Lyrik-Kabinett: "Den Korken aus der Flasche schreiben"

Das Lyrik-Kabinett lud Herbert Grönemeyer und Michael Lentz zur Diskussion über Poesie in die LMU.
Volker Isfort
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Der Literaturwissenschaftler und Lyriker Michael Lentz (links) mit Herbert Grönemeyer in der LMU.
Der Literaturwissenschaftler und Lyriker Michael Lentz (links) mit Herbert Grönemeyer in der LMU. © Foto: Heike Bogenberger / Lyrik Kabinett

München - Wie kommt der Text in die Musik? Diese Frage ist vielleicht bei keinem deutschen Musiker spannender als bei Herbert Grönemeyer, der die deutsche Sprache um herrlich sperrige Metaphern bereichert hat.

Zur Klärung der Sachlage lud am Donnerstagabend das Lyrik-Kabinett den Musiker gemeinsam mit dem Dichter Michael Lentz in den vollbesetzten Hörsaal 140 der LMU. Literaturprofessor Frieder von Ammon erzählte in seiner Einführung, dass er selbst als Kind schon Grönemeyers "Flugzeuge im Bauch" kannte, bevor er sie dann als Jugendlicher schmerzhaft spürte. Immerhin, er war durch die Kunst auf das Leben vorbereitet.

Grönemeyer schrieb über 100 Texte für neues Album

Grönemeyer selbst betonte, dass er nie einen Text schreiben würde, sich aber durch die Abgabefristen für seine Alben bewusst unter Zeitdruck setzen würde: "Das führt dann zur Panik." Denn am Anfang ist bei ihm die Musik, über die Grönemeyer dann "Bananenenglisch oder Bananenfranzösisch" summt. "Das sind die schönsten Versionen", kokettierte Grönemeyer, "weil da alles fließt". Dann aber kommt die deutsche Sprache als Sinnstifter und Störfaktor dazu und füllt immer größere Flächen der Songs. Ein mühseliger Prozess für den Künstler. "Ich muss den Korken aus der Flasche schreiben", sagte er, aber dann sprudelt es: So hat er über 100 Texte für die vierzehn Titel des neuen, im März erscheinenden Albums verfasst. Das sei seiner Unsicherheit beim Texten geschuldet, und der Tatsache, dass er lange nicht wisse, "welcher Text der Musik steht". Die Grundregel "irgendetwas muss passieren" heißt in Grönemeyers Logik, dass auf eine leichtere Melodie ein härterer Text gehört.

Als Lentz die "perkussiv ratternden Doppelkonsonanten" der deutschen Sprache ins Spiel brachte, bestätigte Grönemeyer, dass die Sprache etwas von Schwarzbrot habe oder gleich von Pumpernickel - verglichen zum englischen Toastbrot. Den Einwurf der unkonventionelle Intonation, bisweilen schweren Verständlichkeit von einigen Textpassagen, nahm Grönemeyer gelassen: "Ich singe nicht komisch, ich singe sehr, sehr gut."

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Grönemeyer stellt als Künstler "etwas Mysteriöses in die Welt"

Abgesehen davon nehme er die Dinge aber schon ernst, nur manchmal nicht. Schließlich sei er ein Kind des Ruhrgebiets und dort gehe man "keinem Kalauer aus dem Weg", man sei dort "eher dadaistisch unterwegs". Grönemeyer bemühte Helge Schneider als Beispiel, und da sich der Rheinländer Lentz humoristisch auch nicht Lumpen lassen wollte, war der Unterhaltungswert dieser Spezialausgabe der "Münchner Reden zur Poesie" noch höher als der Erkenntnisgewinn. Selten wurde in einem Hörsaal der LMU so viel gelacht.

Nur als Lentz Grönemeyer in einem exegetischen Ausflug in Diskussionen über "Artikulationsgranulate" oder "syntaktischen Parallelismus" verwickeln wollte, bestand Grönemeyer lieber darauf, dass man als Künstler sein Werk auch nicht bis zum Ende erklären und analysieren könne: "Man stellt etwas Mysteriöses in die Welt. Und das ist ja auch die Schönheit von Kunst."

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