Keine Angst vor der Bretterbude!

Richard Quaas schlägt eine hölzerne Philharmonie als Gasteig-Ersatz im Finanzgarten vor
von  Robert Braunmüller
Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf.
Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf. © Samuel Rubio

Der Staat baut einen Konzertsaal im Werksviertel. Dafür läuft derzeit ein Architektenwettbewerb, der sich wegen der gestrigen Querschüsse von Stephan Braunfels möglicherweise etwas, aber nicht entscheidend verzögern wird. Frühestens 2021 wird der Saal eröffnet. Wenn alles gut geht.

Das ist die die eine, unendliche Geschichte. Die zweite, ebenfalls mit tausend Episoden und Abschweifungen, spielt am Isarhochufer: Der Gasteig, das städtische Kulturzentrum, harrt der vom Stadtrat beschlossenen Ertüchtigung. Sie soll um 2020 herum beginnen. Der Grundsatzbeschluss ist gefällt. Um die Details wird hinter den Kulissen gerungen. Aber eins ist sicher: Während der Sanierung werden die Stadtbibliothek und die Philharmonie für zwei, drei oder auch mehr Jahre ausziehen müssen.

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Für das Orchester der Stadt wird das nicht einfach: Während sich die Konkurrenz vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Glanz des neuen Saales sonnt, spielen die Münchner Philharmoniker in einer Interims-Bretterbude. Es gilt zwar das Wort des Bayerischen Rundfunks, dass Valery Gergievs Truppe in der – vielleicht – fertigen Kartoffelphilharmonie im ehemaligen Pfanni-Gelände hinter dem Ostbahnhof Gastrecht genießt. Aber selbst dann muss die Stadt für die Konzerte privater Veranstalter während der Gasteig-Schließung für eine Ersatzspielstätte sorgen.

Genf als Vorbild

Der Blick richtet sich derzeit in die Schweiz: In Genf wurde vor kurzem die Opéra des Nations eröffnet, ein kompakter, aus vorfabrizerten Einzelteilen errichteter Holzbau mit 1118 Plätzen. Er gehörte zuvor der Comédie-Française. Hier spielt die Genfer Oper während des Umbaus. Auch die Züricher Tonhalle wird renoviert: Die Konzerte ziehen in ein ehemaliges Industriegelände mit eingebauter Holzschachtel um.

In München werden derzeit ähnliche Lösungen geprüft, mit dem Fokus auf städtische Grundstücke gegenüber der Messe in Riem und am Candidplatz. Auch die Paketposthalle am Hirschgarten kommt in Frage, auch wenn die Investoren dort laut Stadtrat Richard Quaas an Interimslösungen und Zwischennutzungen weniger interessiert sind.

Der CSU-Kultursprecher hat nun den Parkplatz des Landwirtschaftsministeriums zwischen der Von-der-Thann- und der Galeriestraße ins Gespräch gebracht. Quaas’ Vorschlag dürfte den Kennern der unendlichen Geschichte aus früheren Fortsetzungen bekannt vorkommen: Es ist der Randbereich des Finanzgartens, der vom Dirigenten Mariss Jansons und dem Verein Konzertsaal München als Bauplatz favorisiert wurde, ehe er mit Rücksicht auf den Denkmal- und Landschaftsschutz ausschied.

Die Bretterbude als Chance

„Für einen Interims-Holzbau mit kleineren Ausmaßen könnte der Parkplatz durchaus in Frage kommen“, meint Quaas. „Der Bau würde den geschützten Finanzgarten nicht tangieren, so dass die Ablehnungsgründe, die ich seinerzeit geteilt habe, gar nicht zum Tragen kommen.“ Für den Finanzgarten spricht die gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Unternutzt ist diese Brache in bester Lage auch: Außer Autos stehen dort Baucontainer.

Andererseits: Aus Quaas’ Vorschlag spricht die verbreitete Angst vor Konzerten in einer Bretterbude am Stadtrand. Schon Richard Wagner zog solche Räume für seine Festspiele den innerstädtischen Prachttheatern vor. Das Gärtnerplatztheater hat bewiesen, dass der Auszug aus dem Stammhaus eine Chance ist. Außerhalb des Gasteig kann die Klassik leichter ihr Smoking-Image ablegen. Und andere Konzertformate lassen sich auch erfinden.

Und eine zweite Frage sollte man über der Konzertsaaldebatte nicht vergessen: In der Zentrale der Stadtbibliothek am Gasteig lagern eine Million Medien. Auch die müssen während des Umbaus irgendwo hin.

 

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