Konzert des Jugendsymphonieorchester der Ukraine: Bedrückende Innigkeit
In Kriegszeiten ist die richtige Wortwahl besonders wichtig. Gerade außerhalb des eigentlichen Kriegsgebiets sollte möglichst alles getan werden, um nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Mit der richtigen Wortwahl hat Serge Dorny teils gewaltige Probleme. Das offenbarte sich auch jetzt wieder bei einem Benefizkonzert für die Ukraine im Rahmen der Münchner Opernfestspiele.
Viele Musiker konnten die Ukraine nur mit Sondergenehmigung verlassen
"Eure Waffen sind die Instrumente", begrüßte der Intendant der Bayerischen Staatsoper die Musiker des Jugendsymphonieorchesters der Ukraine im Prinzregententheater. Das Ensemble wurde 2016 von der Dirigentin des Abends initiiert: Oksana Lyniv. In München wirkte die Ukrainerin als Assistentin des früheren Staatsopern-GMD Kirill Petrenko. Im vorigen Jahr debütierte sie bei den Bayreuther Wagner-Festspielen.
Die Worte von Dorny wirkten nicht nur reichlich martialisch, sondern auch etwas zynisch. Immerhin konnten die männlichen Musiker nur deswegen die Ukraine verlassen, weil sie eine Sondererlaubnis für die Konzerte in Europa erhalten hatten.
Sie läuft nach dem letzten Gastspiel im September in Österreich aus. Wie es danach für die jungen Männer weitergeht, ist ungewiss. Schlimmstenfalls wartet der Soldatentod. In seiner Rede sprach Dorny viel von Solidarität für die Ukraine, das eigentlich wichtige Wort "Frieden" fiel aber nicht. Das holte Kunstminister Markus Blume (CSU) nach.
Ukrainische Werke wirkten martialisch
Vielleicht wäre deutlich mehr Publikum in das Prinze gekommen, wenn die Auführung ein "Friedenskonzert" gewesen und auch so angekündigt worden wäre.
Aber in der ersten Hälfte des Abends mit ukrainischen Werken ging es indes bisweilen ähnlich martialisch zu wie in der Ansprache von Dorny. Das galt vor allem für die "Sinfonietta" des 1975 geborenen Zoltan Almashi.
Hinter dem harmlosen Titel verbirgt sich ein veritabler Schlachtenschinken. Manches wirkt wie eine Kurzfassung der Propaganda-Symphonien Nr. 11 und 12 des russisch-sowjetischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch, samt wüsten Paukenwirbeln.
Ergreifende Interpretation rührt einige Besucher zu Tränen
Gemäßigter, aber dezidiert national gefärbt die anderen Werke: So verarbeitet der 1912 verstorbene Mykola Lysenko in seiner "Suite über ukrainische Themen" op. 2 Volksweisen seiner Heimat in neobarockem Stil. Das "Ukrainische Poem" für Violine und Orchester von Yevhen Stankovych reflektiert hingegen die Gesangstradition des Landes.
Dieses Profil hat der junge Solist Andrii Murza, festes Mitglied der Düsseldorfer Symphoniker, mit berückender Innigkeit verlebendigt. Er ließ seine Geige wahrlich singen. Schon hier flossen bei einigen Konzert-Besuchern die Tränen.
Als Murza mit dem Orchester anschließend "We are" von Yuriy Shenkovych gestaltete, herrschte absolute Stille im Prinze. Der 1968 geborene Komponist hat den russischen Bombenangriff auf Kiew im Frühjahr nicht überlebt.
Sein "We are" ist eine wohltuend intime, nachdenkliche Paraphrase der Nationalhymne der Ukraine: inspiriert vom Aufstand auf dem Maidan 2014.
Ein "Friedenskonzert"? Nicht wirklich
Dieses Werk war fraglos der Höhepunkt des Abends, neben einer frischen "Prager Symphonie" Nr. 38 KV 504 von Mozart im zweiten Teil. Als Zugabe wurde am Ende "We are" wiederholt. Über das Dirigierpult legte Lyniv die ukrainische Flagge. Auch manche Musiker rangen mit den Tränen. Und doch bleibt letztlich ein schaler Nachgeschmack: Ein "Friedenskonzert" war dieser wechselhafte Abend nicht.