Ernst von Siemens Musikpreis geht an Komponistin Olga Neuwirth
Die Dauerfrage "Warum denn keine Frau?" dürfte nun verstummen. Nach der Komponistin Rebecca Saunders (2019) und der Bratschistin Tabea Zimmermann (2020) erhält nun die österreichische Komponistin Olga Neuwirth den mit 250 000 Euro dotierten und lange sehr männerlastigen Ernst von Siemens Musikpreis.
Begründung: Neuwirth verleihe zeitgenössischer Musik ein neues Gesicht
Sie sei "eine der einflussreichsten Komponist:innen ihrer Zeit", die in ihren Arbeiten feministische Anliegen mit einer multimedialen Praxis verbinde, heißt es in der Begründung der Jury. Dabei schlage sie radikal neue Wege ein und verleihe der zeitgenössischen Musik ein neues Gesicht.
Neuwirth arbeitet seit ihrer Jugend eng mit der Schriftstellerin Elfriede Jelinek zusammen, etwa in der Oper "Bählamms Fest" (1999), in der die Komponistin mit digitalem Morphing der Stimmen die Möglichkeiten der vokalen Artikulation erweiterte. Ein weiteres Gemeinschaftswerk ist die Oper "Lost Highway" (2003) nach dem gleichnamigen Film von David Lynch.
Einer von Neuwirths wichtigsten Mentoren: Luigi Nono
"Von der Literatur, der bildenden Kunst und dem Film bis hin zur Popmusik hat sie immer wieder Impulse, Stoffe und Techniken anderer Kunstformen für die Neue Musik fruchtbar gemacht", so die Jury. 2015 schuf Neuwirth für die Donaueschinger Musiktage mit "Le Encantadas o le avventure nel mare delle meraviglie" ein abendfüllendes und raumgreifendes Werk, mit dem sie einen ihrer wichtigsten Mentoren, den Komponisten Luigi Nono, und mit ihm die Stadt Venedig würdigt. Das letzte größere Werk der 1968 in Graz geborene Komponistin war die vor drei Jahren an der Wiener Staatsoper uraufgeführte Oper "Orlando" nach Virginia Woolf. In München spielten die Münchner Philharmoniker zuletzt im Oktober unter Valery Gergiev ihr Orchesterstück "Masaot/Clocks without Hands" als erstes Werk einer Komponistin in der frisch eröffneten Isarphilharmonie.
Neuwirths Klangsprache: "Ausdruck ihrer Persönlichkeit und ihres sozialen Engagements"
Neuwirths Klangsprache ist vielseitig, unberechenbar und bisweilen auch rau und scharf. "Sie ist Ausdruck ihrer Persönlichkeit und ihres sozialen Engagements. Immer wieder hat sie sich öffentlich ausgesprochen für Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung – in der Musik und in der Gesellschaft. Dabei hat sie niemals die Konfrontation gescheut", so die Jury. Die Begründung erinnert in diesem Zusammenhang an die Rede "Ich lasse mich nicht wegjodeln", mit der Neuwirth im Jahr 2000 auch außerhalb der Musikszene bekannt wurde, als sie gegen die repressive Kulturpolitik der FPÖ in Österreich demonstrierte.
Vergeben wird der Preis seit 1973 von der privaten, in der Schweiz ansässigen Ernst von Siemens Musikstiftung. Deren Kuratorium, in dem unter anderem die Komponisten Nikolaus Brass, Wolfgang Rihm, Enno Poppe, die Komponistin Isabel Mundry und der musica-viva-Leiter Winrich Hopp vertreten sind, entscheidet über den Preisträger oder die Preisträgerin. Der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste verleiht den Preis üblicherweise in München.
Neuwirth soll die Auszeichnung am 2. Juni im Prinzregententheater erhalten. Dabei werden auch die Förderpreise für Komposition verliehen, die mit Preisgeldern von je 35 000 Euro verbunden sind. Der Stiftung zufolge gehen sie an Benjamin Attahir aus Frankreich, Naomi Pinnock aus Großbritannien und Mikel Urquiza aus Spanien. Die Ensemble-Förderpreise unterstützen Spoldzielnia Muzyczna aus Krakau und das Londoner Explore Ensemble.
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