Interview

Mozartwoche in Salzburg trotz Corona: Kämpfen bis zuletzt

Theater und Konzertsäle sind geschlossen. Rolando Villazón glaubt trotzdem, dass die Mozartwoche Ende Januar in Salzburg stattfinden wird und erzählt im AZ-Interview, warum ein Stream nicht in Frage kommt.
Redaktion Kultur |
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Rolando Villazón im Großen Saal der Stiftung Mozarteum in Salzburg, der Hauptspielstätte der Mozartwoche.
Rolando Villazón im Großen Saal der Stiftung Mozarteum in Salzburg, der Hauptspielstätte der Mozartwoche. © Andreas Hechenberger/Internationale Stiftung Mozarteum

München - Er ist gut gelaunt. In einem Münchner Hotel möchte Rolando Villazón erklären, was die Mozartwoche vom 21. bis zum 31. Januar in Salzburg plant. Seit 2017 leitet der Opernsänger, Buchautor und Regisseur das jährliche Festival der Internationalen Stiftung Mozarteum. Doch zunächst bestellt Villazón ein Kännchen Kaffee, was gar nicht so einfach ist: weil wegen Corona alles über das Smartphone läuft.

Villazón hält an der Mozartwoche mit Live-Publikum fest

"Ich habe nur ein Tenor-Phone", witzelt er und zeigt seinen vorsintflutlichen Handy-Knochen. Großes Gelächter, obwohl das Thema ziemlich ernst ist. Denn auch in Österreich sind die Infektionszahlen hoch, und in Bayern gilt der Katastrophenfall. Trotzdem hält Villazón an der Mozartwoche mit Publikum live vor Ort fest, auch wenn alle szenischen Aufführungen ausfallen.

AZ: Herr Villazón, glauben Sie wirklich, dass das klappt?
ROLANDO VILLAZÓN: Ich weiß nicht, ob glauben das richtige Wort ist, aber ich kämpfe bis zum letzten Moment. Wenn ich nicht glaubte, dass es klappte, würde ich es nicht sagen. Wo wir stehen werden, was die Entscheidung der Politik sein wird, das kann ich nicht kontrollieren. Wir müssen aber einen guten Plan haben.

Villazón: Corona-Ansteckungsgefahr im Theater tendiert fast gegen null

Wie sieht Ihr Plan aus?
Die Frage ist: Wie schaffe ich es, mit halber Publikumszahl ein adaptiertes Programm zu realisieren? Studien belegen, dass das Ansteckungsrisiko im Theater fast gegen null tendiert. Wenn die Geschäfte öffnen dürfen, müssen die Theater auch öffnen können. Ich bin Tenor, aber nicht naiv: Natürlich müssen wir eine Strategie haben, und die habe ich in meiner Schublade. Bei einem totalen Lockdown kann ich nichts machen.

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Auch keinen Live-Stream im Internet?
Da gibt es Überlegungen, aber das ist auch eine finanzielle Frage. Gibt es Partner dafür? Da sind wir in Gesprächen. Wir selbst können das nicht zahlen. Ein subventioniertes Theater kann das anbieten, auch ohne Publikum, wir nicht. Wir sind eine Stiftung, und nur 10 Prozent unseres Budgets sind öffentliche Mittel. Gleichzeitig werden zu viele Streamings gratis angeboten. Das ergibt die Illusion, dass Kunst kostenlos und ein Hobby sei. Nein, das ist ein Beruf, und der kostet Geld. Eines steht fest: Eine Absage ist für uns die allerletzte Option.

Mozartwoche: 94 Sekunden wiederentdeckte Musik

Und das ist gut so, weil einige Highlights geplant sind: etwa ein wiederentdecktes Klavierstück von Mozart mit rund 90 Sekunden Musik.
Genau 94 Sekunden, bitte schön! Mit dieser Entdeckung startet die Mozartwoche. Leider werde ich aber nichts über das Stück verraten, nur so viel: Es ist glücklicherweise in die richtigen Hände gekommen, nämlich unserer Stiftung. Ich habe selbstverständlich sofort erkannt, dass das ein echter Mozart ist. Nein, im Ernst: Natürlich wurde wie bei allen neuen Dokumenten die Herkunft genau überprüft.

Müssen wir unser Mozart-Bild total revidieren?
Nein. Für die Forschung und für Liebhaber ist das ein Event, aber es ist keine Sinfonie Nr. 42. Diese Entdeckung müssen wir dort platzieren, wo sie hingehört. Aber es ist nicht das allergrößte Meisterwerk von Mozart.

Worauf freuen Sie sich ganz besonders?
Wie viel Zeit haben wir? Ich sage es ganz ehrlich: auf alles. Den ursprünglich geplanten "Don Giovanni" müssen wir auf 2023 verschieben, aber sonst kommen fast alle 35 Werke Mozarts in Moll-Tonart vor. Unter dem Motto "Mozart - Musico drammatico" haben noch dazu alle Werke eine dramatische Richtung, selbst wenn sie nicht fürs Theater geschrieben wurden. Ob große Gefühle oder Probleme der Seele: Mozart kommt immer ins Licht.

Es wird ein "Nach-der-Krise" in der Musik geben

Was gerade jetzt tröstet. Ihr Kollege Jonas Kaufmann hat die Sorge geäußert, dass die Corona-Auswirkungen für die Kultur erst in Jahrzehnten deutlich werden könnten: weil jetzt der Nachwuchs wegbreche, der dann fehle. Hat er Recht?
Natürlich wird es ein "Nach-der-Krise" in der Musik geben. Der Nachwuchs erlebt jetzt ein tiefes Loch. Dieses Loch wird Karrieren vernichten und Talente verdrängen. Gleichzeitig zeigt uns die Krise aber auch Grenzen auf. Die Gagen werden anders sein. Brauchen wir weniger Neuproduktionen und mehr Koproduktionen? Diese Fragen werden eine andere Antwort haben, und das ist nicht schlecht. Es ist nicht die erste Krise: Vor 100 Jahren gab es zwei Weltkriege, und trotzdem ist es mit der Kunst weitergegangen.

Der Nachwuchs braucht während der Coronakrise Unterstützung

Hängt das nicht auch davon ab, wie der Nachwuchs jetzt unterstützt wird?
Absolut. Ich selbst unterstütze junge Talente, die heute für Amazon arbeiten, weil sie kein Geld haben. Wann haben sie Zeit, um zu üben? Wir haben eine Verantwortung, auch ich als künstlerischer Leiter der Mozartwoche. Wen lade ich ein? Wer kommt in meine Sendung "Stars von morgen"? Mit wem mache ich privat Musik? Ich bin in einer privilegierten Situation. Meine Projekte sind bis 2025 geplant, aber die jungen Talente haben nichts. Es ist so einfach von Problemen in 20 Jahren zu reden, aber: Was machen wir jetzt dagegen?

Ihr jetziger Vertrag bei der Mozartwoche läuft 2023 aus. Werden Sie danach mehr Bücher schreiben?
Ich singe, mache Regie und schreibe. Mein aktueller Roman "Amadeus auf dem Fahrrad" ist der dritte. Derzeit habe ich zwei neue Ideen: Eine kreist um einen Regisseur, der an "Hoffmanns Erzählungen" von Offenbach arbeitet. An der anderen Idee arbeite ich bereits, ohne zu wissen, ob ich das veröffentliche. Es ist meine eigene Geschichte mit Büchern: kleine Erzählungen, die Literatur mit Musik verbinden. Eines ist klar: Ich werde kein Dirigent. Ich mache das, was ich kann. Das muss nicht allen gefallen, aber die Basis muss stimmen. Ich bin mein erster, größter Kritiker.


Infos und Karten zur Mozartwoche Salzburg unter mozarteum.at.

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