Josefowicz und das Münchner Kammerorchester: Mehr als ein Tapetenmuster
München - Der amerikanische Minimalismus, ob von Phil Glass, John Adams, Steve Reich oder Terry Riley, hat mit dem Post-Minimalismus eines gemeinsam: Deutsche Orchester dulden ihn allenfalls als Ballettmusik, weil derlei als klingendes Tapetenmuster gilt.
Das Solo setzt den Klangflächen des Kollektivs seinen Eigensinn entgegen
Beim Münchener Kammerorchester verwandelte sich ein neues Werk von Bryce Dessner wegen mehrerer Absagen in das 1994 uraufgeführte Violinkonzert von John Adams, und zwar mit der vom Komponisten selbst hochgelobten Geigerin Leila Josefowicz.
Ein Glücksfall. Adams' Konzert beschäftigt die Solistin eine gute halbe Stunde nahezu ununterbrochen. Feinsinnige Kammermusik zwischen der Geige und dem Orchester fehlt fast, bis zuletzt setzt das Solo den Klangflächen des Kollektivs seinen Eigensinn entgegen. Der Mittelsatz, eine Chaconne, zwängt - frei nach Schostakowitsch - den Individualismus in ein Zwangs-Korsett. Und die große finale Verfolgungsjagd endet mit einem wilden Zusammenstoß zwischen der Pauke und der Solistin.
Leila Josefowicz spielt das Konzert mit herber Kraft
Dass die ein Kleid in den ukrainischen Farben trug, passte zum trotzigen Widerstandsgeist des Konzerts. Leila Josefowicz spielte das Konzert mit herber Kraft. Der durch die Absage-Zufälle hinzugekommene Post-Minimalismus von John Adams harmonierte zufälligerweise mit der Uraufführung von Mithatcan Öczals "Amat", das kleinteilige Wiederholungen mit satten Klangflächen und scheinbaren Elektroorgel-Wirkungen verbindet.
Kurz vor Schluss erschreckte der Komponist das Publikum mit Posaunen aus den Logen des Prinzregententheaters - ein eher etwas gewollter Effekt.
Den aus solidarischen Gründen hinzugekommenen Kitsch der "Abendserenade" des Ukrainers Valentin Silvestrov kann man mögen oder auch nicht.
Am Beginn des Abends dirigierte Jonathan Stockhammer die "Dances Concertantes" von Igor Strawinsky, die mehr rhythmischen Pfeffer und kalte Klarheit vertragen hätten. Aber deutsche Musiker spielen eben lieber mit Gefühl, weshalb ihnen der amerikanische Strawinsky ebenso schwerfällt wie der kühle US-Minimalismus.
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