Florence and the Machine: So war's in der Olympiahalle
München - Die nicht enden wollende Lust am Pathos der Florence Welch macht auch vor Smartphones nicht Halt. „Könnte jeder sein Telefon wegstecken“, bittet die 29-jährige Engländerin einmal und lächelt in das euphorisierte Rund, „nur für einen Song. Dann können wir ihn später mit unseren Augen und Ohren erinnern – miteinander!“ Und ergänzt, dass auch der Blick der Band bevorzugt nach unten zum kleinen Bildschirm geht. Aber manchmal muss man auch nach oben schauen, hoch in den Himmel!
Barfuß in der Olympiahalle
Oh Gott, möchte man rufen, das kann sie doch nicht völlig ernst meinen! Aber Florence gehört zur Generation, die mit Ironie nicht mehr viel am Hut hat. Ironie ist billig, die echte Emotion zählt, und sie darf gerne groß sein. Vornehmlich ums Himmelhochjauchzende und das böse Scheitern, ums Leiden und die Liebe, ums Leiden an der Liebe drehen sich die drei Alben, die Florence and the Machine veröffentlicht haben.
Und man geht im Konzert bereitwillig mit, weil es in der passabel gefüllten Olympiahalle schon nach ein paar Minuten einfach kein Halten mehr geben kann. Barfuß tritt Florence auf, sieht in ihrer weißen Satin-Hose und der weißen Weste über der beigen Bluse wie ein Ex-Abba-Mitglied, ein Edel-Hippie aus. Flower-Power deluxe, und einmal beendet sie einen Song, indem sie zwei gespreizte Finger in die Höhe reckt: Peace!
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Theater auf der Bühne
Auch die Bühne verströmt einen Glamour jenseits popzirzensischer Albernheiten: Hinten glitzert ein Pailletten-Vorhang, umgeben von roten Samtvorhängen, welche an die Verführungskraft des Theaters denken lassen. Das Theatralische, die große Geste pflegen Florence and the Machine in jeder Hinsicht. Musikalisch sind sie eine Art Elektrizitätswerk des Pop, eine Mitreißmaschine, die opulente Klangteppiche mit Bass-Drums, Harfe und Bläsern erzeugen und keinen Bombast scheuen. Als größte Antriebsfeder: die präraffaelitisch schöne Frontfrau Florence, deren Stimme einem die Wut um die Ohren knallt, um sich im nächsten Moment herzzerreißend in die Höhe zu schrauben.
Im Konzert verkörpert Florence ihren energischen Folk-bis-Rock-Sound mit jeder Faser ihres Körpers, rennt immer wieder von einer Seite der Bühne auf die andere, was allein schon wegen der wehenden roten Mähne verdammt gut aussieht. Sie hangelt sich auf die vordere Absperrung, geht auf Tuchfühlung mit den Fans, dreht auf der Bühne Pirouetten, weiß sich im Scheinwerferlicht zu inszenieren, als Silhouette, als Göttin, als Beschwörerin der Massen. Gegen Ende, bei „Dog Days Are Over“, fordert sie alle erfolgreich auf, sich zu umarmen, zu küssen und ein Kleidungsstück auszuziehen, um es befreit in der Luft zu wirbeln.
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Abwechslungsreiche Musik mit großer Band
Unterstützt wird sie von einer elfköpfigen Band, von der allein Keyboarderin Isabella Summers, auch als Mitkomponistin, zum Maschinen-Grundbestand gehört. Dennoch darf man sich wundern, dass Florence Welch ihre Tour-Band nicht einzeln vorstellt. Denn sie ist großartig, beispielsweise die fünf Backgroundsängerinnen, von denen drei sich im Nu in ein Bläsertrio verwandeln können. Für „Cosmic Love“ fährt Florence das Tempo einmal anhaltend runter und zu ihrem Gesang gesellen sich nur Harfe, Gitarre und Klavier. Eine betörende Atempause im Sturm des drängenden Overkill-Pop, der durch abrupte Dynamikwechsel – von voller Bandstärke bis zu nur ein, zwei Instrumenten als Begleitung – eine mitreißende Spannung erzeugt, auch wenn dieses Stilmittel allzu oft bemüht wird.
Auf einem Münchner Weihnachtsmarkt war Florence und sie vergleicht die Olympiahalle mit einem Spinnennetz. Darin zeigte sie sich als grandiose Spinnenfrau, die wohl alle mit ihrer Musik, ihrer Ausstrahlung, dieser Energie und all den Plädoyers für eine weltweit gefühlte Liebe einspannt.
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