Interview

Julian Lennon über seinen Vater John: "Bin stolz darauf, sein Sohn zu sein"

Julian Lennon spricht über sein neues Album "Jude", seine Aufnahme von "Imagine" - und über seinen Vater John Lennon.
Dominik Petzold
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1. Januar 1968: John Lennon mit seinem Sohn Julian.
1. Januar 1968: John Lennon mit seinem Sohn Julian. © imago images/ZUMA Wire

Nach elf Jahren hat Julian Lennon ein neues Album veröffentlicht: "Jude". Dafür hat er viele ältere Aufnahmen fertig produziert und einige neue hinzugefügt. Benannt ist das Album nach "Hey Jude", mit dem Paul McCartney 1968 dem fünfjährigen Julian Mut machen wollte, nachdem John Lennon ihn und seine Mutter Cynthia wegen Yoko Ono verlassen hatte.

Julian Lennon: "Ich bin ein eher ungeduldiger Typ, will viel machen und erreichen"

Der Song hieß erst "Hey Jules", so Julians Spitzname, dann änderte McCartney den Namen in "Jude". Die AZ erreicht Julian Lennon zum Zoom-Interview in Los Angeles, und man geht davon aus, dass ihn Fragen zu seinem über alle Maßen berühmten Vater nerven würden. Doch dann kommt der entspannte, freundliche 59-Jährige immer wieder selbst auf seinen "Dad" zu sprechen.

Julian Lennon, 59, blickt inzwischen auf eine fast vier Jahrzehnte lange Musikkarriere zurück - mit einer längeren Pause zwischendrin.
Julian Lennon, 59, blickt inzwischen auf eine fast vier Jahrzehnte lange Musikkarriere zurück - mit einer längeren Pause zwischendrin. © imago images

AZ: Mister Lennon, Ihr letztes Album hatten Sie 2011 aufgenommen. In der Zwischenzeit hatten Sie Erfolg mit Fotografie, Dokumentarfilmen und Kinderbüchern, außerdem engagieren Sie sich mit ihrer White Feather Foundation für humanitäre Anliegen und die Umwelt. Ist es für Sie entspannter, in diesen Bereichen zu arbeiten?
JULIAN LENNON: Absolut! Ich arbeite lieber hinter den Kulissen. Ich habe über 30 Jahre lang Musik gemacht. In erster Linie wollte ich mir selbst beweisen, dass ich auch viele andere Dinge kann. Das war nicht nur für mich wichtig, sondern auch, damit andere Leute verstehen, dass Johns Sohn mehr ist als nur Johns Sohn: Ich bin Julian und ich mache auch all diese anderen Dinge. Ich habe großes Glück, dass all diese Projekte wahrgenommen werden. Ich bin ein eher ungeduldiger Typ, will viel machen und erreichen. Mich eine Weile von der Musik zurückzuziehen war das Beste, was ich je getan habe - auch um einen frischen Blick darauf zu bekommen.

Julian Lennon über seine Anfänge: "Mit 13 haben wir eine Band gegründet"

Wie haben Sie das Musizieren eigentlich gelernt?
Gitarre zu spielen habe ich in der Schule gelernt. Mein bester Freund Justin Clayton - der mein neues Album koproduziert hat - hat mich damals zu einem Gitarrenkurs mitgenommen. Das hat mich fasziniert, und mit 13 haben wir eine Band gegründet. Am Ende des Schuljahrs gab es immer eine Schulaufführung, da hatten wir unseren ersten Auftritt. Wir haben ein paar Rock'n'Roll-Songs wie Chuck Berrys "Roll Over Beethoven" gespielt. Ich habe es auch mit der Schauspielerei probiert, aber das war nichts für mich, weil ich bis heute Schwierigkeiten habe, mir Texte zu merken. Einen dreieinhalbminütigen Song kann man sich leichter merken, und wenn man als 13-Jähriger so einen spielt und alle Mädchen klatschen und schreien, denkt man: Das will ich den Rest meines Lebens machen. Dad hat mir dann bei meinen seltenen Besuchen in New York auch ein paar Akkorde beigebracht.

Welche Musiker haben Sie damals als Teenager in den Siebzigern inspiriert?
Ich habe natürlich die Beatles geliebt. Aber ebenso Led Zeppelin und damals auch AC/DC und Rush. Mit 17 begann ich mich für Steely Dan und die Doobie Brothers zu begeistern. Sie haben mich sehr inspiriert. Aber meine Nummer eins war Keith Jarrett. Ich habe ihn mal in Südfrankreich live gesehen, da war im Hintergrund Strand und Sonnenuntergang zu sehen, nur sein Klavier stand auf der Bühne. Es war magisch.

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Nun sind Sie selbst zurück in der Welt der Musik. Dabei sollte "Everything Changes" 2011 eigentlich ihr letztes Album werden. Wieso haben Sie es sich anders überlegt?
Ich wollte nie aufhören, Songs zu schreiben, sei es nur für mich selbst oder um hin und wieder eine Single oder EP herauszubringen. Aber dann habe ich Hartwig Masuch von BMG getroffen. Ich wollte eigentlich nicht mehr mit Labels arbeiten, aber ich mochte ihn und vertraue ihm. Unser Vertrag umfasst nur ein Album, es blieb also Luft zum Atmen. Das war der eine Grund.

Und der andere?
Vor einigen Jahren habe ich mich von meinem Business Manager getrennt und er schickte mir Kisten, die im Keller seines Büros standen. Das meiste waren Geschäftspapiere, aber in vier, fünf Kisten waren Aufnahmen in allen möglichen Formaten, die es seit den Achtzigern gab. So habe ich die Originalbänder des Demos von "Too Late For Goodbyes" und viele Outtakes des "Valotte"-Albums gefunden. Und ich habe viele weitere tolle Sachen entdeckt, zum Beispiel "Every Little Moment". Das klang großartig - und so, als ob wir es letzte Woche aufgenommen hätten. Wir haben dann statt des Drum Computers ein echtes Schlagzeug aufgenommen und die Produktion auf den neuesten Stand gebracht - das Resultat hat mich umgehauen. Ich bin mit Justin Clayton alle Kisten durchgegangen. Aber dann kam Covid. Ich habe in Monaco gelebt, er in London. Wir mussten herausfinden, wie wir von zwei Ländern aus an diesem Album arbeiten können. Insgesamt hat es fünf Jahre gedauert. Jetzt schauen wir mal, wohin das Album noch führt, auch ob ich auf Tour gehe oder nicht.

Julian Lennon: "Ich hatte es satt, der zweite John zu sein"

Wieso haben Sie das Album "Jude" genannt?
Die Coronazeit war eine Zeit der Reflexion. Ich war die meiste Zeit allein, um ehrlich zu sein. Da fängt man an, sich zu fragen: Wer bin ich? Was mache ich mit meinem Leben? Viele Songs des Albums hatten damit zu tun. Es ging darum, "Jude" zu werden, mir "Jude" wirklich zu eigen zu machen. Ich hatte ja schon 2020 die Reihenfolge meiner Namen ändern lassen, ich habe Jahre gebraucht, um den Mut dafür zu finden. Ich hieß John Charles Julian Lennon - und ich hatte es satt, der zweite John zu sein. Jetzt bin ich Julian Charles John Lennon. Außerdem habe ich mit NFTs von Memorabilia, die ich besitze, Geld für die White Feather Foundation gesammelt, und eines der wichtigsten Stücke war Pauls hingekritzeltes Arrangement von "Hey Jude". Das Wort "Jude" auf dem Cover ist daraus entnommen. Und dann habe ich den Film "Get Back" gesehen und mich wieder in meinen Vater verliebt. Der Titel "Jude" war also nicht geplant, hat sich aber richtig angefühlt: Ich schaue, wo ich herkomme und wo ich jetzt stehe.

Der Titel soll also ausdrücken, dass Sie mit Ihrer Geschichte Frieden geschlossen haben?
Genau. Es ging darum, Frieden und Balance im Leben zu finden. Ich habe einiges erlebt, aber ich bin noch am Leben - und mir geht's sehr gut.

Julian Lennon über "Imagine": "Ich musste einen neuen Zugang finden"

Kürzlich haben Sie für die Aktion "Stand Up For Ukraine" eines der berühmtesten Lieder Ihres Vaters aufgenommen, "Imagine", begleitet nur von Gitarrist Nuno Bettencourt. Wie kam's?
Ich war in Las Vegas bei einem Charity-Event, bei dem Joni Mitchell geehrt wurde. Kurz bevor ich hinging, sagte mir meine Managerin: Global Citizen will ein Event für die Ukraine machen. Gibt es etwas, das Du beisteuern könntest? Ich wusste, worauf Sie hinauswill. Und ich sagte mir: Wenn es jemals eine richtige Zeit dafür gibt, dann jetzt.

Wie ging es weiter?
Das war an einem Samstag. Am Sonntag bin ich zurück nach L.A. gereist, und am Montag habe ich Nuno Bettencourt in seinem Heimstudio getroffen. Er hatte "Imagine" noch nie gespielt. Wir haben es viermal durchgespielt, dann haben wir die besten Parts der vier Aufnahmen zusammengeschnitten und das war's. Ich wollte, dass es nicht nach dem Original klingt, deshalb haben wir es ohne Klavier gespielt. Ich musste einen neuen Zugang finden, um es mir zu eigen zu machen.

Im Video ist als erstes ein Klavier zu sehen.
Wir haben in den Capitol Studios aufgenommen. Im Studio A stand ein Klavier, und die Idee war, es als Verbeugung zu nutzen: an Dad und an den Song.

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Wie waren die Reaktionen auf Ihre Aufnahme?
Um ehrlich zu sein: Ich habe noch nie so viel Respekt bekommen.

Julian Lennon über Beatles-Doku: "Es hat mich an den Spaß erinnert, den wir hatten" 

Wussten Sie immer, dass "Imagine" ihr Trumpf ist, wenn Sie einmal Aufmerksamkeit auf eine besondere Sache lenken wollen?
Ich wusste immer, wenn es mal eine Krisenzeit gäbe, würde ich "Imagine" singen. Ich habe rund um die Uhr Nachrichten geschaut, es hat mich genauso wahnsinnig gemacht wie alle anderen - und "Imagine" zu singen fühlte sich einfach richtig an. Es ist um die Welt gegangen, hat für Aufmerksamkeit gesorgt und dazu beigetragen, unheimlich viel Geld zu sammeln. Ich könnte nicht stolzer sein.

Sie haben schon angesprochen, dass Sie im November letzten Jahres mit Ihrem Halbbruder Sean Ono Lennon bei einem Screening von Peter Jacksons Beatles-Doku "Get Back" waren. Sie schrieben danach, das sei "lebensverändernd" gewesen. Inwiefern?
Ich wollte den Film eigentlich nicht in der Öffentlichkeit sehen. Ich war schon bei anderen Beatles-Veranstaltungen, und es ist immer das Gleiche: Die Leute starren mich an, um meine Reaktionen zu sehen. Aber in dem Fall hatte Sean zugesagt, wir waren beide in L.A., also habe ich gesagt: Das ist ein einzigartiges Stück Geschichte auf Film, also lass uns da gemeinsam hingehen, Hand in Hand. Ich dachte, der Film würde sehr düster werden. Aber er hat mich daran erinnert, wie es war, als wir mit Dad zusammengelebt haben, wie albern und sarkastisch er war, wie launisch und grüblerisch, wie intelligent, wie begabt. Das habe ich vermisst. Ich habe ein paar Tränen vergossen. Es hat mich an den Spaß erinnert, den wir hatten, und an die Liebe, die zwischen uns war, bevor alles schiefging. Das hat mich sehr bewegt. Ich hatte ihm bereits früher verziehen, welchen Mist Mum und ich wegen ihm durchmachen mussten. Es war einfach gut zu sehen, wie er war. Ich habe ich mich wieder in ihn verliebt, und es hat mich stolz gemacht - auf ihn und darauf, sein Sohn zu sein.


Julian Lennon: "Jude" (als CD, LP und digital, bei BMG Rights Management/Warner)

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