Ralph Siegel im AZ-Interview zum Einzug mit San Marino ins Finale
Sowohl Russland als auch die Ukraine stehen im Finale des Eurovision Song Contest. Pfiffe und Buhrufe aus dem Publikum begleiteten den Erfolg für die Kandidatinnen aus Russland im ersten Halbfinale des Wettbewerbs am Dienstag in Kopenhagen. Nach der politischen Situation in ihrem Heimatland gefragt, sagte die Ukrainerin Maria Yaremchuk („Tick-Tock“): „Ich stehe nicht allein auf der Bühne. Hinter mir stehen 46 Millionen Ukrainer.“ Ihre Hauptbotschaft sei aber: „Es gibt so viele Dinge, die wichtiger sind als Politik.“ Eurovision sei der beste Weg, Menschen zu vereinen – „durch die Musik“. Die Überraschung des Abends glückte San Marino: Ralph Siegel und Sängerin Valentina Monetta schafften es mit „Maybe“ in die Endrunde. Aram MP3 aus Armenien („Not Alone“) und die Schwedin Sanna Nielsen („Undo“) gelten als Favoriten.
AZ: Herr Siegel, herzlichen Glückwunsch zum Finaleinzug mit San Marino.
RALPH SIEGEL: Danke. Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Emotionen frei wurden. Das ist ja das erste Mal in der Geschichte für San Marino, dass das Land im Finale vertreten ist. Der Fernsehchef von TV San Marino hat mich spontan umarmt und gesagt, dass sei der schönste Tag in seinem Leben: Jetzt sehen uns auch die Italiener! Auch für mich ist das ein unglaubliches Glücksgefühl. Wir sind ja letztes Jahr nur haarscharf am Finale vorbeigeschrammt.
San Marino hat das dritte Jahr in Folge auf Sie und Valentina Monetta gesetzt.
Sie ist eine so begnadete Jazz-Sängerin und ich finde, sie ist in den zwei Jahren zuvor zu Unrecht gescheitert. Das Mädchen, nun gut, sie ist 39 Jahre alt, hat schon so harte Zeiten hinter sich, die musste für 50 Mark in Clubs an der Riviera auftreten, die singt wirklich um ihr Leben.
Rechnen Sie sich jetzt Chancen auf den Sieg aus?
Das kann man wirklich überhaupt nicht voraussagen. Bisher war das ja eher ein Videowettbewerb im Netz. Und wenn Sie sich anschauen, was Länder wie Russland oder Armenien dort an Kraft und Geld reingebuttert haben, dann ist das schon ein sehr ungleicher Wettkampf, das sind ja Hollywoodfilme! Aber egal, am Samstag werden die Karten neu gemischt, dann zählt nur die Live-Performance. Und wenn dann der Funke überspringt, ist alles möglich.
Was halten Sie von den deutschen Teilnehmern, der Band Elaiza?
Das sind ja sehr nette Mädchen, sehr erfrischend. Ich mochte ihren Song sofort sehr gerne, die haben den Vorentscheid in Köln zu Recht gewonnen. Aber welche Chancen sie am Samstag haben, das wage ich wirklich nicht einzuschätzen.
Zählen Sie eigentlich noch Ihre Finalteilnahmen?
Ich bin jetzt zum 23. Mal dabei und stehe zum zwanzigsten Mal im Finale.
Ist das ein Rekord?
Ich denke schon, das ist ja auch schwer zu erreichen, so alt müssen Sie erst einmal werden! Und dann brauchen Sie natürlich auch die Kraft, nach Niederlagen wieder aufzustehen. Das erste Mal war ich dabei, als Abba 1974 mit „Waterloo“ gewann. Ireen Sheer kam damals mit meinem Lied „Bye, Bye I Love You“ für Luxemburg auf den vierten Platz. Die Veranstaltung fand in einem Theater in Brighton statt und es wurden die ersten drei Stuhlreihen entfernt, damit das Orchester und der Dirigent Platz fanden. Wenn Sie sich heute die Halle in Kopenhagen anschauen, dann glauben Sie, Sie seien im Weltall. Sie werden hier mit Golfwagen von der Bühne zum Hallenausgang gefahren, weil die Wege so weit sind. Der Aufwand ist gigantisch.
Bei aller Show, auch die Politik spielt dieses Jahr eine Rolle – die russischen Kandidatinnen wurde ausgebuht.
Die beiden Mädchen taten mir so leid, die können ja nun am allerwenigsten für Putins Politik. Natürlich können wir hier die Welt nicht ausblenden, aber das Schöne ist doch, dass sich die Künstler nach dem Auftritt trotzdem alle gegenseitig in die Arme fallen. Wir sind ja alle schon eine ganze Woche hier und kennen uns.
Legt sich bei einem Routinier wie Ihnen die Anspannung, oder haben Sie vor dem Finale schlaflose Nächte?
Ich habe hier nur schlaflose Nächte, aber aus einem anderen Grund. Es weht so ein unglaublich kalter Wind in Kopenhagen, und in der Halle ist es sehr heiß. Ich bin sofort krank geworden, hatte 40 Grad Fieber, habe sogar die zweite Probe verpasst. Und jetzt bin ich voll gestopft mit Antibiotika. Aber der Einzug ins Finale ist natürlich die beste Medizin.