Helge Schneider in München: Infantilität zwischen unreifem Sozialverhalten und grenzenlosem Spaß

Am Sonntag ist Helge Schneider in München aufgetreten, zwei weitere Shows folgen am Montag und Dienstag. Seinen Konzert-Abbruch vom Freitag in Augsburg nutzt er dabei als Gag-Material.
Michael Stadler |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Helge Schneider ist aktuell mit seinem Programm "Let's Lach!" in Deutschland unterwegs.
Helge Schneider ist aktuell mit seinem Programm "Let's Lach!" in Deutschland unterwegs. © IMAGO / BOBO

Gute Nachricht: Es gibt keine Strandkörbe beim "Eulenspiegel Flying Circus" im Innenhof des Deutschen Museums. Trotzdem konnte es einem leicht bange sein vor dem Auftritt von Helge Schneider in der luftig bestuhlten, von Veranstalter Till Hofmann sommerlang genutzten Freiluft-Location. Schließlich hatte Schneider letzten Freitag sein Konzert beim "Strandkorb Open Air" in Augsburg nach vierzig Minuten abgebrochen, weil er nichts vom Publikum spürte und ihn das ständige Hin- und Her-Gewusel des Speisen und Getränke servierenden Personals nervte.

Helge Schneider veräppelt eigenen Show-Abbruch

Was vor zwei Tagen noch für Aufregung sorgte und für Schneider vielleicht noch rechtliche Folgen nach sich zieht, ist für ihn in München vor allem eines: Gag-Material. So begrüßt er das Publikum mit "Willkommen im Innenhof des Deutschen Museums" und fügt sofort ein "Das war’s für heute" hinzu. Etwas später tut er beim Verstellen des Mikros so, als ob er sich dabei die Nase anstößt und meint: "Ein anderer Superstar würde jetzt aufgeben." Ob man das Selbstironie nennen darf, ist zwar fraglich, aber Schneider wirkt zumindest von Anfang an fidel. Über seine gute Laune singt er sogar und hat zuvor mit "Der Pabst" einen entspannten bluesigen Song auf Lager, in dem er den Promi-Leiden des ranghöchsten Katholiken entschlossen nachfühlt: "Der Pabst kann nirgendwo hingehen, denn er ist bekannt wie ein buntes Huhn." Da schimmert doch Empathie durch, von Band- zu Kirchen-Leader.

Lesen Sie auch

Einlagen mit parodistischem Ansatz

Mit seinen 65 Jahren übt Schneider sich weiterhin in der Kunst des höheren Blödsinns und lässt dabei wie die besten US-Stand-up-Comedians im Ungewissen, ob er gerade Pointen improvisiert oder doch vieles schon im stillen Kämmerlein ausgetüftelt hat. Manche Einlage hat dabei einen erkennbaren parodistischen Ansatz: Wenn er etwa mit der E-Gitarre in der Hand den Titelsong seines neuen Albums, "Die Reaktion", rockt, macht Schneider sich über linke Protestsongs lustig – oder über den Mangel an konkretem Revolutionsgeist in unserer Gesellschaft: "Dies ist meine Reaktion auf das Geschehen!" kräht er da. Und: "Was geschehen ist, ist geschehen!". Tja, und um was geht’s eigentlich? Dass ihm die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen auf den Geist gegangen sind und weiterhin gehen, macht sich in eingestreuten Bonmots bemerkbar. Außerdem macht er sich immer wieder über das Gendern lustig, indem er allen möglichen Wörtern ("Kinder*innen") einen Glottisschlag verpasst.

Infantilität zwischen unreifem Sozialverhalten und grenzenlosem Spaß

Der Witz liegt auch in der Qual und im Quälen, dementsprechend triezt Schneider mit Genuss (und zum Genuss der Zuschauenden) seinen altbewährten, im Zirkuskostüm steckenden Diener "Bodo", lässt ihn Tee bringen oder den Super-Hit "Katzeklo" singen, während er ihm ein Trompetensolo ins Gesicht bläst. Infantilität zwischen unreifem Sozialverhalten und grenzenlosem Spaß gehört zu Schneiders Trümpfen; dazu passend wirkt es, dass ihn neben seinem souveränen Gitarristen Sandro Giampietro auch sein elfjähriger Sohn Charlie, also, ein waschechtes Kind auf der Bühne begleitet.

Der Junge kann bereits vortrefflich Schlagzeug spielen, zumindest im sanfteren Jazz-Bereich. Oft lehnt Charlie "The Flash" sich, beim Zuhören, aber auch beim Spielen, auf eine der Trommeln und verzieht keine Miene angesichts des väterlichen Unfugs. Er habe angeregt, dass in der Schule seines Sohnes nur Dick-und-Doof-Filme gezeigt werden, behauptet Schneider; sowas wie Mathe-Unterricht brauche der Junge sowieso nicht: "Er hat ja ein Handy!" Aber am Ende dieses, mit allseitigen Glücksgefühlen beendeten, Gigs scheint Quatsch doch vor allem eine Sache für die alten, verrückten Vögel zu sein.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.