Jansons verlängert, die Architekten unterschreiben
Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks fielen gestern Ostern, Weihnachten und Pfingsten zusammen. Im Prinz-Carl-Palais unterzeichneten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm den Vertrag über den Bau des Konzertsaals im Werksviertel. Sie freuten sich – obwohl in Bregenz beheimatet – wie ein Wiener Schnitzel. Weil dieser Bau hin und wieder als „Schneewittchensarg“ tituliert wird, fuhren die Architekten zusammen mit dem Ministerpräsidenten im gleichnamigen Oldtimer vor.
Ein schönes Beispiel für die Eventisierung von Politik im Wahlkampf. Und weil’s so schön war, legte der Bayerische Rundfunk noch was drauf: Mariss Jansons (75) verlängerte seinen Vertrag als Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester um drei weitere Jahre – bis 2024. Das reicht möglicherweise für die Eröffnung des Konzertsaals, den der 75-jährige Dirigent seit seinem Amtsantritt gefordert hat. Und für eine Ära von dann 21 Jahren beim BR-Symphonieorchester.
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Unter Jansons hat sich das Orchester hervorragend weiterentwickelt. Dem Letten ist es gelungen, die traditionelle Wärme des Klangs mit der unter seinem Vorgänger Lorin Maazel kultivierten Brillanz zu versöhnen. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks steht glänzend da: Es spielt auf Augenhöhe mit den Berliner Philharmonikern, ist international gefragt und konnte die Zahl seiner Abonnenten in München verdreifachen.
Aber Jansons ist als Chef des BR-Symphonieorchesters in München weitgehend ein Phantom. Er dirigiert – anders als Valery Gergiev bei den Münchner Philharmonikern – weder das erste noch das letzte Konzert der Saison. „Klassik am Odeonsplatz“ mag er nicht. Er probiert keine neuen Konzertformate aus. Jansons weiß zwar, wie wichtig Familienkonzerte, Jugendprojekte und die Vermittlungsarbeit sind. Da aber steht er allenfalls als Schirmherr zur Verfügung.
Lieber in Japan als in München
Jansons tritt im Zweifel lieber mit dem Orchester draußen in der weiten Welt auf. In der kommenden Saison leitet er 14 Konzerte in München, eines in Nürnberg und 18 auf Tourneen, überwiegend in Japan. Die Reisen mögen für das internationale Ansehen und den inneren Zusammenhalt des BR-Symphonieorchesters wichtig sein. Da auf Reisen üblicherweise Standardwerke gespielt werden und die Münchner Konzerte als eine Art Generalprobe dienen, führt das zu einer Verarmung der Programme – wie in der kommenden Spielzeit, die beim BR-Symphonieorchester besonders unambitioniert wirkt.
Was Mariss Jansons mit den BR-Symphonikern in der kommenden Saison plant
Bei der Unterzeichnung des Vertrags mit den Architekten im Prinz-Carl-Palais fehlte er – wegen Proben für „Pique Dame“ bei den Salzburger Festspielen. Auch beim Architekturwettbewerb ließ er sich entschuldigen. Das Orchester bräuchte für dieses Bauprojekt einen Chefdirigenten, der sich nicht nur bei Hintergrundgesprächen in Ministerbüros, sondern auch öffentlich für das Projekt einsteht. Es würde auch nicht schaden, wenn er von München mehr kennen würde als den Bayerischen Hof. Der Chefdirigent sollte nicht nur – wie Jansons – ein hervorragender Musiker sein, sondern auch ein großer Kommunikator.
Inhalte wären wichtiger wie die Akustik
Eine öffentliche Begeisterung wie seinerzeit beim Bau der Pinakothek der Moderne ist beim Konzertsaal im Werksviertel noch nicht ausgebrochen. Dafür gibt es Genörgel über die „Kartoffelphilharmonie“ hinter dem Ostbahnhof. Nicht nur außerhalb Münchens begegnet einem öfter die Frage, wieso die Sanierung des städtischen Gasteig und der vom Freistaat finanzierte Neubau unkoordiniert nebeneinander ablaufen, obwohl gemeinsam Millionen gespart werden könnten.
Ja, warum nur?! Für Neubauten ist immer Geld da, bei den laufenden Kosten wird der Staat dann geizig. Es ist offen, wie der Konzertbetrieb im Werksviertel jenseits der Termine des BR-Symphonieorchesters organisiert werden soll. Eigentlich bräuchte der neue Saal einen künstlerischen Intendanten mit Etat und Programmhoheit. Den aber betrachten private Veranstalter – nicht zu Unrecht – als unlautere, staatlich finanzierte Konkurrenz. Ohnehin sollte man sich keine Illusionen machen: Internationale Orchester werden auch in Zukunft im optimierten Gasteig auftreten – wegen der höheren Zahl an Plätzen und den damit verbundenen Mehreinnahmen.
Viele Indizien sprechen dafür, dass der Markt für Konzerte in München gesättigt ist – bei wachsendem Angebot. Der Neubau braucht deshalb vor allem ein innovatives Bespielungsprogramm. Die Frage, wofür der Neubau im Werksviertel inhaltlich steht, ist mindestens so wichtig wie die Frage der Akustik und der Architektur.
Hier liegt die Chance des Neubaus: Nicht mit Flitter und einer Eventisierung, sondern in sachbezogenen, aus der Musik und der Kulturgeschichte entwickelten Konzertprogrammen, die sich vom üblichen Gemischtwarenladen unterscheiden.
Dafür braucht es nicht nur Geld, sondern vor allem kulturpolitischen Mut. Und das ist leider keine Eigenschaft, für die der Bayerische Rundfunk und der Freistaat sonderlich bekannt sind. Die fahren im Zweifel lieber mit dem Oldtimer vor.