Opernstudio der Staatsoper: Köstliche Grandezza
München - Eine normale Konzertkritik ist schon mit der Würdigung einer Handvoll Beteiligter gut ausgelastet. Bei diesem Konzert des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper wirken gleich vier Sängerinnen und sechs Sänger mit, zuzüglich zweier Begleitpianisten. Da wäre es praktisch, eine Tabelle anzulegen und bei jedem Namen übersichtlich die Bewertung von Stimmschönheit, Phrasierungskunst und individueller Ausstrahlung einzutragen.
Weil das unschön nach Wettbewerb aussehen würde, dieser Abend aber im Live-Stream wie eine freundschaftliche Veranstaltung wirkte, sei stattdessen erst einmal allgemein das beachtlich hohe Niveau des Nachwuchses bescheinigt. Bei jeder der zehn Persönlichkeiten könnte man sich eine internationale Karriere vorstellen.
Sopranistin Eliza Boom kommt aus Neuseeland
Erwähnenswert, aber nicht schlimm, ist, dass keine von ihnen aus einem der deutschsprachigen Länder kommt. Den längsten Weg hat die Sopranistin Eliza Boom aus Neuseeland hinter sich, die den Csárdás aus der "Fledermaus" von Johann Strauß Sohn nicht nur mit einer Bombenstimme, die mühelos den Saal erbeben lässt, sondern auch mit köstlich divenhafter Grandezza singt. In den Ausschnitten aus "La clemenza di Tito" von Wolfgang Amadeus Mozart setzt die Britin Sarah Gilford mit ihrem milder timbrierten, leichter schwebenden Organ einen reizvollen Kontrast.
Geschmeidiges "Fledermaus"-Finale
Der Sopran von Juliana Zara wiederum ist zierlich und flutscht leicht in höchste Höhen; mit dem russisch-britischen Bariton Theodore Platt, der in seinem Gesang Fläche und Fokus ausbalanciert, spielt die Kalifornierin in dem Duett aus "Don Pasquale" von Gaetano Donizetti eine wirklich komische Szene, zu der später noch der Rumäne George Virban mit seinem scharf konturierten Tenor hinzukommt. In dem Gartenquartett aus "Faust" von Charles Gounod geben Sarah Gilford und der Kolumbianer Andres Aguledo mit seinem kraftvollen und biegsamen Tenor ein sehr hübsches Liebespaar ab, auch klanglich. Yajie Zhang aus China mit ihrem kostbar timbrierten Mezzo ist eine luxuriöse Kupplerin, während der Norweger Christian Valle als Mephistopheles mit einem schwarzen Bassbariton von imposant massiger Statur grundiert.
Alle vereinen sich am Schluss zu einem "Fledermaus"-Finale, das von dem englischen Bariton Andrew Hamilton sehr geschmeidig angestimmt wird - und dessen gute Stimmung fast vergessen macht, dass die leere Staatsoper bei den Übertragungen im Internet immer ein wenig nachhallt wie die verlassene Hotelbar in Stanley Kubricks Spukfilm "Shining".
Doch halt, das waren doch erst neun von versprochenen zehn Namen? Ja! Der amerikanische Tenor James Ley singt die diffizilen Passagen aus Mozarts "La clemenza di Tito" mit so auffallend sinnlicher Färbung, so beweglich und überhaupt so angenehm, dass ihm die prominente letzte Nennung vorbehalten sei.
Auf staatsoper.tv ist das Video für 30 Tage kostenpflichtig für 4,50 Euro abrufbar. Am kommenden Montag wird aus dem Nationaltheater um 20.15 Uhr kostenfrei eine Aufführung von Otto Schenks Inszenierung der Puccini-Oper "La Bohème" mit Jonas Kaufmann und Rachel Willis-Sørensen übertragen. Asher Fisch dirigiert das Bayerische Staatsorchester.