Kritik

Neue Jazz-Alben: In einer Tour himmlisch

Tenorsaxofon mal drei: Oldie Joe Lovano und seine gerade mal halb so alten Kollegen Jon Irabagon und Noah Preminger servieren neue Alben.
Ssirus W. Pakzad |
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Der mittlerweile 70-jährige Joe Lovano gehört zu den herausragenden Tenorsaxofonisten. Auch auf der neuen Platte lässt der US-Musiker wieder mal seine innigen Improvisationen leuchten.
Der mittlerweile 70-jährige Joe Lovano gehört zu den herausragenden Tenorsaxofonisten. Auch auf der neuen Platte lässt der US-Musiker wieder mal seine innigen Improvisationen leuchten. © SWP

Eigentlich hätte Noah Preminger im November seine München-Premiere feiern sollen – doch die Tour des Amerikaners wurde abgesagt. Wer diesen Tenorsaxofonisten im Konzert für sich entdecken wollte oder schon mit seiner Musik vertraut ist, kann sich nun mit einem umwerfenden Trio-Werk trösten.

Unsentimental-robust

Auf "Sky Continuous" ist alles drauf, was den 36-Jährigen ausmacht. Er spielt mit einem gehaltvoll-singenden, nuancierten, meist völlig unsentimental-robusten Ton und weiß seine kernigen, nie vorhersehbar verlaufenden Linien bei aller Wuseligkeit frappierend zu strukturieren. Wer diesem Noah Preminger, der über ein paar Ecken mit dem berühmten Film-Regisseur Otto Preminger verwandt ist, zuhört, lauscht einem, der den Hauch alter Seelen, der alte Schule und unverbrauchte Ideen in langen Atemzügen vereint.

Album mit zwei Vertrauten

Er lässt sich auf seiner CD von zwei Vertrauten antreiben und inspirieren: Der Bassist Kim Cass grundiert Premingers Ausflüge durch die harmonischen Wendungen der neun Stücke und glänzt immer wieder als Solist. Geradezu spektakulär ist, wie er Flageoletts mit vermeintlicher Mühelosigkeit im Fluss seiner Improvisationen funkeln lässt. Für den differenzierten Swing des Albums, für verblüffende Akzente aller Art ist einer der großen Schlagzeuger unserer Tage zuständig: Bill Stewart.

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Jeder Ton mit voller Absicht

Als wir Noah Preminger vor einigen Monaten trafen, sagte er: "Ich möchte, dass alles, was aus meinem Saxofon kommt, mit Absicht geschieht. Der Typus von Musiker oder Improvisator der mich am meisten interessiert ist einer, der meint, was er musikalisch ausspricht, ist einer, der nicht nur wahllos Noten oder Sounds ausspuckt".

Würdigung eines Ausnahme-Schlagzeugers

Mit diesem Ausspruch hätte Noah Preminger einen wie Joe Lovano gemeint haben können, der zu den herausragenden Tenorsaxofonisten der letzten Dekaden zählt. Für ein neues Werk tat sich der bald 70-Jährige mit dem dänischen Gitarristen Jakob Bro (44) zusammen um einen Ausnahme-Schlagzeuger zu würdigen, der vor ziemlich genau elf Jahren starb: Paul Motian. Beide Männer haben mit ihm gespielt, Bro in den 2000er Jahren, Lovano bereits seit den 80ern.

Drei Bassisten und zwei Schlagzeuger - gleichzeitig

Auf "Once Around The Room" tragen der Tenorsaxofonist und der Gitarrist der Tatsache Rechnung, dass Paul Motian ein Mann mit ganz eigenem Puls, ganz eigenem Zeitgefühl war. Ihr Kunstgriff: Sie setzen mit Larry Grenadier, Thomas Morgan und Anders Christensen drei Bassisten, mit Joey Baron und Jorge Rossy zwei Schlagzeuger gleichzeitig ein.

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Und es ist bemerkenswert, wie sich aus manch diffus anmutender Situation, aus manch rumorendem Rubato heraus ein Geflecht der Rhythmusinstrumente verdichtet, zu dem Jakob Bro angenehm verstörende Sounds beisteuert und über dem Lovano starke Melodien und konzentriert- innige Improvisationen leuchten lässt.

Irabagon arbeitet am Legenden-Status

Während Joe Lovano längst eine Legende ist, muss Jon Irabagon noch an diesem Status arbeiten. Aber der Amerikaner mit philippinischen Wurzeln tut alles dafür. Der Output des 43-jährigen, der als Mitglied der Band "Mostly Other People Do The Killing" international bekannt wurde, ist unglaublich. Wer da von Schaffenswut redet, liegt nicht falsch. Zu den vielen, stilistisch ganz unterschiedlich angelegten Veröffentlichungen aus jüngster Zeit zählt "Rising Sun", das er auf seinem eigenem Label "Irabbagast" heraus brachte.

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Post-Bop mit überschäumender Intensität

Mit Pianist Matt Mitchell, Bassist Chris Lightcap, Schlagzeuger Dan Weiss und den Gästen Miles Okazaki (Gitarre) und Adam O'Farrill (Trompete) spielt Jon Irabagon beseelten Post-Bop von überschäumender Intensität, swingend, groovend, mit hakenschlagenden, manchmal grandios verkanteten, komplexen Themen. Mit lichtem leicht nasalen Tenorsaxofon-Ton gerät Irabagon in Rage und reißt seine prominenten Band-Gefährten mit.

Noah Preminger Trio: Sky Continuous (Criss Cross Jazz); Jakob Bro/ Joe Lovano: Once Around The Room - A Tribute to Paul Motian (ECM); Jon Irabagon: Rising Sun (Irabbagast)

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