Moderner Jazz von Yumi Ito: Die neuen Standards

Songs als große Stimmungsbilder: Die außergewöhnliche Jazzerin Yumi Ito.
Ssirus Pakzad |
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Yumi Ito.
Yumi Ito. © Ssirus Pakzad

Gegensätze ziehen sich an. Im Wesen der Schweizer Jazz-Sängerin und Komponistin Yumi Ito finden sie auf fast magische Weise zueinander. Da ist dieses elfen- oder feenhafte Geschöpf, das uns aus einer Traumwelt Botschaften zu schicken scheint und mit märchenhaftem Timbre entrückt, selbstvergessen, unendlich zart und höchst zerbrechlich singt. Dann ist da diese energische Frau, eine kleine Hexe fast, unberechenbar, einschüchternd, unwirkliche Geräusche von sich gebend. Bei ihrem Münchner Konzert am Mittwoch lassen sich nun Yumi Itos viele Facetten bestaunen.

Yumi Ito in München: Lichte, unverstellt schöne Momente

"Ich mache keinen Unterschied zwischen den dunkleren und helleren Seiten meiner Seele. Ich glaube, es sind alles spannende Aspekte des Menschseins", sagt Yumi Ito im Gespräch mit der AZ. Es ist dieses Wechselspiel, das die Auftritte und Alben der in Zürich als Gesangsprofessorin Tätige so faszinierend macht.

Es gibt da viele lichte, unverstellt schöne Momente, aber es klingt eben auch immer ein wenig Geheimnis, etwas Verwunschenes, manchmal Unheilvolles mit, wenn sie bekannte, unvergessliche Melodien intoniert oder hoch konzentriert und ausgesprochen virtuos improvisiert. "Das Leben ist ja nun mal ein riesiges Mysterium, etwas Ungreifbares. Ich versuche, Musik nicht verstehen zu wollen. Sie ist einfach ein Austausch mit dem Publikum, mit dem Sein, mit dem – da lacht sie – Universum. Ich glaube, Musik ist einfach eine Art Energiefluss."

In die Wiege gelegt: Ein Kind von Musikern

Bis Yumi Ito die wurde, die sie heute ist, verging ein langer Selbstfindungsprozess. Die Voraussetzungen für ihr heutiges Schaffen waren allerdings optimal: Ihr Vater ist der japanische Konzert-Pianist Suguru Ito, ihre Mutter die polnische Mezzosopranistin Margo Cadias, bei der Yumi Ito ab dem 13. Lebensjahr Unterricht erhielt. "Sie gab mir die Basis, die Grundausbildung in klassischer Gesangstechnik" und ist wohl der Grund, warum die Tochter bei aller Emotionalität so bestechend präzise singt. Allerdings war Frau Mama in ihren Lektionen nicht sonderlich streng. "Das ganz genaue Arbeiten und etwas auf den Punkt zu bringen, der gewisse Perfektionsdrang entspricht wohl meiner japanischen Seite. Ich habe immer hohe Ansprüche an mich und meine Musikerinnen und Musiker gehabt. Das musste ich unbedingt etwas drosseln und lockerer angehen. Ich war extrem selbstkritisch."

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"Ich wurde geheilt von den Genre-Zwängen"

Obwohl sie sich von den Freiheiten des Jazz früh anziehen ließ, fühlte sich Yumi Ito lange unwohl und vermisste so einiges, als sie während des Studiums und auch kurz danach hauptsächlich Jazz-Standards sang. "Ich war im Innern todunglücklich, weil ich merkte: Das bin ich nicht. Erst durch den experimentellen Zugang zum Singen, durch wirkliches Improvisieren wurde ich geheilt von Zwängen, von klassischen Rollenbildern, vom ungetrübten Schön-Singen."

Es gab da ein Erweckungserlebnis, ein Konzert des Schweizer Saxofonisten Omri Ziegele. "Das hat mich wirklich berührt, fast hypnotisiert." Kurz danach nahm sie Stunden bei ihm. "Wir haben an die Wände getrommelt, sind durch den Raum gerannt, ich habe mal Schlagzeug gespielt und er hat gesungen. Wir haben sogar Mimik improvisiert." Diese Offenheit, dieses totale Loslassen, dieses Spontane aus den Unterricht-Sessions mit Omri Ziegele spielt heute noch in alles mit hinein, was Yumi Ito tut und hat wohl auch zu ihrer Selbstständigkeit als Sängerin und Komponistin geführt.

Magische Stimmungsbilder mit vielen Schichten

Und doch ist auch die Frau zu spüren, die vieles von der Pike auf gepaukt hat und sich mit großer Gründlichkeit ein eigenes System erarbeitete. Nicht aber erlernen lässt sich eine große Gabe, die in Yumi Ito wohnt: Sie versteht, Songs zu schreiben, die großartige Stimmungsbilder sind, vielschichtig, bedeutungsvoll, reizvoll diffus, manchmal unergründlich, meist ziemlich magisch.

Dieses Talent zeigte sie im Duo mit dem polnischen Gitarristen Szymon Mika, im Großensemble, mit dem sie ihr Album "Stardust Crystals" einspielte und selbst im etwas poppiger angelegten neuen Album "Ysla". Das stellt sie nun, sich selbst am Flügel begleitend, mit ihrem Partner, dem galizischen Schlagzeuger Iago Fernández und dem polnischen Bassisten Kuba Dworak in der Unterfahrt vor.


CD: Yumi Ito: "Ysla" (Enja Yellowbird) | Konzert: Mittwoch, 20.30 Uhr, in der Unterfahrt, Einsteinstr. 42 (Max-Weber-Platz), Tickets: 24 / 12 Euro, 089  448 27 94 und Abendkasse.

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