Element of Crime in der Isarphilharmonie in München: Es muss nicht immer Bierzelt sein
Erstaunlich, dass Sven Regener es zwischen den vielen, schnell vorgetragenen Worten, die er bei "Immer noch Liebe in mir" singen muss, und seinen Einsätzen als Trompeter überhaupt irgendwann Luft holen kann. Das Lied mit seinem Schunkelrhythmus und dem flotten Akkordeon passt natürlich wunderbar in die Wiesnzeit – auch wenn die Band vor einigen Jahren im Interview über diese Idee eher erstaunt war.
Dass die ausverkaufte Isarphilharmonie am Samstag nicht zum Bierzelt wird, liegt zum einen an der strengen Bestuhlung im Saal – auf Klappstühlen sollst du nicht tanzen! –, zum anderen an der sonst tendenziell zwar bewegten und bewegenden, aber doch eher ruhigen Musik der Band. Die ersten beiden Lieder – jeweils die Eröffnungsstücke der Alben, auf denen sie erschienen sind – geben davon schönstes Zeugnis: "Unscharf mit Katze" und "An ersten Sonntag nach dem Weltuntergang".
Element of Crime in der Isarphilharmonie: Verse zum Mitfühlen
Die Band blickt inzwischen auf eine fast 40-jährige Geschichte zurück, mit wenigen Wechseln beim Personal (zuletzt ersetzte Markus Runzheimer am Bass das langjährige, inzwischen gestorbene Bandmitglied David Young) und im Stil.
Die nachhaltigste Veränderung, die der Berliner Band völlig neue Hörerkreise erschließt: Sven Regener schreibt seine Texte seit 1991 auf Deutsch. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie man als liebeskummerkranker Mensch Anfang der 90er Jahre ohne das Lied "Weißes Papier" vom gleichnamigen Album hätte überleben können.
So konnte man mit grimmigem Seufzen Verse wie diese mitfühlen: "Am liebsten wär ich ein Astronaut und flöge auf Sterne, wo gar nichts vertraut und versaut ist durch eine Berührung von dir."
Das gibt es in der Isarphilharmonie ebenso zu hören wie die veritablen Element-of-Crime-Hits "Am Ende denk ich immer nur an dich" und natürlich "Delmenhorst", das quasi versehentlich zur norddeutschen Provinzhymne wurde und vom gebürtigen Bremer Regener stets entsprechend launig angekündigt wird.
Kein Raum zum Rumhüpfen: Element of Crime bezaubern mit den stilleren Liedern
München kann es bestätigen: Diese Band kann im dampfenden Tollwood-Zelt ebenso spielen wie im Gasteig und eben jetzt im HP 8. Spätestens beim rockig-treibenden "Jung und schön" wünscht man sich am Samstag doch ins Zelt mit Rumhüpfmöglichkeit. Da legen sich die sechs Musiker voll ins Zeug, aus dem Boxen stampft und dampft es, die Bühnenlichter blitzen durch die Philharmonie – und man sitzt da wie im Kino.
Die mangelnde Mobilitätsmöglichkeit stellt schon die Vorband fest: das Zürcher Duo Steiner & Madlaina, bei ihrem Trinklied (die beiden kommen mit ihrer Band am 27. November ins Ampere!). Bezaubernd bei Element of Crime sind oft die stilleren Lieder, bei denen die einzelnen Musiker ihren filigranen Beitrag zarte Klänge in die Bühnenmitte schicken, wo sie sich zum Kunstwerk zusammenfügen.
Konzert in der Isarphilharmonie in München: Komisch und melancholisch
Beim wunderschönen "Und dann kommst du wieder" vom aktuellen Album "Morgens um vier" greift – wenn die Ohren nicht täuschen – Rainer Theobalds Saxofon in der Bridge bei den gezogenen Worten "Nie" und "Hier" als zarte zweite Stimme ein.
Dieses feine Zusammenspiel kommt auch besonders schön zur Geltung beim minimal instrumentierten, Salzwassergeschmack auf die Zunge bringenden "Vier Stunden vor Elbe 1" vom ersten rein deutschsprachigen Album "Damals hinterm Mond" (1991). Da verlässt Richard Pappik im zweiten Zugabenblock sein Schlagzeug und spielt Mundharmonika in einer Reihe mit seinen Bandkollegen. Und ein Scheinwerfer schwenkt dazu durch den Saal wie das Licht eines Leuchtturms.
Aus der ganz frühen, noch englischsprachigen Zeit gibt es "Moonlight" und "Nightmare". Und dann stellt man fest, dass Element of Crime erstaunlich viele Stücke im Repertoire haben, mit denen man ein Programm abschließen kann.
Dafür nimmt man entweder die Hits, ohne die es halt nicht geht – "Am Ende denk ich immer nur an dich" und "Delmenhorst" laufen unter den Zugaben –, oder solche, die dem Publikum praktisch eine gute Nacht wünschen: "Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin" ist mit dem Gummibär im Tat ebenso komisch wie schön melancholisch.
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