrien im Kommando- und Kontrollzentrum des russischen Verteidigungsministeriums (2018). © imago images/Mikhail Klimentyev

Wien/München - Russische Künstlerinnen und Künstler sollten aus Sicht des Salzburger Festspielintendanten Markus Hinterhäuser im Westen unterstützt statt geächtet werden.

Es sei zwar legitim, dass Kulturinstitutionen prüften, wie prominente russische Künstler zur russischen Invasion in die Ukraine stünden, sagte Hinterhäuser dem ORF.

Der Dirigent Valery Gergiev mit Oberbürgermeister Dieter Reiter 2018 bei der Verlängerung des Vertrags im Rathaus.
Der Dirigent Valery Gergiev mit Oberbürgermeister Dieter Reiter 2018 bei der Verlängerung des Vertrags im Rathaus. © Michael Nagy

Wegen der politischen Repression in Russland sei es aber falsch, allen Menschen mit russischem Pass Stellungnahmen abzuverlangen, die sie kaum geben könnten. "Das hat nichts mit einer Art von Putin-Hörigkeit zu tun. Das kann auch die nackte Überlebensangst sein", sagte Hinterhäuser.

Hinterhäuser über Reiter: "Er hat überhaupt keine Haltung bewiesen"

Das Engagement russischer Künstler unterstütze die Zivilgesellschaft in Russland. Der Intendant der Salzburger Festspiele kritisierte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und die Absetzung von Valeri Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.

Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele. (Archivbild)
Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele. (Archivbild) © imago images/Manfred Siebinger

Reiter habe um Gergievs Nähe zu Putin gewusst; trotzdem sei der Vertrag des Maestro vor einigen Jahren verlängert worden. "Er hat überhaupt keine Haltung bewiesen", sagte er über Reiter.

Gergiev tritt seit Jahren regelmäßig in Salzburg auf

Beim Thema Gergiev sollte Hinterhäuser besser den Ball flach halten. Hinterhäuser engagierte Gergiev im Sommer 2019 für die Premiere von Verdis Oper "Simon Boccanegra" , obwohl dieser zur gleichen Zeit "Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen leitete: Die Aufführung war – wie nicht schwer vorherzusehen – schlecht geprobt und künstlerisch zweitklassig. Danach ist Gergiev nicht mehr in Salzburg aufgetreten.

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Im Oktober des gleichen Jahres gewannen die Salzburger Festspiele den Mineralölkonzern Gazprom als Projektsponsor für eine geplante Neuinszenierung von Modest Mussorgkys "Boris Godunow" unter der musikalischen Leitung von Mariss Jansons. Der Tod ersparte dem Chefdirigenten des BR-Symphonieorchesters diese – aus heutiger Sicht – peinliche Konstellation.

Salzburg wird auch von Freunden um Dmitry Aksenov unterstützt

Später hätte Tughan Sokhiev die Produktion übernehmen sollen, die wegen Corona schließlich komplett abgesagt werden musste. Salzburg wird auch von russischen Freunden der Festspiele um den Immobilienentwickler und Kunstfreund Dmitry Aksenov unterstützt.

Der fördert auch das Originalklangorchester musicAeterna des Dirigenten Teodor Currentzis, der zuletzt in Salzburg Mozarts "Don Giovanni" herausbrachte. Hauptsponsor seines Orchesters ist VTB, die zweitgrößte russische Bank, die mittlerweile auf Sanktionslisten steht.

Scheinheiligkeit bei Sanktionen gegen sich nicht distanzierende Russen?

Derlei Verflechtungen haben alle aus heutiger Sicht einen mäßig guten Beigeschmack. Die übliche Geheimnistuerei um Summen beim Sponsoring macht die Sache nicht besser. Currentzis' Orchester dürfte die Krise allerdings überstehen: Wie viele Originalklangorchester arbeitet es mit einer flexiblen Besetzung und einem hohen Anteil an freien Musikern.

Bogdan Roscic, der Direktor der Wiener Staatsoper, verteidigte sich vorsichtshalber mit einem Gegenangriff: Er sagte im ORF, dass man nicht die Haltung von Künstlern vor dem Ukraine-Krieg bewerten sollte. Immerhin habe es auch in der heimischen Politik und Wirtschaft viele Kontakte mit Moskau gegeben. "Die gesamte österreichische Elite ist mit Herrn Putin aufgetreten in den vergangenen Jahren", so Roscic.

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  • Chroniker am 10.03.2022 10:43 Uhr / Bewertung:

    Im Zusammenhang mit Gergiev von "Haltung" zu sprechen, finde ich befremdlich. Er, der sich öffentlich zu Putins Gesetz bekannt hat, mit dem Homosexualität gebrandmarkt wird, dirigiert in Bayreuth die (grandiose) "Tannhäuser"-Inszenierung, bei der die Drag Queen die Regenbogenfahne schwenkt. Wo ist da die - wenigstens schlechte - Haltung? Ich bin enttäuscht von Hinterhäuser, den ich ansonsten sehr schätze. Selbstverständlich hat er Recht, wenn er Gesinnungsschnüffelei ablehnt, und ich freue mich prinzipiell auf jede Künstlerin und jeden Künstler in Salzburg, egal aus welchem Land er kommt. Übrigens sollte aber auch die Qualität stimmen, was ja ebenfalls bei Gergiev nicht der Fall war - weder in München noch anderswo.

  • dakaiser am 09.03.2022 16:53 Uhr / Bewertung:

    Man sollte erstmal abwarten, was ein Franz Münchinger dazu zu sagen hat.......

  • TheBMW am 09.03.2022 10:36 Uhr / Bewertung:

    Geschichte wiederholt sich: Vor 80 Jahren haben schon mal Menschen ihre Arbeitsplätze und Wohnungen verloren, weil sie sich nicht "politisch korrekt" geäußert haben und wurden von vielen Mitbürgern angegangen und angeprangert. Damals dachten diese auch, sie tun das richtige. Heute wird auch wieder Leuten gekündigt und sie werden für ihre Meinung gedisst und die linksgrünen "Guten" denken wieder mal, sie tun das richtige... Wir leben hier in einer Demokratie und hier darf keiner gezwungen werden, sich irgendwie äußern zu müssen. Jeder darf denken, was er will und keiner darf deshalb benachteiligt werden oder gar Arbeit/Wohnung verlieren!

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