Deshalb ist das neue Coldplay-Album so schlecht

Welche grauenhaften Effektgeräte sind in den letzten Jahren gebaut worden? Welches Unheil kann man mit Kompressoren anrichten? Oder allgemeiner: Wie schrecklich kann moderne Studiotechnik eigentlich klingen? Antworten auf all diese Fragen gibt das neue Album von Coldplay.
Dominik Petzold |
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Chris Martin, Coldplay-Sänger, vor genau einem Jahr in München.
dpa Chris Martin, Coldplay-Sänger, vor genau einem Jahr in München.

„A Head Full of Dreams“ haben deren langjähriger Mitstreiter Rik Simpson und das norwegische Duo Stargate produziert. Dieses ist bekannt durch die Zusammenarbeit mit Rihanna, Beyoncé und Katy Perry. Das Ergebnis ist ein zeitgemäßes High-End-Werk auf dem Stand der Technik. Oder eben, mit den Ohren beurteilt, ein scheußliches Album.

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Dabei geht’s ganz gut los. Der Titelsong mit seinem Disco-Groove ist total eingängig, ein klarer Hit. In der Mitte des Songs spielt Gitarrist Jonny Buckland ein Lick, für das ihn U2-Gitarrist The Edge sofort verklagen müsste. Dazu gibt’s die üblichen Oh-oh-oh-Gesänge, bei denen Menschen in Stadien besonders gerne einstimmen. Ganz Coldplay eben.

Doch spätestens beim dritten Song „Hymns for the Weekend“, einem Duett mit Beyoncé, beginnt der Sound gewaltig zu nerven: Alles ist hyperkomprimiert, auf maximale Dancefloor-Dezibelzahl auslegt, die Bässe sind extrafett, synthetischer geht’s nicht. Da freut man sich am Ende von „Everglow“ – einer Ballade mit schönen erweiterten Pianoakkorden – tatsächlich zu hören, wie Chris Martin vom Klavierpedal absetzt. Doch sofort geht’s weiter mit einem gräuslich wirbelnden Gitarrenmotiv, das nach Synthie klingt. In diesem Song, „Adventure of a Lifetime“, folgt sogleich noch ein echtes Synthiemotiv. Doch Halt, das ist eine menschliche Stimme, vom Vocoder verfremdet.

Im Zwischenspiel „Kaleidoscope“ liest ein Erzähler mit tiefer Stimme aus „The Guest House“, einem Gedicht des Persers Rumi aus dem 13. Jahrhundert. Inhalt der Passage: Das menschliche Leben ist ein Gästehaus, man möge begrüßen, was auch immer daherkomme: das Gute wie das Schlechte, die Freude wie die Depression. Im Hintergrund dudelt Glockenspiel. Das Ganze geht über in eine Live-Aufnahme von Barack Obama, der beim Gedenkgottesdienst für die Opfer des Charleston-Massakers „Amazing Grace“ singt.

Man fragt sich noch, ob das alles ernst gemeint ist, da fliegt einem schon das nächste Synthiegeplucker um die Ohren. Das läutet den zunächst besten Song ein, „Army of One“. Doch in der Mitte geht der in ein völlig anderes Lied über, einen missratenen Versuch in Sachen Black Music. Und welche Worte singt Martin im Refrain? „I Put My Hands Up to the Sky“ – die Hände zum Himmel! Fröhlichsein fällt mit diesem Album jedoch schwer.

 

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