James Levine: Die Frage nach dem Führungszeugnis

James Levine, zwischen 1999 und 2004 Chef der Münchner Philharmoniker, ist tot.
Robert Braunmüller
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James Levine (links) mit dem Cellisten und Dirigenten Mstislav Rostropowitsch auf dem Odeonsplatz.
James Levine (links) mit dem Cellisten und Dirigenten Mstislav Rostropowitsch auf dem Odeonsplatz. © Schrader/dpa

Nach Jahren der strengen Zucht unter Sergiu Celibidache wollten es die Münchner Philharmoniker etwas ruhiger angehen. 1997 leitete James Levine das Orchester mit Werken von Bach, Schönberg, Berg und Schubert als Gastdirigent. Und so entschieden sich die Musiker für den Amerikaner als Chefdirigenten, der zwei Jahre später sein Amt antrat.

Es soll, wie damals gemunkelt wurde, für die Stadt eine ziemliche teure Angelegenheit gewesen sein, die auch nur fünf Jahre währte. Gestern wurde bekannt, dass Levine bereits am 9. März im kalifornischen Palm Springs verstorben sein soll, wie zunächst die "New York Times" berichtete. Über die Todesursache wurde nichts bekannt.

Grünen wollten bei Levines Berufung ein Führungszeugnis

Levine trat bereits mit zehn Jahren als Pianist auf. Der 1943 in Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio geborene Musiker studierte an der New Yorker Juilliard School of Music, wo er sich dem Dirigieren zuwandte. 1971 debütierte er als mit Puccinis "Tosca" an der Metropolitan Opera. Weitere Gastauftritte folgten, zwei Jahre später wurde der damals 29-Jährige Chefdirigent und musikalischer Direktor des weltberühmten Opernhauses.

Der Amerikaner dirigierte viel in Salzburg, unter anderem eine bis heute bezaubernde "Zauberflöte" in der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle. Von 1982 bis 1998 war er ein zentraler Dirigent der Bayreuther Festspiele, wo er einen legendär langsamen "Parsifal" und den "Ring" dirigierte.

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Levines Andenken wird durch die sexuelle Belästigung junger Männer verdunkelt. Gerüchte gab es seit den 1960er Jahren, die Grünen wollten bei seiner Berufung nach München sogar ein Führungszeugnis einholen. Die Bedenken wurden vom damaligen Oberbürgermeister Christian Ude beiseite gewischt. Man wollte den Weltstar, und ein Künstler sei über solche Verdächtigungen erhaben, hieß es damals.

Die Münchner Philharmoniker hatten wenig Glück mit Levine. Er dirigierte einige herausragende Mahler-Aufführungen, reiste viel mit dem Orchester durch Europa. Für Prestige sorgten Auftritte in der New Yorker Carnegie Hall und das gemeinsame Debüt bei den Londoner Proms. Dass die Philharmoniker in dieser Zeit den Preis des Deutschen Musikverleger-Verbands für das "Beste Konzertprogramm" einer Saison erhielten, hatte mit dem selten einfliegenden Chefdirigenten weniger zu tun.

Vorwurf des sexuellen Missbrauchs

Das Ende von Levines Karriere folgte bald. 2007 gingen einige Männer an die Öffentlichkeit, die Levine zum Teil langjährigen sexuellen Missbrauch vorwarfen. Die Met nahm unter Mithilfe eines externen Juristen eigene Ermittlungen auf. Danach sah man die Vorwürfe als belegt an und beendete die Zusammenarbeit. Levine klagte und verlor. Im August 2019 schlossen die beiden Parteien einen Vergleich.

Levine war schon lange krank, seit 2013 trat er nur noch im Rollstuhl auf. In München gastierte er nach seinem Abschied mit Wagners konzertantem "Parsifal", Verdis "Otello" und einem Mahler-Mammutprogramm nicht mehr. Der Cellist Stephan Haack, lange Zeit Orchestervorstand der Münchner Philharmoniker, würdigte gestern die "freundschaftliche Zusammenarbeit" mit James Levine. "Unkonventionelle Programme in Konstellation und Dauer gehörten genau so zu seiner künstlerischen Handschrift wie die Gabe, die besondere Klangkultur der Münchner Philharmoniker fortzusetzen", so Haack.

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